Es ist schmerzlich, sich den Verlauf des Krieges vor Augen zu führen. Der Berliner Trafo-Verlag hat die wöchentliche Bestandsaufnahme, die Wolfgang G. Schwanitz jeweils auf explizit.net veröffentlicht hat, noch einmal kompakt, auf 295 Seiten zusammengestellt. Spätestens in der Mitte des Bandes wird man sich fragen: Haben die Demokratien keine Strategien, um Kriegsparteien zur Einstellung der Kämpfe zu bewegen. Bedurfte es tatsächlich des massiven Einsatzes von Kampfflugzeugen und Artillerie, um 2016 einen labilen Waffenstillstand zu "erbomben"? Es lag bereits 2014 auf der Hand. Der IS sammelte die militanten Muslime, Hamas und Israel nehmen den Krieg wieder auf. Die syrische Regierung kennt nur brutale Unterdrückung, die Gegner Assads antworten mit den gleichen Mitteln. Die Flucht der Zivilbevölkerung ist absehbar. Die Maßnahmen des Westens reichten auch damals schon nicht und führen auch drei Jahre später zu keinem Ausgleich oder gar zu einer neuen Ordnung im Mittleren Osten. Der Autor unterfüttert seine Beobachtungen mit Rückblicken, einmal zur Rolle Deutschlands beim Heraufkommen des Jihadismus bereits im Ersten Weltkrieg (S. 173, 219) und dann durch den Nationalsozialismus. An mehreren Stellen wird der Beitrag der Orientalistik zum Verständnis des Mittleren Ostens dargestellt. (S. 233ff)
Nach der Lektüre fragt sich der Leser: Wo bleiben die Ergebnisse der Friedensforschung. Wo werden Religionsvertreter mit einer langfristigen Strategie aktiv, um den gewalttätigen Tendenzen innerhalb einer Religion nicht einfach nur mit Waffen zu begegnen. Es fehlen offensichtlich die muslimischen Führungsgestalten, die dem Konfessionskrieg zwischen Schiiten und Sunniten, zwischen Persien und Saudi-Arabien, der dem Syrienkrieg erst seine Unerbittlichkeit gibt, einen Ausweg eröffnen. Der Autor hat früh genug darauf hingewiesen, dass der Islamismus nicht unterschätzt werden darf. Nicht erst die Flüchtlingsströme ein Jahr später hätten eine Strategie gefordert, der nicht nur die Folgen des Dauerkrieges einzudämmen. Kann es sein, dass die Schwäche der Demokratien bereits mit der Unfähigkeit beginnt, statt Waffen ein Modell des Friedens zu „exportieren", das nicht zu einem Krieg der Islamisten gegen den Westen führt, sondern zu einer Friedensordnung? Die Spannungen zwischen Moskau und Washington, die sich in dem Berichtsjahr bereits zeigen, führen am Ende nur dazu, dass der Westen sich einigeln muss als dass er zu einem Akteur wird, der politisch und nicht nur mit Waffen eingreift. Immer wieder weist der Autor auf die Unzulänglichkeiten hin. Dem Buch ist eine große, nachdenkliche Leserschaft zu wünschen.
Wolfgang G. Schwanitz, Mittelost Mosaik 2014
Afghanistan Wahlen, Israels Raketenkrieg, Kalifat Irak-Syrien, sowie Barak Obama, Papst Franziskus und Angela Merkel, 295 S. Trafo Verlag Berlin November 2016
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