Foto: Wolfgang G. Schwanitz

Obamas und Hamzas Leitideen

(explizit.net)Da Obama nach dem jüngsten Wahldebakel Anfang November noch zwei Amtsjahre hat, wäre eine Kurskorrektur in Mittelost ratsam. Aber er will nicht von links zur Mitte gehen. Kämpfe stehen im Kongress an: Iran, Irak und Israel. Blicken wir auf seine Leitideen zurück. Am 24. September 2008 sandte eine Gruppe amerikanischer Akademiker einen Bericht an den Präsidenten, seit 20. Januar 2009 Barack H. Obama. Die 34 Mitglieder aus einem Dutzend Instituten, darunter elf Muslime, rieten ihm einen „weisen Kurs geteilter und komplementärer Interessen“ an. Ein Kurswechsel in die neue Richtung von Amerikas Beziehungen mit Islamländern sei nötig, um global Sicherheit zu stärken. Dies wäre nur möglich, wenn sich Partner in jenen Staaten den Kernproblemen stellen: Extremismus und Sektenkonflikte vermindern, höheres Lebensniveaus und Dialoge innen wie außen.

(explizit.net)Da Obama nach dem jüngsten Wahldebakel Anfang November noch zwei Amtsjahre hat, wäre eine Kurskorrektur in Mittelost ratsam. Aber er will nicht von links zur Mitte gehen. Kämpfe stehen im Kongress an: Iran, Irak und Israel. Blicken wir auf seine Leitideen zurück. Am 24. September 2008 sandte eine Gruppe amerikanischer Akademiker einen Bericht an den Präsidenten, seit 20. Januar 2009 Barack H. Obama. Die 34 Mitglieder aus einem Dutzend Instituten, darunter elf Muslime, rieten ihm einen „weisen Kurs geteilter und komplementärer Interessen“ an. Ein Kurswechsel in die neue Richtung von Amerikas Beziehungen mit Islamländern sei nötig, um global Sicherheit zu stärken. Dies wäre nur möglich, wenn sich Partner in jenen Staaten den Kernproblemen stellen: Extremismus und Sektenkonflikte vermindern, höheres Lebensniveaus und Dialoge innen wie außen.

Allein der Fakt, dass ein 48jähriger Afro-Amerikaner Präsident wurde, brachte Obama Sympathien ein. In jenem Bericht wurde ihm geraten, in einer islamischen Hauptstadt wie Kairo, Istanbul, Jakarta oder Rabat um einen Neubeginn zu werben. Herauskam die Kairo Universität in der Nilmetropole am 4. Juni 2009. Bereits fünf Jahre zuvor deutete der Bairuter Frühling an, dass Revolten noch diversen Mittelostländern bevorstehen sollten.

Hausaufgaben

Eingeflochten sei hier, dass ich nach den ersten fünf Kriegsjahren Amerikas in Irak und Afghanistan meine Studien in Papieren des Weißen Hauses zu Amerikas ungeschriebener Islampolitik publizierte. Sie zeigten 2006 zweierlei: Die Pennsylvania Avenue hegte zwar seit 1986 einen Nationalkurs gegen den Terror, aber keinen gegen die Ideologie dahinter. Eine Politik des Antiislamismus fehlte, was der säkularen Selbstsicht am Potomac folgte. Religion? Privat, gehört nicht in die Außenpolitik, auch nicht bei Ländern, wo Macht und Moschee oft eine Einheit bildeten. Ein Antiterrorkurs ja, aber keinen Antiislamismuskurs.

Teil zwei reflektierten Amerikaner, als sie 1998 im fiktiven Memorandum Präsident Bill Clinton fragten, wie Islamräume mit der Moderne und Globalisierung zurechtkämen, ob er gar eine transnationale Politik mit dem Islam benötige, wo eine massive Islamisierung ablief. Sollte diese Islampolitik ins Regieren und in Menschenrechte eingreifen, sei etwa Präsident Husni Mubarak am Nil anzuhalten, seine Macht mit Muslimbrüdern zu teilen? Die meisten Akademiker verneinten das. Zehn Jahre darauf rieten sie zum Kurswechsel, aber im obigen Bericht für Amerikas Wende auf die falsche Seite, also die der Islamisten.

Sie erklärten Obama „Ursachen des Extremismus“. Den verfolge eine Minorität. Wenn auch Amerika nicht direkt für Frust über miese Regierungen, mangelnde Demokratie und Chancen zuständig sei, so sehen es doch Muslime als Komplizen der korrupten Regimes an. Ihr Gefühl erhöhe die Wut, da Amerika gar Israel im Zwist mit Palästinensern helfe.

In Demokratiefragen hege Amerika einen Doppelstandard: es rufe nach Reformen, stütze aber Despoten ab. Muslime erklärten seit der Invasion im Irak 2003, Amerika wolle sie gewaltsam steuern. Amerika trage Mitschuld an dieser Misere in Mittelost. Empfehlung an Obama: Extremismus (dessen Art stets offen blieb) zurück zu drängen, indem die neue Diplomatie und der Dialog mit den Regierenden sowie deren Opponenten betont werde. Mein Einwand: Amerika war nie Kolonialmacht, soll aber deren Hausaufgaben machen?

Leitlinien

Obama möge mit Iran gegen Nukes übereinkommen; eine Zwei-Staatenregelung am Jordan finden; den Irak aussöhnen; und mit Afghanen und Pakistanern arbeiten, um dort Extremisten zu bekämpfen. Der Wunschzettel barg mehr, etwa Regierungen, Offenheit und Pluralität verbessern. Auch solle sich Obama mit den Leuten von bewaffneten und Aktivistenvereinen engagieren (Islamisten). Sofortige Aktion sei nötig, denn Extremisten hätten in Islamländern Zulauf. Drohend: Dies nehme zu, sorge Amerika nicht effektiv für deren Belange. Zwar beseitige dies nicht das Terrorrisiko. Doch bringe es eher Frieden. Motto: erwecke Schuldgefühle, fordere Aktivismus, dann folgt alles auf dem Goldtablett.

Präsident Obama arbeitet dies noch heute ab. Wie gewünscht, sprach er in seiner ersten Rede einen Neuansatz mit Islamländern an. In Kairo kam es zum Bruch mit Präsident Mubarak, der seine Anwesenheit ablehnte, weil Obama darauf bestand, auch Islamisten einzuladen. Er beschuldigte den Kolonialismus und Kalten Krieg, die Islamländer benutzt zu haben. Moderne und Globalisierung führten dazu, dass Muslime den Westen feindlich gegen den Islam ansehen. Eine Minorität von Extremisten habe dies bei 9/11-Angriffen ausgenutzt. Definiere man Beziehungen durch Unterschiede, schüre man bloß Konflikte.

Herauskamen Entschuldigungen für Amerikas Historie und Umarmungsversuche von Islamisten. Alles wurde verkehrt: „arme Unterdrückte wollten nur Partizipation“. Sie wären friedlich, „Islam bedeutet Frieden.“ Nun flossen Islamisten Mittel zu. So stiegen sie zu Obamas Partnern auf, der sie im „Übergang zur Demokratie“ sah. Diese Torheit hieß dann „Inklusivität“. Die Überraschten kamen recht unverhofft in die Regierungen.

In Kairo zitierte Obama den Koran. Niemand dürfe Frauen hindern, sich zu verschleiern. Alles wusste er besser. Islam sei ein Teil Amerikas, das, wie er in Ankara sagte, nicht im Kriege mit dem Islam sei. Er ziehe Truppen aus Irak bis 2012 und aus Afghanistan ab. Je eher damit die Extremisten isoliert, in Islamgemeinden unwillkommen wären, desto eher werden alle sicher sein. Losung: Reizt nicht Terroristen durch bewaffnete Präsenz in den Ländern. Er klagte Israel an, versprach Palästinensern ihren Staat. Macht sei im Konsens, nicht durch Zwang geboten. Spontan rief da ein Mann: „Barack Obama, wir lieben Dich.“

Mustafa Tlili leitet an der New York University das Dialogzentrum Islam-Westen. Als Koautor des Kurswechsels erinnerte er in der New York Times vom 3. Juni 2014 an die Rede Obamas in Kairo. Wäre doch Muhammad Mursi, ein Jahr Präsident, dem gefolgt. Aber der zwang allen Islamismus auf, beschützte nicht Kopten, unterdrückte die säkulare Opposition und förderte Muslimbrüder. Obama hätte gegen diese kritisch sein sollen, die „moderaten Islam“ vorgaben. Der Fehler: Islamisten wären eine legitime Opposition oder Versöhner von Islam und Demokratie. Tlili folgert, wie Amerika ab 1945 Kommunismus stoppte, so hätte Obama Säkularen helfen müssen. Schluss mit jeder Art von Islamismus.

Amerika möge säkularen Demokraten und der Zivilgesellschaft in Islamländern helfen. Wer Obamas und Abd al-Malik Hamzas Leitideen vergleicht, zwischen denen 100 Jahre liegen, der erkennt das Muster: alles verursachten der Westen, die Kolonisation, der Kalte Krieg, hernach Amerika. Also muss an den Erdsüden (Islamisten) zurückverteilt werden. Hamza zeigt sich zur Selbstkorrektur fähig: er suchte Ursachen der Misere im Islamreich.

<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>



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