(explizit) Die Auflagen gehen kontinuierlich zurück. Damit verlieren die Zeitungen für die Werbung anBedeutung. Deshalb gehen auch die Anzeigenerlöse, die mit dem Internet eingebrochen sind, nochweiter zurück. Aber ohne Werbeeinnahmen ist die Zeitung, die morgens im Briefkasten steckt,nicht zu finanzieren. Eine Trendwende ist für die Printausgaben nicht in Sicht. Deshalb stößt nachHoltzbrinck (Saarbrücker Zeitung) auch Springer seine Regionalzeitungen ab. Nach und nachwerden die Regionalzeitungen aufgeben müssen, sie werden unter einen großen "Mantel"schlüpfen. In Frankreich kann man sich ansehen, wohin Deutschland sich auf den Weg macht:Wenige landesweite anspruchsvolle Titel und daneben Provinzeitungen aus einem Verlagshaus.Die Hersant-Gruppe gibt den Figaro heraus und sorgt in Nord- wie in Südfrankreich mit über 30Titeln für Fotos von Feuerwehren und Kinderfreizeiten, wenig Text und eine im Innenteilversteckten Nachrichtenseite für eine große Monotonie.Die Dynamik des Marktes treibt die Verlagshäuser vor sich her.
Springer setzt auf das Internet
Der größte deutsche Verlag hat sich mit dem größten Haus der Regionalpresse abgestimmt. DerWAZ-Konzern, eine Familienunternehmen, hat anders als Springer mit der "Welt" und derBildzeitung, keine Marke im Internet aufgebaut und sich auch nie einen überregionalen Titelzugelegt. Das Geld wäre in früheren Jahren da gewesen. Die WAZ hat, nicht zuletzt durch dasMissmanagement von Bodo Hombach, zwar in Österreich und auf dem Balkan expandiert, abermit großen Schwierigkeiten und lange nicht so geschickt wie die Passauer Neue Presse inTschechien und Polen. Die Auflagen der verschiedenen Ruhrgebietszeitungen haben sich fasthalbiert, von den bei WAZ, NRZ, Westfalenpost tätigen Redakteuren gibt es nur noch. DieWestfälische Rundschau in Dortmund ist eingestellt, der Name bleibt, die Inhalte kommen aberaus der Zentrale in Essen und die Lokalteile von kleinen Heimatblättern im östlichen Ruhrgebiet.Will die WAZ-Gruppe den steilen Abwärtstrend im Ruhrgebiet stoppen, muss sie in andereVerbreitungsgebiete vorstoßen. Sie hatte mit ihren Ruhrgebietszeitungen in den neunziger Jahreneine Auflage von 1,5 Millionen, jetzt noch etwa 700.000.
Nur ein "Mantel" für viele Regionalzeitungen
Wenn man bei der Regionalpresse sparen will, geht das kaum am Papier. Die Zustellung durch Austräger wird sogar in dem Maße teurer wie die Zahl der Abonnenten zurückgeht. Gespart werden kann nur an der Redaktion. Das geht am einfachsten, wenn man die Zentralredaktionen zusammenlegt. Politik, Wirtschaft, Überregionale Kultur- und Sportberichterstattung müssen sich zwischen Hamburg und Essen nicht unterscheiden. Und ob der sog. Zeitungsmantel an einem Newsdesk in Berlin oder München produziert wird, ist im digitalen Zeitalter kein technisches Problem mehr. Je mehr Regionalzeitungen der WAZ-Konzern übernimmt, desto größer die Überlebensfähigkeit des einzelnen Titels. Zur Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, der Neuen Ruhr/Rhein-Zeitung, den Westfälischen Nachrichten in Hagen schon die Braunschweige rund die Thüringer Zeitung, jetzt kommen das Hamburger Abendblatt und die Berliner Morgenpost hinzu. Ob es neben diesem Konglomerat noch andere geben wird, hängt davon ab, ob z.B. der Dumont-Verlag, der neben dem Kölner Stadtanzeiger, dem Bonner Generalanzeiger auch die Berliner Zeitung herausgibt, in das Geschäft einsteigt. Das wird sicher ernsthaft überlegt. Die Gruppe um die Rheinpfalz und die Stuttgarter Zeitung, von deren Gnadenbrot die Süddeutsche schon seit Jahren zehrt, wird der WAZ-Gruppe das Feld nicht ganz überlassen. Aber mehr als vier Konzerne werden wohl nicht übrig bleiben, die sich die Regionalzeitungen einverleiben werden.
Wo bleibt die Meinungsvielfalt:
Sie wandert ins Internet. Denn bei der Regionalpresse war sie bis jetzt auch nicht. Wer die Onlineausgaben durchblickt, wird eine große Uniformität feststellen, was immer Thema ist, ob die amerikanische Datensammelwut, die Eurokrise oder der Papst in Brasilien, man entdeckt keine großen Unterschiede. Das liegt einfach daran, dass die Mantel-Seiten einer Regionalzeitung im Redaktionsbüro entstehen. Weder die WAZ noch das Hamburger Abendblatt schickt einen Korrespondenten in den Nahen Osten noch verfügt man über Redakteure, die sich in die Probleme des Datenschutzes eingearbeitet haben noch hat die Redaktion Kontakt zu Fachleuten aufgebaut. Deshalb liest man auch nur das, was es auch sonst im Internet gibt.Meinungsvielfalt in der lokalen Berichterstattung gibt es auch jetzt nur noch dort, wo es verschiedenen Lokalredaktionen gibt. Zwei Zeitungstitel besagen noch nichts, im Lokalteil des Bonner Generalanzeigers z.B. steht das Gleiche wie in dem der Bonner Rundschau. Es ist nicht damit zu rechnen, dass zwei oder gar drei Lokalredaktionen in Zukunft noch finanziert werden.Es sind daher die etablierten Internetportale, die noch für Meinungsvielfalt sorgen. Da werden aber kaum neue hinzukommen, zumindest was die überregionale Nachrichtengebung betrifft. Die bereits etablierten Portale, zu denen auch Springers "Welt" gehört, haben ein Korrespondentennetz. Das erst garantiert einen anderen Blick, ob auf die amerikanische Geheimdienstszene oder eine Großveranstaltung wie eine Weltmeisterschaft oder ein Weltjugendtag.Zur Meinungsvielfalt im Internet werden Special-Interest-Portale beitragen. Diese werden sich über Communities einwurzeln, so wie Zeitungen und Spezialzeitschriften das bisher durch ihren Abonnentenstamm erreicht haben.
Die Monopole hätten sich vermeiden lassen
Dass es auf eine derartige Pressekonzentration hinausläuft, war nicht zwingend. Hätten sich die Zeitungsverlage auf ein gemeinsames Portal verständigt, so wie es in der Slowakei geschehen ist, dann könnten alle überleben. Man hätte eine niedrige Bezahlschranke eingerichtet und alle Titel über eine Suchmaschine zugänglich gemacht. Die Einnahmen könnte man wie in einem regionalen Verkehrsverbund verteilen, die Klickraten sind leicht messbar. Aber da sich die Verlage nicht an einen Tisch setzen wollen, betreibt Google mit Google-News die Suchmaschine und verdient. Volksbanken und Sparkassen zeigen, dass ein Verbund das Überleben der Kleinen sichert. Dafür ist es jetzt zu spät. Wie es vor Jahren für die Fluggesellschaften keine Alternative zu den Zusammenschlüssen gab, können die Verlage der Regionalpresse, nur noch überlegen, in welches Konglomerat sie sich retten.
Washington Post geht an Amazon
Der Verkauf der Washington Post an Amazon zeigt ein Mehrfaches. Einmal scheinen auch IND ein USA die Zeitungsverleger kein Erlösmodell entwickeln zu können. Für Amazon zeigt der Kauf zwei Perspektiven: Eine renommierte Informationsmarke wird das Portal aufwerten. Zudem verfügt Amazon über die Zugänge zu einer großen Gruppe von Menschen, die daran gewöhnt sind, für Inhalte die Geldbörse zu öffnen. Anders als die Zeitungen hat Amazon seine Nutzer nicht daran gewöhnt, dass Inhalte nichts kosten. Zum anderen wird Amazon einen Weg finden, einzelne Artikel nicht nur an einige wenige zu verkaufen. Wie Springer kauft sich Amazon nicht bei regionalen Titeln ein, sondern setzt auf landesweite Verbreitung.
Eckhard Bieger S.J.
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