Wladimir Putin hat sich zum Friedensstifter ernannt. Inzwischen zeigen sich erste Schwierigkeiten, weil Rebellengruppen die Teilnahme an den Friedensgesprächen verweigern. Seine Möglichkeiten sind jedoch größer als die der USA. Wird es ihm gelingen, anders als die Amerikaner im Irak, für Syrien eine tragfähige Lösung zu finden.
Anders als die USA hat Putin die Rebellengruppen nicht unterstützt. Er ist ihnen daher nicht verpflichtet und kann von ihnen weniger unter Druck gesetzt werden. Ein Risiko hat er bereits reduziert. Die Jihadisten aus dem Kaukasus und den zentralasiatischen Ländern kommen nicht als Sieger zurück. Sie können nicht, wie sie angekündigt hatten, den Krieg einfach nach Russland tragen.
Die Niederlage der Kämpfer in Aleppo war für Putin innenpolitisch entscheidend, denn die Hoffnung auf islamistischen Umsturz in Dagestan und anderen mehrheitlich muslimischen Republiken der russischen Föderation sowie der vielen Usbeken u.a. Muslime aus Zentralasien in Russland sind geringer geworden. Auch die salafistischen Kämpfer aus den zentralasiatischen Staaten können wegen ihrer Niederlage in Syrien nicht mehr so leicht junge Muslime für weitere Kämpfe gewinnen. Das heißt aber nicht, dass Putin in Syrien eine russlandfreundliche Regierung, die auch von den Sunniten anerkannt wird, einfach installieren könnte.
Die ethische Frage
Der Westen hat die grauenvollen Kämpfe um Aleppo verurteilt. Aber was hat der Westen vorher gemacht? Er konnte keine der Widerstandsgruppen so aufbauen, dass diese einen geordneten Staat hätten wiederherstellen können. Keine der kämpfenden Gruppen war zu mehr fähig als eben Waffen zu gebrauchen. Die Straßen wieder instand zu setzen, Krankenhäuser wieder funktionsfähig zu machen, ein geordnetes Schulsystem zu betreiben, allenfalls der IS verfügt über die Fähigkeiten, nicht nur einen Staat zu bekämpfen, sondern auch dann zu verwalten. War aber der hohe militärische Einsatz notwendig, um die Vielzahl der rivalisierenden Gruppen zu einem Waffenstillstand zu bewegen?
Es bedurfte nach 5 Jahren Krieg offensichtlich eines militärischen Erfolges, um die Waffen zum Schweigen zu bringen. Den islamischen Kämpfern ging der Atem ja deshalb so lange nicht aus, weil sie sich den gefallenen Kameraden verpflichtet fühlen. Deren Tod wäre doch nur zu rechtfertigen, wenn die Überlebenden das Kriegsziel erreicht hätten, einen Staat zu errichten, in dem die Alawiten, auf die Assad sich stützt, nicht weiter alle wichtigen Posten besetzt hielten und die Sunniten sozusagen nicht mehr nur Untertanen der Alawiten geblieben wären. Und welche Rolle spielt die religiöse Komponente des Jihad? Fühlen sich die Gruppen von Allah verlassen, in dessen Namen sie doch gegen die schiitischen Muslime, in ihren Augen Häretiker, ausgezogen sind? Ob die Theodizeefrage damit den sunnitischen Islam erreicht und auch zur Einsicht führt, dass es keinen Erfolg bringt, die westlichen, in den Augen der Kämpfer gottlosen Staaten, durch Attentate zu destabilisieren und dann islamistisch umzugestalten? Die psychischen Auswirkungen der Niederlage auf die Kämpfer in Aleppo könnten die Verhandlungsbereitschaft der Rebellengruppen erhöhen, denn am Verhandlungstisch können sie jetzt mehr erreichen, als wenn sie weiter kämpfen und noch einmal eine Niederlage hinnehmen müssen.
Die Niederlage Saudi Arabiens
Der Syrienkonflikt dauerte auch deshalb so lange, weil hinter ihm als treibende Kraft der Machtkampf zwischen Persien und Saudi Arabien wirksam war und bleibt. Diesen konnte keiner der beiden Länder für sich entscheiden. Dass Putin sich auf die Seite Persiens stellte, ist mehr durch die innenpolitische Situation in Russland bestimmt. Weder im Kaukasus noch in Zentralasien spielen die Schiiten eine Rolle. Putin muss die die sunnitischen Salafisten fürchten. Hätten diese Assad gestürzt, hätten sie genügend Aufwind gespürt, den Jihad in Russland weiterzuführen. Durch das Eingreifen Russlands ist Saudi Arabien der große Verlierer. Offensichtlich hat das Land, ob mit oder ohne die USA, kein überzeugendes Konzept für die Zukunft Syriens entwickeln kann. Im Jemen gelingt es Saudi Arabien ebenso nicht, den Staat zu stabilisieren. Nachdem es über Jahrzehnte einen Islam exportiert hat, der Gewalt als legitimes Mittel zur islamistischen Umgestaltung nicht nur der muslimischen Länder Nordafrikas und Zentralasiens, sondern auch zur Ausbreitung des Salafismus in den Immigrantenmoscheen der westlichen Länder verkündete, ist es als Ordnungsmacht gescheitert.
Die Türkei wurde zum Gegner der Rebellengruppen
Erdogan hat die Rebellengruppen wie auch den IS unterstützt. Für ihn ist jeder Militärmachthaber, ob Assad in Syrien oder Sisi in Ägypten, ein natürlicher Gegner, weil das Militär in der Türkei lange sein Gegner war. Es ist ihm gelungen, die Generäle zu entmachten. Sie waren im Juli 2016 nicht mehr in der Lage, einen Militärputsch zu organisieren. Da der IS den Militärmachthaber Assad bekämpfte, erhielt er von der Türkei nicht nur Waffen, sondern über die Türkei wurden auch salafistische Kämpfer nach Syrien eingeschleust. Christen aus Syrien beobachteten das mit Entsetzen. Seit nicht mehr nur die Kurden, sondern auch der IS Attentäter in die Türkei entsendet, muss Erdogan Reaktionen der Bevölkerung fürchten. Denn anders als die PKK-Kämpfer greifen die IS-Attentäter nicht nur Polizeistationen und Militärposten an, sondern auch die Zivilbevölkerung. Erdogan muss nach den erneuten Attentaten zeigen, dass er seine Wähler vor Selbstmordanschlägen schützen kann. Wenn die Türkei tatsächlich aufhört, die Rebellengruppen mit Waffen und medizinischer Betreuung zu versorgen, dann könnten die Rebellen zum Einlenken gezwungen sein. Offensichtlich fühlt sich Erdogan so in die Enge getrieben, dass er bei Russland, das jahrhundertelang sozusagen Erzfeind der Türkei war, Unterstützung sucht.
Die USA und die EU
Eigentlich konnte man erwarten, dass diese Länder eine Lösung für Syrien auf die Beine gestellt hätten. Sie pflegten zu den verschiedenen Konfliktparteien diplomatische und Wirtschaftsbeziehungen. Nur Persien lag durch seine Atompolitik außerhalb des diplomatischen Radius der westlichen Länder. Dass Russland damit zum natürlichen Verbündeten Persiens wurde, ist allein schon der Logik des Machtausgleichs im Nahen Osten geschuldet. Aber wäre eine amerikanische Lösung die bessere gewesen als die jetzt von Putin herbeigebombte? Hat nicht der Westen durch Unterstützung der Rebellengruppen den Krieg nur verlängert. Wäre Assad abgesetzt worden, hätte das den Bürgerkrieg nicht beendet, zumal Persien seinen Verbündeten nicht hätte fallen lassen können, ohne damit die Dominanz Saudi Arabiens über die Golfregion anzuerkennen? Dem neuen Präsidenten der USA bleibt nichts anderes übrig, als sich mit Putin abzustimmen. Die UN hat sich bereits einstimmig hinter Putin als Friedensmakler gestellt. Die lange Reihe des diplomatischen Versagens der USA im Mittleren Osten hat wohl ein Ende. Putin hat das Risiko geschultert. Jetzt finden die Verhandlungen über die Zukunft Syriens nicht in Genf oder New York statt, sondern in der Hauptstadt Kasachstans. Das dürfte auch ein Signal an die Jihadisten im Kaukasus und in Zentralasien sein, in Russland eine Macht zu sehen, die keine Kompromisse eingeht.
Welche Herausforderung der Islamismus in Zentralasien für Russland hat, ist Thema eines nächsten Beitrages unseres Moskauer Korrespondenten, der zeigt, wie der Sowjetkommunismus die Ausbreitung des Salafismus ermöglicht hat.
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