Gab es neben den vielen Umfragen und den Analysen, warum eine Partei Stimmen hinzugewonnen oder verloren hat, irgendwelche Inhalte? Die Medien haben darüber nicht informiert.
Beliebtheit statt Torerfolge
Dass die Wahlen zu einem Spektakel verkommen sind, zeigt ein Vergleich mit dem Sport. Da berichten die Medien noch über das, was geschieht, vor allem über die Tore. Würden sie ähnlich wie über die Parteien berichten, dann wäre der Inhalt der Sportnachrichten ein dem Politbarometer vergleichbares Instrument, auf dem abzulesen wäre, welche Vereine beim Publikum beliebter oder weniger beliebt sind. Die Parteien haben sich dieser Darstellung angepasst. Sie schießen keine Tore mehr, sondern sind mit der Analyse des Wählerverhaltens ausgelastet. Um mehr Stimmen zu bekommen, streuen sie Geld unter ihre Wähler. Inzwischen haben die Wähler das Spiel durchschaut. Da die SPD außer Geld verteilen kaum noch andere Ideen hat, verliert die immer mehr an Zustimmung. Noch origineller verhält sich die FDP. Sie hat dauerhaft auf der Zuschauerbank Platz genommen, keiner ihrer Spieler will aufs Feld geschickt. Das einzige, was ihre Wähler hören, ist Nörgelei an der Regierung. Das können die Bürger auch ohne die FDP.
Die Probleme lieber nicht angehen
Die Bürger spüren, dass das nicht gut gehen kann. Allerdings wollen sie die Volksparteien wie in Frankreich und Italien auch nicht abschaffen? Aber die Wähler hoffen vergebens, dass sich diese der Ängste annehmen - vor der weiteren Automatisierung, den wachsenden Gesundheitskosten, den maroden Brücken, den verfallenen Schulgebäuden. Vor allem die Jüngeren fühlen sich allein gelassen. Die Künstliche Intelligenz wird die bisherigen Berufsbilder auflösen. Es ist nicht absehbar, welche Ausbildung in 5 oder gar 10 Jahren noch trägt. Und welche Partei nimmt sich der 30% Studierenden an, die kein Examen auf die Beine bekommen, weil Anforderungen in der Schule ständig gesenkt wurden - um Möglichste Abiturzahlen zu generieren, diese auf die Universität in überfüllte Seminare und Vorlesungen zu locken, um sie dann an der Examenshürde scheitern zu lassen. Das alles wären lohnende Aufgaben für Politiker. Da diese sich aber ständig mit dem Wahlverhalten und nicht mit den Problemen ihrer Wähler beschäftigen, verlieren auch die Medien ihre viel gerühmte Aufgabe der kritischen Berichterstattung und suggerieren, die Parteien müssten noch mehr Geld unters Volk streuen.
Warum die Grünen mit Recht gewinnen
Die Medien feiern die Wahlerfolge der Grünen so, als sei ein Politstar ins Licht der Scheinwerfer getreten. Die bayerische Vorsitzende sei ja so jung und charmant. Aber ist das alles? Die Grünen haben noch Ideen, die wirken. Themen haben bei Ihnen Vorrang vor Personen. Sie haben auch das gegenseitige Sich-Fertigmachen abgelegt, das nicht nur bei den christlichen Parteien als Erfolgsstrategie zur Gewinnung von Wahlen perfektioniert wurde. Während die SPD über GroKo und die CDU über den Flüchtlingsstrom 2015 streitet, haben die Grünen etwas vor. Hinzu kommt ein entscheidender Faktor, den die bisherigen Volksparteien übersehen: Die Redefähigkeit der Mitglieder:
Wahlen gewinnen die Parteimitglieder
Da die Wahlen zu einem Medienspektakel verkommen sind, haben die Journalisten und ebenso die Parteivorsitzenden vergessen, dass Wahlen durch schweigende Mitgliedern nicht gewonnen werden können. Worüber sollte aber ein CSU-Parteimitglied reden, wenn die persönlichen Attacken wichtiger sind als die politischen Projekte. Noelle-Neumann hat das mit dem Begriff der Schweigespirale gefasst. Wenn die Mitglieder nicht mehr ihre Partei nach außen vertreten können, dann schweigen sie. Das Schweigen bedeutet aber nicht nur trügerische Ruhe, sondern denen das Feld zu überlassen, die von den Positionen und Vorhaben ihrer Partei überzeugt sind. Das sind nicht nur die Mitglieder der AFD, auch die Mitglieder der grünen haben sich nicht Reden angehört, sondern über Vorhaben diskutiert, weil diese nicht nur wie Fragen der Rente auf Bundesebene, sondern vor Ort Thema werden. Der Hambacher Forst ist eben keine abstrakte Zahl. Wenn die Parteien, denen ihre Wähler den Rücken gekehrt haben, müssen sie mit der eignen Reform nicht im Fernsehen anfangen, sondern im eigenen Haus. Die Volksparteien haben ihre Mitglieder entmündigt, indem alles von Oben nach Unten gereicht wird. Wählen gewinnt man nicht mit der besseren Werbeagentur, sondern mit auskunftsfreudigen Mitgliedern. Das heißt aber, dass die ortverbände wieder politische Debatten führen und möglichst jeder zu Wort kommt, damit er, damit sie im Kollegenkreis, im Verein, bei Einladungen das überzeugend vertreten, was ihre Partei ins Programm geschrieben hat.
Nicht nur die Parteien steuern sich nach unten
Die Katholische Kirche hat sich ebenso in den Abwärtstrend der Schweigespirale manövriert. Sie beschäftigt sich nur noch mit ihrer Struktur und hat damit das religiöse Leben bald gänzlich erstickt. Da man keine Wahl hat, um einer Protestpartei die eigene Stimme zu geben, bleibt als Ausdruck des „Nicht-mehr-so“ der Austritt. Weil diese Kirche in Deutschland an ihren inneren Problemen scheitert, kann sie nicht mehr als Heilsanstalt auftreten, in der die Paradoxien des Lebens, der Umgang mit Scheitern und Tod, die Hoffnung auf ein Weiterleben trotz Tod noch Thema werden können.
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