Wolfgang G. Schwanitz

Explizit.net ist ein aktueller Marktplatz der Ideen. Die Beiträge des katholischen Portals sind oft eigenwillig, analytisch und unabhängig. Da die Grundwerte auch in der aktuellen Globalsicht stimmen, trage ich gern dazu bei.

Geboren 1955 in Magdeburg, Studium der Arabistik und Ökonomie in Leipzig bis 1982. Dort promoviert. Dann Forschungsgruppenleiter für Geschichte des Nahen und Mittleren Osten an der Akademie der Wissenschaften in Ostberlin. Seit der deutschen Einheit als Mittelosthistoriker Forschung und Lehre in Amerika, Mittelost und Europa über die Beziehungen dieser drei Regionen sowie über Araber, Amerikaner, Juden und Deutsche. Autor von vier und Editor von zehn Bänden zur mittelöstlichen Beziehungsgeschichte, darunter deutsche Islam- und Mittelostpolitik.

Beiträge von Wolfgang G. Schwanitz

Obama und Merkel im Weißen Haus

(explizit.net) In Washington hegen Präsident und Kanzlerin auch Divergenzen. So will Angela Merkel keine Waffen in die Ukraine liefern. Der Konflikt sei nur politisch zu lösen. Dies möchte Barack H. Obama auch, doch fehlt ihm ein stimmiger Ansatz, der republikanische Falken überzeugt, die den Kongress lenken. Doch Merkel könnte ihm heute in Washington einen Weg aufzeigen, zumal sie gestern telefonisch mit François Hollande, Wladimir W. Putin, Petro O. Poroschenko ein Aktionspaket erprobt. Ziel: den Krieg in Osteuropa durch einen Konsens mit dem Kreml zu stoppen, dazu am Mittwoch ein Minsker Gipfel, wohin auch Separatisten anreisen. Also Merkels Ausdauer ist vor einer möglichen Eskalationsstufe zu bewundern, zumal der Präsident nach diesem Treffen zu einem Entschluss finden muss.

Multikrisen in Afrika, Amerika und Europa

(explizit.net) Ägypten ergriff eine Gewaltwelle am vierten Jahrestag der Revolte vom 25. Januar, einst gegen Präsident Mubarak gerichtet. Bomben trafen in al-Arish, Nordsinai, Donnerstag Gruppen von Wehrpflichtigen, von denen über 30 getötet und 80 verwundet wurden. Laut „al-Ahram Weekly“ gab sich die Gruppe Ansar al-Bait al-Maqdis verantwortlich. Auch Washington hatte diese “Anhänger Jerusalems“ am 9. April auf den Index gesetzt, ihnen Angriffe auf Sinai, am Sueskanal und Sympathien für al-Qaida angelastet. Am Nil gilt sie auch als Zweig der Muslimbrüder, der sich zudem mit dem „Islamstaat“ liiert haben soll. Präsident as-Sisi flog eher vom Gipfel der Organisation für Afrikanische Einheit in Addis Abeba heim, der 7.500 Mann gegen Boko Haram in Nigeria und Kamerun einsetzen will.

Lage der Nationen

(explizit.net)Nach seiner Rede in Indien kürzt Barack H. Obama die Reise ab, um Saudi-Arabien zum Ableben König Abdullahs zu kondolieren und den neuen König Salman Bin Abd al-Aziz zu treffen. Jemens Metropole Sana haben die durch Iran abgestützten al-Huthis erobert. Amerika kann da nicht mehr gegen die al-Qaida angehen. Laut New America Foundation töteten dort im Vorjahr 19 Drohnen 124 Islamisten. Indes weitet sich die Kluft Schiiten-Sunniten im sunnitischen Land. Teheran klemmt im Zwist mit Saudi-Arabien dieses Land der Heiligtümer von Mekka und Medina ein: im Süden Schiiten unter Abd al-Malik al-Huthi, im Norden, in Irak, Syrien und Libanon schiitische Alawiten unter Bashshar al-Asad und der Hizballah bis an Israel heran; und Hamas. Dazwischen der „Islamstaat“, der fünf Golfmonarchien bedroht, deren Wende von der Stammesnation zum Bürgerstaat ansteht. Aber Amerikas Führung wirft Fragen auf, wie Obamas Nationalrede erwies.

Paris, Washington und Dresden

(explizit.net) Angesichts der blutigen Zwiste, die eben Europa ergreifen, überdenken nicht wenige die jüngsten Terroranschläge und die einmütige Abweisung der Islamisten durch nahezu vier Millionen Franzosen auf ihrer Pariser Demonstration vom 11. Januar (Foto). Der Denker Bernard-Henri Lėvy nannte diese synchronisierten Morde der „Charlie Hebdo“ Aktionen den „Churchill-Moment in Frankreichs Fünfter Republik“. Winston S. Churchill hatte als Kriegspremier ab Mai 1940 voll das Ruder vom Zurückweichen zum Kampf gegen den totalitären Nationalsozialismus herumgerissen. Laut Lėvy mögen die Rechtgläubigen im Islam sehr oft, sehr laut und in großer Zahl die korrupte Art der Theokratie zurückweisen. Islam müsse sich vom Radikalislam befreien. Klingt gut, das wird aber sehr lange dauern.

„Charlie Akbar“

(explizit.net) Frankreich stehe im Krieg mit dem radikalen Islam, erklärte Premier Manuel Valls am Samstag in Évry, südlich von Paris. Das sei ein Krieg, erläuterte er am 10. Januar, gegen Terrorismus, Jihadismus, Radikalislam und alles, was gegen Brüderlichkeit, Freiheit und Solidarität gerichtet wäre. Laut Nachrichtenagentur AFP stellten sich am Folgetag bis zu vier Millionen Pariser hinter ihre Regierung und das satirische Wochenmagazin „Charlie Hebdo“, Terrorangriffe von Mittwoch bis Freitag auf die Pressefreiheit, jüdischen Bürger und Demokratie abweisend. Drei Islamisten töteten 17 Franzosen: zehn Redakteure, zwei Polizisten, eine Polizistin und vier jüdische Geiseln. Ganz im satirischen Stil des Journals trug Sonntag ein Pariser sein Plakat mit diesem Text: „Charlie Akbar“, Charlie ist größer.

Folter, Islamisten und Antiislamisten

(explizit.net) Gefangene, die einem verschärften Verhör ausgesetzt waren, hätten nützliche Angaben gemacht, behauptete CIA-Chef John O. Brennan. Aber er könne nicht sagen, meinte er Donnerstag in seiner Verteidigungsrede vom 11. Dezember, ob das allein wegen dieser Verhörart oder umfassenderen Ansätzen passiert sei und ob es alternative Wege gegeben habe. Einige Taten seien dabei schrecklich und nicht legal im Programm gewesen. Doch hätten durch verschärfte Methoden [simuliertes Ertränken bei Männern der al-Qaida: 83 Mal Ausbildungschef Abu Zubaida, der den Anschlag auf die USS Cole steuerte, zwei Mal Abd ar-Rahman an-Nashiri und 183 Mal 9/11-Planer Khalid S. Muhammad] Daten gewonnen werden können, die gegen Usama Bin Ladin benutzt worden wären. Brennan reagierte auf den zwei Tage zuvor edierten Senatsbericht von rund 500 Seiten – etwa ein Zehntel des Gesamtberichts – über das CIA-Programm der Gefangennahme und Verhöre.

Amerika, Iran und Afghanistan

(explizit.net) Am Freitag stellte Präsident Obama seinen Kandidaten für den Verteidigungsminister vor. Bis der Kongress Ashton Carter bestätigt, amtiert Chuck Hagel noch, der in Kabul ansagte, bis zu 10.800 Soldaten - 1.000 mehr als geplant - zu behalten. Carter kommt aus dem Pentagon. Obama versprach er ein klares Bild der Kriegslage - und nötigen Taktik. Das wollte Hagel auch, aber er entzweite sich mit seinen Chef, wie man den „Islamstaat“ angehe. Überdies kollidierte Hagel mit Leuten des Nationalen Sicherheitsrats um Obama. Dass Carter froh Sicherheitsberaterin Susan E. Rice umarmte, zeigte, dass das Kriegsbeil zwischen dem Weißen Haus und Pentagon begraben wurde. Hoffentlich hat er sich auch gemerkt, wo. Er könnte es bald wieder schwingen: die Ära ist herausfordernd wie selten.

Kaiser Obama, Ayatullah Khaminai und Kalif Ibrahim

(explizit.net) Präsident Obama erklärte vor allem seinen Latino-Wählern 22 Mal, er könne ja nicht das Parlament umgehen und Einwanderungsgesetze durch Präsidialorder ändern. Die Gesetze erlasse das Parlament. Nur dieses habe Legislativgewalt. Seine Exekutive setze sie allein durch. Sonst erhebe er sich zum Kaiser, „Emperor“, über die Gesetzgeber. - Dazu kürte er sich aber am Donnerstag, den 20. November, indem er die Einwanderung neu regelte, um fünf Millionen illegale Immigranten aus dem Schatten zu holen. Die Opposition sieht das als Übergriff an und läuft dagegen Sturm. Selten hüpfen die Erleichterten vor Freude. Die Vertrauenskrise in die Gewaltenteilung bringt eine Flut an Klagen, auch durch grenznahe Staaten Texas und Oklahoma. Gegner wollen alles tun, um Obamas Aktion zu vereiteln.

Obamas und Hamzas Leitideen

(explizit.net)Da Obama nach dem jüngsten Wahldebakel Anfang November noch zwei Amtsjahre hat, wäre eine Kurskorrektur in Mittelost ratsam. Aber er will nicht von links zur Mitte gehen. Kämpfe stehen im Kongress an: Iran, Irak und Israel. Blicken wir auf seine Leitideen zurück. Am 24. September 2008 sandte eine Gruppe amerikanischer Akademiker einen Bericht an den Präsidenten, seit 20. Januar 2009 Barack H. Obama. Die 34 Mitglieder aus einem Dutzend Instituten, darunter elf Muslime, rieten ihm einen „weisen Kurs geteilter und komplementärer Interessen“ an. Ein Kurswechsel in die neue Richtung von Amerikas Beziehungen mit Islamländern sei nötig, um global Sicherheit zu stärken. Dies wäre nur möglich, wenn sich Partner in jenen Staaten den Kernproblemen stellen: Extremismus und Sektenkonflikte vermindern, höheres Lebensniveaus und Dialoge innen wie außen.

Erinnern für die Gegenwart

(explizit.net) Angela Merkel nahm am Dienstag den Général-André-Delpech-Preis entgegen. Benannt nach dem Überlebenden des Konzentrationslagers Dachau und langjährigen Präsidenten des Internationalen Dachau-Komitees, erinnerte die Kanzlerin in Berlin daran, dass 2014 ein besonderes Gedenkjahr ist: Zwei Weltkriegsbeginne vor 100 und vor 75 Jahren. Zur Jahresmitte beging man in Dachau den 69. Jahrestag der Befreiung des Lagers am 4. Mai. Merkel betonte, der Zivilisationsbruch der Shoah erfülle uns mit tiefer Trauer und Scham: „Wir sind uns der immerwährenden Verantwortung Deutschlands bewusst, die hieraus erwächst. Nur so – davon bin ich überzeugt – kann eine gute Zukunft gestaltet werden.“ Sie zeigte ihr Entsetzen über den Diebstahl des Eingangstores dieser KZ-Gedenkstätte in der Nacht zum vorigen Sonntag, den 2. November. Erinnern bedeute ein Ringen um das Gestern, Heute und Morgen. Opfer zu ehren diene ebenso dazu, die Zukunft zu gestalten.

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