Foto: Christian Schnaubelt / KOMMWIRT

Jerusalem: "Stadt des Friedens"

An Ostern richten sich sorgenvolle Blicke nach Jerusalem. Denn die Stadt wird zwar in Gen 14,18 als „Salem“ („Frieden“) bezeichnet und Papst Franziskus hatte Jerusalem noch im März als „Symbol des friedlichen Zusammenlebens“ gewürdigt. Nur einen Monat später herrscht Unfrieden und Gewalt in der „Stadt des Friedens“, die für die monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam eine große Bedeutung hat. Doch der Frieden wackelt und Christ:innen sind vermehrt Ziele von Angriffen.

 

Vom Dach des Österreichischen Hospizes in der Nähe des Damaskus-Tores bietet sich ein besonderer Anblick über die Dächer von Jerusalem (s. Foto zu diesem Artikel): Kirchturm, Minarett, Synagoge und Felsendom liegen in friedlicher Nachbarschaft nebeneinander. Als ein „gemeinsames Menschheitserbe“ sowie als „Begegnungsort für Juden, Christen und Muslime“ hatte auch Papst Franziskus am 09. März 2023 das seit 1.500 Jahren als „Friedensstadt“ bezeichnete Jerusalem beschrieben. In den verwinkelten Gassen seiner Altstadt leben seit vielen Jahren Gläubige mehrerer Religionen – meist – friedlich miteinander. Auch wenn es rund um den Felsendom und die Klagemauern immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern gekommen ist, gelang das interreligiöse Miteinander - oftmals. Und Jerusalem galt dafür als Vorbild.

Doch seit Anfang des Jahres ist dies anders: Der religiöse Frieden wackelt und vermehrt sind auch Christ:innen Ziele von Angriffen. Beispielsweise in Jerusalem und im Norden des Landes. So berichtete Propst Joachim Lenz gegenüber „chrismon“, dass am Neujahrstag 2023 „34 Gräber geschändet“ und die evangelische Kirche beschmiert wurde. Und Ende Januar 2023 verurteilten die katholischen Bischöfe im Heiligen Land Angriffe von Extremisten auf christliche Einrichtungen in Jerusalem, wie das Portal katholisch.de berichtete. Und auch der Abt der Benediktiner-Abtei Dormitio in Jerusalem, Nikodemus Schnabel, beobachtet gegenüber "Vatican News": „Seit dem Antritt der rechts-religiösen Regierung in Israel eine starke Zunahme von Angriffen auf Christen“.

Die angespannte politische Lage in Israel, die durch landesweite Proteste gegen eine geplante Justizreform einen neuen Höhepunkt erreichte, wirkt sich verstärkt auch negativ auf das religiöse Zusammenleben in Jerusalem aus. So spricht Abt Schnabel von einer „neuen Qualität der Angriffe“, wohingegen der Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem, Markus Bugnyar, gegenüber „Vatican News“ vor einer Überbewertung der Vorfälle warnt: „Ich habe solche Phasen, solche Wellen von Eskalation immer wieder erlebt.“

„Niemand kann sich allein retten“

So lautet der Titel der Botschaft von Papst Franziskus zum Weltfriedenstag 2023 mit dem Untertitel „Nach Covid-19 neu beginnen, um gemeinsam Wege des Friedens zu erkunden“. Diese Aufforderung passt aus Sicht des Autors auch auf die derzeitige Situation in Jerusalem. Ein friedvolles Zusammenleben der Religionen kann wahrscheinlich nur durch die Fortführung des interreligiösen Dialoges geschaffen werden. Und wo könnte dies besser erreicht werden, wenn nicht in der "Stadt des Friedens"?!.

Christian Schnaubelt
(Der explizit.net - Redaktionsleiter besucht seit 1993 regelmäßig Israel, Palästina und Jordanien.)


Kategorie: Religion

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