Foto: explizit.net E.B.

Bittgebet, um mich und die Welt zu entwickeln

Gott bitten. Das fällt mir meist ein, wenn ich an eine Grenze komme. Ich bete zwar nicht mehr, wenn ich aus Nachlässigkeit mit einer Aufgabe nicht fertig werde, den Zug zu verpassen drohe, mir eine Abfuhr eingeholt habe, weil ich zu egoistisch war. Aber irgendwie soll Gott schon seinen Einfluss geltend machen. Mein Leben soll doch gelingen und Gott müsste auch etwas dafür tun.

Ich stoße nicht nur an meine eigenen Grenzen. Oft sind es andere Menschen, von denen ich etwas erwarte, die mir etwas versprochen haben, aber nicht „liefern“. Sie sollen meine Erwartungen erfüllen, etwas tun, für mich Probleme lösen, mich überhaupt akzeptieren. Meine Erwartungen werden oft genug nicht erfüllt. Da hätte Gott doch mehr Möglichkeiten, auf Menschen einzuwirken. Schließlich die Ausbreitung des Evangeliums. Der Papst hält uns dazu an, in unserem Umfeld die Botschaft Jesu einzupflanzen.

Wir begrenzen die Handlungsmöglichkeiten Gottes

Aber prallt nicht so vieles an der Hetze ab. Hat nicht jeder von uns zu wenig Zeit? Ohne Zeit kann der andere nichts tun. Wenn er, wenn sie keine Zeit haben, dann ist eben nichts. Ist nicht auch für Gott die innere Unruhe, die Verzagtheit von uns eine Grenze? Wenn andere von einer tiefen Unzufriedenheit besetzt ist und deshalb ich und andere unter ihrem Unwillen leiden. Wäre es nicht besser, wenn dieser Mensch von seiner Unzufriedenheit loskäme? Hat Gott da nicht Mittel und Wege, um solche Menschen umzustimmen?

Wenn Jesus Gottes Sohn ist, dann müsste man doch an ihm ablesen können, wie es geht. Tatsächlich hat er die Menschen angezogen. Sie merkten, dass er anders predigte als die damaligen Theologen, die man bei den Juden Schriftgelehrte nannte. Dann die Heilungen. Die kann man wohl nicht wegdiskutieren. Die Menschen ließen sich beeindrucken. Aber am Ende hat ihm das alles nichts geholfen. Sie wollten ihn am Kreuz sehen. Irgendetwas muss er gemacht haben, so dass die große Zustimmung in Hass umgeschlagen ist. Wenn ich mich mit meinen Bitten neben Jesus stelle, dann wirken diese doch etwas einfältig und egoistisch. Oft will ich doch nur, dass meine Vorhaben klappen. Aber er wollte ja, dass sich grundsätzlich etwas ändert. Die Menschen sich auf das Reich Gottes einlassen.

Ich könnte jedoch davon ausgehen, dass Gott nicht lockerlässt. Auch wenn die Menschen seinen Messias abgelehnt haben, hat er ja nicht aufgegeben. Über die Jahrhunderte hinweg hat Jesus immer wieder Menschen überzeugt. Sogar sein Geist ist spürbar. Wenn aus den Evangelien vorgelesen wird, springt nicht selten ein Funke über. Meditieren Menschen Passagen aus der Bibel, dann kommt Jesus erstaunlich oft zur Wirkung.

Beten: die Samenkörner wachsen lassen

Es geht nicht und doch geht es. Muss ich nicht genau in diese Lücke mit meinem Gebet füllen. Also das Gebet nicht als Hebel einsetzen, um etwas zu bewirken. Schon gar nicht, um etwas zu erzwingen. Sondern die Möglichkeiten sehen. Dann wäre Beten wie das Gießen im Garten. Ein Samenkorn hat das Potential für eine Bohne, aus einem Kern kann ein Kirschbaum werden. Ohne Gießen würde die Pflanze verkümmern oder sogar eingehen. Jedoch auch mit Gießen kann der Samen nicht keimen, die Pflanze es nicht schaffen. Der kleine Stamm, der aus dem Kirschkern gewachsen ist, muss veredelt werden.
Ich muss wohl früher mit dem Beten anfangen. Den Boden bereiten. Gott hat sich ja auch mit mir viel Zeit genommen, hat die Geduld mit mir nicht verloren. Aus wie vielen Samenkörnern, die er in mein Beet gesenkt hat, ist nichts geworden.

Die nicht erhörten Gebete

Es bleibt dann aber noch eine Enttäuschung. Ich habe für einen Kranken gebetet und er ist trotzdem seiner Krankheit erlegen. Das ist doch Natur. Jesus hat Menschen geheilt, sogar aus dem Tod zurückgeholt. Warum jetzt nicht. Dieser Mensch war für seine Familie unentbehrlich, er hätte noch so viel Gutes tun können.
Noch schlimmer die Kriege. Wieviel Beter haben zu Gott gefleht. Auch Gott konnte die Kriegstreiber nicht von ihrem Hass lösen. Sie halten sich weiter für berechtigt, andere umzubringen.
Für die, die ihrer Krankheit erliegen, kann ich beten. Ihnen steht ja der Himmel offen. Vielleicht haben sie ihren Lebensauftrag sogar erfüllt und können „gehen“. Beten müsste ich eher für die, die ohne die Verstorbenen weiterleben müssen.
Doch die Kriege. Wir spüren unsere Ohnmacht, sie einzudämmen. Selbst Flugzeugträger, neueste Panzer und Streubomben sind ohnmächtig gegen den Hass, der die Kämpfer vor sich hertreibt. Für den Hass braucht es nicht viel, er lässt sich allein mit Worten aufstacheln. Wie schwer ist es, die Menschen davon wieder zu befreien. Offensichtlich kommt Gott hier auch an eine Grenze. Was will er auch tun, wenn Attentäter in seinem Namen handeln? Er setzt ja keine Machtmittel ein. Er will ja nicht nur das Schlimmste verhüten, sondern den Hass verändern, er will, dass Menschen jedes Leben für so wertvoll halten, dass sie Krankenhäuser, Behinderteneinrichtungen, Altenheime bauen und so ihre wirkliche Bestimmung erkennen, den anderen Leben zu ermöglichen. Wie wäre es, wenn jeder Mensch, gut ausgebildet und in seinen Begabungen gefordert, seinen Beitrag für das Gemeinwohl leisten kann. Bittend beten würde dann heißen, für die Überwindung von Hass und Verachtung beten. Welches andere Mittel gäbe es dafür als das Gebet. Da bin ich täglich gefragt.

Beten heißt dann auch, sich mit den Unwägbarkeiten und den ständigen Veränderungen, vor die mich die Zeitläufe ständig neu stellen, umgehen zu lernen. Durch Beten elastischer werden, vor den eigenen Grenzen und denen der anderen nicht resignieren, an das endgültige Gelingen glauben.

 

Bei explizit.net haben wir einen Strauß von Blumen über das Beten und Gebetsorte angefangen:

Ein Schutzraum gegen das Leisten-müssen

Ein Gespräch über das Beten auf Instagramm

Walken zum Auge Gottes

ökologisch meditieren

 

 


Kategorie: Religion

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang