Solidaritätsdemo in Paris (Bildunterschrift rechts)

Paris, Washington und Dresden

(explizit.net) Angesichts der blutigen Zwiste, die eben Europa ergreifen, überdenken nicht wenige die jüngsten Terroranschläge und die einmütige Abweisung der Islamisten durch nahezu vier Millionen Franzosen auf ihrer Pariser Demonstration vom 11. Januar (Foto). Der Denker Bernard-Henri Lėvy nannte diese synchronisierten Morde der „Charlie Hebdo“ Aktionen den „Churchill-Moment in Frankreichs Fünfter Republik“. Winston S. Churchill hatte als Kriegspremier ab Mai 1940 voll das Ruder vom Zurückweichen zum Kampf gegen den totalitären Nationalsozialismus herumgerissen. Laut Lėvy mögen die Rechtgläubigen im Islam sehr oft, sehr laut und in großer Zahl die korrupte Art der Theokratie zurückweisen. Islam müsse sich vom Radikalislam befreien. Klingt gut, das wird aber sehr lange dauern.

(explizit.net) Angesichts der blutigen Zwiste, die eben Europa ergreifen, überdenken nicht wenige die jüngsten Terroranschläge und die einmütige Abweisung der Islamisten durch nahezu vier Millionen Franzosen auf ihrer Pariser Demonstration vom 11. Januar (Foto). Der Denker Bernard-Henri Lėvy nannte diese synchronisierten Morde der „Charlie Hebdo“ Aktionen den „Churchill-Moment in Frankreichs Fünfter Republik“. Winston S. Churchill hatte als Kriegspremier ab Mai 1940 voll das Ruder vom Zurückweichen zum Kampf gegen den totalitären Nationalsozialismus herumgerissen. Laut Lėvy mögen die Rechtgläubigen im Islam sehr oft, sehr laut und in großer Zahl die korrupte Art der Theokratie zurückweisen. Islam müsse sich vom Radikalislam befreien. Klingt gut, das wird aber sehr lange dauern.

In Islamräumen fehlt viel in der Basis: freier Meinungsstreit, kritisches Grundwissen und säkulare Kreativität. All das florierte dort einmal, bis es ab dem 11. Jahrhundert erstarb. Dann, sieben Jahrhunderte später, kam eine Ära sozialer Experimente. Auf den Schlachtfeldern unterlagen die Osmanen immer mehr den Europäern. Jedoch Europa, ihr Vorbild, stürzte sich selbst in einen fünfjährigen Krieg. Nicht nur das. Es riss alle Welt in den Strudel der Massenvernichtung hinein. Der in Mittelost kolonielose Kaiser Wilhelm alliierte sich mit dem Osmanenkalif in der Wahnidee, seine europäischen Rivalen durch die Jihadisierung des Islam in deren Kolonien zu schlagen. Nach dem Sieg der Mittelmächte um Berlin und Wien sollten ihnen der Islambund - die Vereinigten Islamischen Staaten - Märkte öffnen. Berlin und Istanbul benutzten den Ungeist der Jihadrevolten. Er hielt danach nie mehr an.

Erben im Globalkrieg, die Ideologie des Islamismus, Jihadis in Europa, im „Kalifat Syro-Irakistan“, in Mittelafrika von Tschad über Nigeria nach Kamerun, bald im „Kalifat Boko Haram“, in Islamistenenklaven von Mauretanien über Algerien bis Libyen oder zwischen Afghanistan, Pakistan und Indien, in al-Qaidas Ländern wie Somalia und Jemen, in China und im Kaukasus, in Arabien und Sinai sowie unter Israels Nachbarn, und nun in Europa, die daraus folgenden Dramen gehen auf die zivilisatorische Neukollision ab 1914 zurück.

Ideologien beim Namen nennen, um zu de-radikalisieren

Niemand wird sich zurechtfinden, der nicht studiert hat, was seit zwei Dekaden vor dem Ersten Weltkrieg, darin und danach lief. Daher ist es gut, sich genau auszudrücken. Lėvy müsste es so sagen: Muslime sollten ihre Islamisten, darunter Jihadisten, de-radikalisieren. Wie Osteuropäer, darunter Kommunisten, sich nach ihrer Selbstüberprüfung der liberalen Demokratie zuwandten. Massenhaft, vor und nach 1990. Ihnen standen Amerikaner und Westeuropäer bei. Nach deren Sieg über Faschismus und Nationalsozialismus wussten sie genauer, wie der Kommunismus ideologisch und materiell zu schlagen war; was wohl aufkommen würde, wenn sie diesen 70jährigen Globalkrieg verlieren würden: Tyrannei.

Heute fehlen westliche Führer mit klarer Vision und solidem Sachwissen. Ihr möglicher Beistand für die Muslime gegen deren Islamisten gerät chaotisch. Präsident Obama zeigte nach sechs Jahren Krieg in Mittelost seine extrem mangelnde Lernfähigkeit. Er hat keine klare Doppelstrategie gegen den Terror und gegen den Islamismus. Er weigert sich, diese Ideologie zu benennen. Mitglieder seiner Administration tilgten „islamisch“ aus all ihren Kerntexten und üben sich wie sein Sprecher Josh Earnest in nebulöser Verbalakrobatik: es gehe nicht um islamischen, sondern gewaltsamen Extremismus durch Individuen, die ihre bösen Tat im Namen einer verdrehten Ideologie ausüben. Er gibt ihr keinen Namen.

Allkanzlerin

Wozu wählen Bürger Politiker, wenn nicht dafür, drängende Probleme zu lösen und dazu Visionen zu entfalten? Dafür verdienen diese viel, lenken Stiftungen mit Forschern, deren Kollegen an Akademien und in Vereinen meist staatlich besoldet sind. Konkurrenzlos, da Privateinrichtungen rar sind. Um dann am 16. Januar von der Kanzlerin zu hören: „Wir wissen zu wenig über den Islam“. Den fürchten Deutsche oft nicht, sondern Islamismus. Ersteres ist die Religion, letzteres eine daraus abgeleitete Mischideologie, die Muslime von Islamisten trennt. Sicher müssen dies, nach der Mahnwache am Brandenburger Tor, die Muslimverbände dartun. Angela Merkel sprach es in einem Interview aus: Islamismus finde statt, wo unter Berufung auf die Religion Gewalt angewendet oder dazu aufgerufen werde, um andere zu unterwerfen. Nicht zu rechtfertigen sei es, im Namen einer Religion Gewalt anzuwenden. Sie hat auch recht: die übergroße Mehrheit der Muslime daheim sei vor dem Generalverdacht zu schützen; aber Gewalt im Namen des Islams zu bekämpfen.

Wenigstens gibt Angela Merkel dieses Wissensmanko zu. Aber erst nach Jahren der noch mangelnden Integration. Problematisch wird ihr „Kurs der Wählerbeschimpfung“. In dem Lichte müssten jetzt Angela Merkel und Präsident Joachim Gauck dafür sorgen, dass ihre Nachfolger direkt gewählt werden können. Vielleicht hören die dann auf, einen Volksteil Chaoten zu nennen oder Rassismus zu unterstellen. Sie sollten sich besser mit Vertretern der Pegida an einen Tisch setzen und die Lage erörtern. Viele Punkte in deren Leitlinien entbehren weder Vernunft noch Logik. Versagen Präsident und Kanzlerin jedoch weiter derart, könnten sie ungewünschte Extreme groß machen, die sie womöglich hinwegfegen. Will Merkel Allkanzlerin sein, muss sie sich seriös mit Pegida ins Benehmen setzen. Die unbestreitbaren Fragen, die Zuwanderung bringt, sind überdies europäische, siehe Paris.

Die Kanzlerin könnte dem Verfassungsschützer Hans-Georg Maaßen folgen. Er meinte am Montag, den 12. Januar über Pegida, diese würde nicht beobachtet. Zwar versuche die rechtsextremistische Szene, Anschluss an die politische Mitte bei Themen zu finden, die viele Menschen bewegen. Rechtsextremisten marschierten mitunter in Dresden mit. Doch hätte er dort nicht feststellen können, dass es über eine verschwindende Minorität hinaus mehr Rechtsextreme gebe oder dass diese daselbst die Pegida-Organisation steuerten.

Muslime bereichern Deutschland, nicht Jihadisten oder Salafisten

Laut Merkel sind Muslime ein Teil Deutschlands, und der Glaube, der ihnen wichtig ist, sei es inzwischen auch. „Sie sind Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, sie fühlen sich Deutschland verpflichtet und bringen sich mit ihrer Kraft hier ein. Wir erwarten, dass sie die deutsche Sprache sprechen, wir erwarten, dass sie sich zu unserer Rechtsordnung bekennen, und sie dürfen von uns erwarten, dass wir sie dann auch als zu uns gehörig annehmen.“ Einer der besten Erfahrungen meiner kürzlichen Rundreise in Deutschland bildeten die jungen Deutschen aus der zweiten Migrantengeneration, die einwandfrei die Sprache beherrschten - und voll mit ihren Prüfungsvorbereitungen befasst gewesen sind. Sie bereichern die Heimat, im Gegensatz zu diversen Arten der Jihadisten und Salafisten.

Die Kanzlerin äußerte dazu, der Salafismus gehöre nicht zu Deutschland. „Ehrenmorde“, Gewaltexzesse in Familien oder Versuche, durch die Scharia eine Paralleljustiz zu bilden, seien mit der Wertordnung unvereinbar. Die unabhängige Justiz habe so etwas zu ahnden. Heute siegten die Islamisten: mit Terror machten sie die 13. Demo der Pegida unmöglich.

<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>



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