Mit den ökologischen Herausforderungen habe ich neue Formen des Meditierens entdeckt. Meine fünf Sinne lassen mich die Felder und Wiesen riechen, den Wind auf der Haut spüren, das Summen der Hummeln wahrnehmen, den Stich der Mücke empfinden. Ich kann mich sogar so hineinsinken lassen, dass ich mich als Teil des Lebendigen fühle.
Dem Wind nachspüren
Auf einer Bank oder aus einem Liegestuhl sehe ich dem Wind zu, wie er die Blätter bewegt, im Frühjahr die Pollen verbreitet. Erst durch seine Bewegung nehme ich die Luft wahr. Ich kann selbst ganz ruhig werden, muss nichts in die Hand nehmen, nichts betreiben, denn der Wind bewegt, er nimmt gleich meine Gedanken mit, ich brauche nur da zu sein. Anfangs halte ich das nur wenige Minuten aus, bis ich mich loslassen und nur vom Luftstrom umspülen lasse.
Den Bäumen beim Arbeiten zusehen
Es sind riesige Organismen mit zehntausenden kleinen Sauerstoff- und Kohlenstoff-Katalysatoren. Sie arbeiten, ohne Ressourcen zu verbrauchen. Jedoch werden sie der Klimaänderungen nicht mehr Herr. Aber nur die Fichten geben auf.
Einen Baum wenigstens anschauen, versöhnt etwas mit meinen Umweltsünden. Der Baum bringt es wieder ins Gleichgewicht, was ich allein mit meinem Notebook verbrannt habe. Nur schafft er das ganze Gerede nicht weg. Der Datenmüll wächst nimmt noch schneller zu als das CO2. Mich vom Bildschirm abwenden und einfach dem Baum zuschauen. Er ist da, so dass ich Sauerstoff zum Atmen habe und nicht in der Hitze verknöchere.
Die Flugbahnen der Vögel verfolgen
Der Garten, der an einen Wald grenzt, wie der, der selbst Bäumen Platz bietet, lässt meine Augen immer neue Bewegungen verfolgen. Die Hummeln sind deutlicher zu hören als Bienen und Wespen. Ich kann ihrem Hin und Her mit den Augen folgen. Mehr noch folgen meine Augen den schnellen Bewegungen der Meisen, die von Ast zu Ast springen, den Spatzen, die kurz auftauchen und dann wieder weg sind. Der Reiher, der den Goldorfen im Teich nachstellt. Die Mauersegler reichen fast bis zu den Bahnen der Flugzeuge. Abends pfeift mir das Amselmännchen seine Melodie. Wenn ich ihnen durch mein Beobachten Raum gebe, können sie vielleicht besser überleben.
Die Mücken und Zecken
Mit den Wespen kann ich leben. Wenn es draußen etwas zu Essen gibt, können sie etwas abbekommen. Den Stich der Mücke empfinde ich dagegen als heimtückisch. Die Zecken können mein Gehirn schädigen oder mich dauerhaft mit Rheuma beeinträchtigen.
Sie sollen tatsächlich wie die Bienen und Schmetterlinge ein Lebensrecht haben? Ich kann sie allenfalls als Gegenbild zu uns Menschen sehen. Macht die Natur uns mit ihnen klar, wie wir mit den Lebewesen umgehen, wie wir den Lebensnerv dauerhaft schwächen?
Den Fluss fließen lassen
Abends gibt es vom Damm des Neckar viel zu beobachten. Die Graugänse kommen mit ihren Jungen auf die Wiese zum Abendimbiss, die Schwäne grasen mit ihrem Hals tief im Wasser. Die Kormorane ziehen ihre Flugbahnen, ein Reiher schwingt sich nach oben. Die Krähen trudeln langsam ein und beginnen ihren abendlichen Rundflug um die Baumgruppe, in der sie übernachten. Wenn sie ihre Runden gedreht haben, setzen sie sich auf das Drahtseil, über das die Rolle des Fährseiles läuft. Diese wird mit einer Kette festgezurrt. Die Fährfrau hat Feierabend. Ein Schiff mit Containern beladen zieht noch vorbei. Dann legt sich der Abend über das Gewimmel der Wasservögel, nur das Wasser fließt weiter. Es nimmt meinen Tag mit. Ich nehme wahr, wie das Leben mich davonträgt. Meine Lebenszeit mündet in den größeren Fluss, der mich in das endlose Meer der reinen Gegenwart trägt. Ich folge dem fließenden Wasser in Gedanken bis zum Meer. Das spült immer neue Wellen auf den Strand, ohne dass es sich dabei ausleert.
Links:
Ein Gespräch über Beten auf Instagramm
Beten heißt, sich zu strecken
Walken zum Auge Gottes
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