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Die AfD kapert den Kirchentag publizistisch

Was auf dem Kirchentag in Dortmund tatsächlich geschehen ist, konnten die Medien bei über 2.000 Veranstaltungen nicht vermitteln. Da die Veranstalter selbst zu wenig Fokussierung geleistet haben, konnte die AfD die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Fast jeder in Deutschland weiß, dass diese Partei nicht eingeladen wurde. Sie hat dann noch das Vulva-Malen als Beweis gefunden, dass mit der Evangelischen Kirche etwas nicht stimmt. Im Folgenden ein Kommentar nur zur Medienstrategie der Veranstalter:

Welche Lücke hat die AfD genutzt?  Sie hat sich zum Sprachrohr derer gemacht, die mit dem Kurs der Evangelischen Kirche nicht einverstanden sind, die eine zu große Anpassung an die Emanzipationsbewegungen kritisieren und in deren Augen sich ihre Kirche vom Kern des Evangeliums zu weit entfernt hat. Es reichte eine Veranstaltung, um die Kritik zu beweisen. „Vulva malen“. Um den Verdacht zu bestärken, wurden keine Medienvertreter zu dieser Veranstaltung des Kirchentages zugelassen. Jeder kann ohne Bezug zu dem, was tatsächlich Thema war, kommentieren, was nicht nur die Bildzeitung gemacht hat. Wieso hat diese Strategie der AfD so einseitig die Berichterstattung der klassischen Medien über den Kirchentag bestimmt. Die Social Media wurden direkter von den Teilnehmern gefüttert, die offensichtlich zufriedener waren als die Journalisten, die berichtet haben.

Zu viele Themen für die Berichterstattung

Die Antwort ist so einfach wie auch schwierig: Die Journalisten können nicht über 2.300 Foren berichten. So viele Veranstaltungen braucht man jedoch, um den vielen Dauergästen, es waren über 100.000, eine Teilnahme zu ermöglichen. Sonst gibt es in den Messehallen Gedränge. Die vielen, die nicht mehr eingelassen werden können, sind frustriert und reisen sogar ab.
Allerdings: Wenn es so viele Veranstaltungen sind, dann könnte man ein Themenfeld fokussieren. Warum die Veranstalter die Klimakatastrophe nicht deutlicher aufgegriffen und mit einer Theologie der Schöpfung verbunden haben, ist nicht zu verstehen. Dass das Programmheft bereits gedruckt war, ist kein Argument. Man kann immer einen großen Raum freihalten, um diesen kurzfristig mit einem Thema zu besetzen.
Dann ist die gewählte Losung „Was für ein Vertrauen“ für die Berichterstattung kaum  greifbar. Wie dann vom Gottesdienst der Auftrag „Zivilcourage“ ausging, bleibt unerklärt. Zwar hat die Predigt Resonanz gefunden, aber hauptsächlich in den Social Media. Irgendwie kann man doch deutlich machen, wozu Vertrauen führt, wenn man schon einen solche Losung wählt, der niemand widersprechen kann.
Da also der Kirchentag selbst kein Thema zugespitzt hat, war die AfD der Lückenfüller. Die Message war einfach, Spannung war erzeugt. Das zieht Journalisten an, wie Honig die Hummeln.

Die Veranstalter scheinen selbst ratlos

Sieht man auf der Homepage des Kirchentags nach, fallen erst einmal zusammengebundene Luftballons ins Auge. Darunter steht: "Werft das Vertrauen nicht weg". Wird es etwa von den Luftballons in die Lande getragen? Auf die erste seite hätte ein kondensierter Ergebnisbericht gehört, z.b. was die Teilnehmer mitnehmen können. Will man auf der offizeillen iKichentags-Homepage zu Inhalten kommen, muss man weiterklicken. Dann kommen einem pro Seite 20 Bilder entgegen, insgesamt findet man 82 Meldungen. Warum lassen Kirchentag wie Katholikentag die Fokussierung immer die Journalisten machen, anstatt selbst ein Dossier zu verfertigen und zu erklären, wie sich die Losung entfaltet hat. Offensichtlich erwartet man auch von den Teilnehmern, dass sich in ihrem Kopf ein Bild baut. Aus der Medienforschung weiß man seit Jahrzehnten, dass diejenigen, die an einem Ergeignis teilgenommen haben, die intensivsten Leser der Berichte sind. Auch der Evangelische Presedienst ist da etwas sparsam. Eigentlich müsste das eine Schlussveranstaltung leisten. Wenn der Gottesdienst das versprochen hätte, wären die erhofften 70.000 wohl auch gekommen. Es gab eine gute Predigt über das Vertrauen, jedoch klingt in dem Text nichts von den intensiven Gesprächen der voragegangen drei Tage an. Denn nicht nur als Mediennutzer, sondern auch als Teilnehmer will man eine Art Zusammenfassung. Weiter sind die Beobachtungen und Eindrücke anderer Teilnehmer gefragt, um mitzubekommen, was anderen klar geworden ist und ob das für die Praxis in den Gemeinden Konsequenzen hat. Es fehlt, wie übrigens bei den Katholikentagen, eine Kommunikationsstrategie.

Ein Kommentar von Eckhard Bieger S.J.


Kategorie: Medien Religion

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