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Ukrainekrieg danach: Modell Montanunion

Russland konnte den Krieg in die Ukraine starten, weil es keine Institution gibt, die das verhindern konnte. Gleiches gilt für die Kriege der USA gegen Afghanistan oder den Irak. Für Europa war die Montanunion eine wirksame Einrichtung, einen weiteren Krieg zwischen Deutschland und Frankreich unmöglich zu machen. Es braucht Vergleichbares, in das Russland einbezogen wird.

Die Montanunion war kein Zollverein, sondern als übernationale Behörde eingerichtet, um die Kohle- und Stahlindustrie zu kontrollieren. Ziel war, eine einseitige Aufrüstung eines der Kriegsgegner zu verhindern. Damals war der Wirtschaftsminister Ludwig Erhard gegen diese Aufgabe staatlicher Rechte. Konrad Adenauer sah die einmalige Chance, dass Deutschland als gleichberechtigter Partner in die westliche Staatengemeinschaft aufgenommen wurde. Es waren noch Zeiten, als die politischen Ziele noch nicht den wirtschaftlichen untergeordnet. Kurt Schumacher, Vorsitzender der Sozialdemokraten, lehnte das Projekt ab, ebenso aus politischen Gründen. Er sah in einer zu engen Westbindung ein Hindernis für eine Wiedervereinigung. Die heutigen Schwierigkeiten der SPD mit der russischen Diktatur waren damals schon gegeben. Dass die durch die Montanunion eingeleitete engere Zusammenarbeit sich wirtschaftlich gerade für Deutschland so sehr lohnte, konnte man damals nicht absehen.

Frankreich als Ideengeber

Die Konzeption einer Rüstungskontrolle durch eine übernationale Behörde stammte von Jean Monnet, einem Beamten des französischen Außenministeriums. Sie ging mit dem Namen des damaligen Außenministers als Schumann-Plan in die Geschichte ein. Der Tag der Proklamation, der 9. Mai, wird heute als Europatag gefeiert. Der Wille, es nicht zum nächsten Krieg kommen zu lassen, kann jedoch erlahmen. Gäbe es eine funktionierende Kooperation mit übernationalen Institutionen wie dem EU-Parlament, EU-Gericht, Entscheidungsgremium der Regierungschefs wie der Fachminister und eine von allen Staaten besetzten Kommission, wäre nicht unbedingt ein neuer Deutsch-Französischer Krieg ausgebrochen, aber es gäbe viel mehr ungelöste Konflikte. Eine der EU vergleichbare Wirtschaftsunion gibt es auf dem Papier für Länder der ehemaligen Sowjetunion, jedoch von Russland dominiert. Sie „repariert“ nicht die Ursache für die Auflösung der Sowjetunion nämlich sich aus der Moskauer Bestimmungsmacht zu lösen. So war es das noch in kommunistischer Zeit gewählte Parlament der Ukraine, das 1991 die Gefangensetzung Gorbatschows nutze, um aus der Sowjetunion auszutreten. Kasachstan, Belarus und die zentralasiatischen Staaten gehen wegen des Angriffskrieges noch mehr auf Distanz zu Russland.

Wirtschaftsorientierung führt zu Politikversagen

Der Freund Putins kann die weitere Entfesselung des Raketen- und Bombenkrieges im Ukrainekrieg nicht mäßigen. Gerhard Schröder spricht von einem Fehler. Mehr scheint es nicht zu sein. Der wird jeden Abend in den Nachrichten dokumentiert. Denn was will Russland mit dem eroberten Mariupol, wenn es dessen Infrastruktur zerstört und die Bewohner hat abziehen lassen. Das ist wirtschaftlich gesehen Unsinn, aber trotzdem Politik. Ähnlich haben es die Westeuropäer in zwei Weltkriegen vorexerziert. Die Menschenverluste und Reparationszahlungen infolge des Ersten haben den Zweiten Weltkrieg möglich gemacht. Wenn Putin die NATO angreift und diese ihr Waffenarsenal einsetzt, wird die Russische Föderation entweder hinter dem Ural weiter bestehen oder einzelne Republiken der Föderation wie z.B. die muslimischen Turkvölker oder auch Oblaste, Provinzen, werden aus der föderalen Struktur ausbrechen. Das legt ein Blick auf Deutschland und vor allem Österreich und Ungarn nach den beiden Weltkriegen nahe. Statt Gebietsgewinnen wurden diese Länder geteilt und Regionen anderen Staaten zugesprochen. Der Urkainekrieg zeigt wie die meisten anderen Kriege, dass es keine wirtschaftlichen Zwänge gibt, die Zerstörung des Gegners zu unterlassen.

Verträge reichen nicht, es braucht übernationale Institutionen

Mariupol erklärt, warum Wirtschaftspolitik nicht reicht und zuerst der Frieden nachhaltig gesichert sein muss. Das geht nicht mit Waffen, auch Verträge können problemlos gekündigt werden. Erst übernationale Institutionen bieten einen Rahmen, in dem Konflikte ausgetragen werden, ohne dass es zu einem Krieg kommt. Bei der Montanunion, aus der die EU hervorging, stand nämlich nicht wirtschaftliche Kooperation, sondern Rüstungskontrolle - nicht nur durch Verträge, sondern durch eine übernationale Institution. Die Staaten haben Verfügungsrechte an eine übernationale Institution abgegeben. Die EU, die Putin betreibt, die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft, kopiert das sowjetische Herrschaftssystem. Es beruht weiter auf militärischer Macht, die die beteiligten Länder jeweils unter den Oberbefehl Moskaus zwingen konnte. Dieses erwies sich bereits 1991 als zerbrechlich. Denn als Gorbatschow im August 1991 gefangen gesetzt wurde, traten die noch von kommunistisch dominierten Parlamenten und Regierungen gelenkten Länder aus der Sowjetunion aus. Sogar die russische Föderation unter Jelzin folgte ihnen.
An Schröder wird die Unterlassung einer über das Wirtschaftliche hinausdenkende Politik deutlich. Er hat selbst eine "Bekehrung" vom linken Jusovorsitzenden zum Anhänger des Kapitalismus gemacht. So engagiert er sich nach seiner Kanzlerschaft nicht in gemeinnützigen Organisationen, sondern in Aufsichtsräten russischer Energielieferanten und hätte in Nord Stream die Krönung seines Konzepts gefeiert, Russland enger an Deutschland zu binden.

Der Westen hat den Informations-Krieg verloren

Der Angriff auf die Ukraine wird wohl immer noch von der Mehrheit der russischen Bevölkerung befürwortet. Solange die Russen den eigenen Medien glauben, werden sie sich von der NATO bedroht fühlen, die Ukraine als Vasall der USA und damit als Aufmarschgebiet einer westlichen Armee sehen und sich vor den in der Ukraine entwickelten Biowaffen fürchten. Die Beeinflussung geht inzwischen so weit, dass Verwandte ukrainischer Bürger abstreiten, dass Russland einen Angriffskrieg führt.
Die EU-Staaten haben zugesehen, wie Russlands Medien, die kulturellen Einrichtungen des Landes, die Parteien immer mehr gleichgeschaltet wurden. Das wurde solange nicht als Friedensbedrohung erkannt, solange das Gas durch die Ukraine floss.

Wirtschaft sichert nicht Frieden, Verträge inzwischen auch nicht mehr

Am 24. Februar 2022 ist dieses Konstrukt zerstört worden. Deshalb braucht es für die Zeit nach dem Krieg eine langfristig planende Politik. Die Regierung muss noch lernen, dass 100 Milliarden für Panzer und Kanonen Russland nicht vor dem nächsten Krieg abhalten, wenn die russische Bevölkerung nicht erreicht wird. Dass im Zeitalter des Internets keine Strategie entwickelt wurde, die russische Bevölkerung über die Zahl der Gefallenen, das Missmanagement der Armeeführung und den Zerstörungen der Zerstörung zu informieren. Es sollten jetzt schon starke Signale an die russische Jugend geben, mit ihr eine neue Beziehung zwischen West und Ost aufzubauen. Wenn die Universitäten in der EU russischen Studierenden zusammen 100.000 Studienplätze anbieten würden, wäre das wirkungsvoller als Panzerhaubitzen. Mit ihnen und nicht mit Schröders Gazprom könnte eine Art Montanunion für die Sicherheitsstruktur installiert werden, die einen Eintritt in den nächsten Krieg abfangen würde.

Dass die Russen einen Angriff aus dem Westen auch jetzt noch fürchten, liegt in ihrer Geschichte begründet. Als die Mongolen 1240 Kiew eroberten, begann der Deutsche Orden 1242 einen Krieg gegen die Rus, also gegen das heutige Belarus, die Ukraine und das damals noch kleine Moskauer Großfürstentum. Hier zu Beiträgen von Vladimir Pachkov:
Russland und der Westen: Der Bruch geht auf das 13.Jahrhundert zurück
Russland fühlt sich auch heute bedroht

Zum Krieg jetzt, E.Bieger: Wer alles hat Putin „erlaubt“, die Ukraine zu annektieren?


Kategorie: Politik

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