Patronenhülsen aus den Kämpfen im Donbass, F: explizit.net

Blick in die Ostukraine

Das Leben in der heutigen Ostukraine ist durch Mythen, wahre oder gefälschte Geschichten, als solche erkennbare Fake-News wie verhüllt. Die Medien beleuchten die Ereignisse oft auf eigene Weise und verzerren oft das Bild. Selbst die Ukrainer können mit Sicherheit nicht sagen, was da passiert und passierte. Hier die reale Begegnung mit einem jungen Journalisten aus der Ostukraine.

Während der polnisch-deutschen Sommerschule für Journalisten habe ich viele interessante Menschen kennengelernt, die meinen Horizont erweitert und einige meiner Ansichten grundlegend verändert haben. Einer davon war der 21-jährige Bogdan aus Donezk, der seit November 2014 in Winnyzja in der Zentralukraine, in Podolien. Bogdan studiert Journalistik an der Nationalen Wassyl-Stus-Universität Donezk, die im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ostukraine nach Winnyzja verlegt wurde. Bogdan hat bereits öfter an den journalistischen Projekten teilgenommen, um seine Erfahrungen weiterzugeben. Von ihm habe aus erster Hand erfahren, wie das Leben und die Stimmung der Menschen in Donezk und Luhansk sind und was sich junge Journalisten, die dort arbeiten, für die Zukunft wünschen. 

M: Wie oft fährst du in deine Heimatstadt? Hast du Schwierigkeiten beim Grenzübertritt?

B: Ich komme 2-3 Mal pro Jahr nach Hause. Die hohen Fahrtkosten (500 Hrywna für die Hinreise) und mein Studium erlauben es mir nicht, öfter nach Donezk zu fahren. An den Blockposten muss man damit rechnen, ein paar Stunden bis sogar zu einigen Tagen stehen und warten zu müssen. Entweder man erhält die Erlaubnis, in die nicht anerkannten Volksrepubliken einzureisen, oder man muss auf die von Kiew kontrollierten Gebiete zurückkehren. Man kann diese „Grenzkontrolle“ nicht umfahren, da überall Minen liegen und auch Beschuss möglich ist. Die einzigen positiven Seiten der Blockposten sind die medizinische Versorgung, die Toiletten und beheizte Räume.

M: Du sammelst jetzt praktische Erfahrungen in einem ukrainischen Massenmedium. Besteht darin eine Gefahr für dich, wenn Du nach Hause zurückkommst?

B: Gewissermaßen ist es gefährlich, aber ich bin nicht der Einzige in der Ukraine, der so arbeitet. Ich schreibe nicht über Politik und den Donbass .

M: Wie stark ist die russische Propaganda in den besetzten Gebieten? Verstehen die dort lebenden Menschen, welchem Einfluss sie unterworfen sind?

B: Mit Sicherheit kann ich sagen, dass Propaganda betrieben wird, sie existiert. Einige Einwohner der selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk glauben, dass in der Ukraine Faschisten herrschen. Sie glauben, dass ein Junge in Slowjansk (Stadt des Donezk Gebiets) von der ukrainischen Armee vor allen Augen ermordet wurde und „Euromaidan“ der Umsturz einer legitimen Regierung war. Die Menschen mit einer proukrainischen Einstellung müssen hingegen ihre eigene Überzeugung verschweigen. Dann gibt es noch die dritte Gruppe, die sich neutral gibt und weder den Informationen aus den besetzten Gebieten noch denen aus der Ukraine Glauben schenkt.

M: Wie verändert sich die Stimmung unter der dort gebliebenen Bevölkerung?

B: Die Menschen verzweifeln an der neuen Republik. Die Donbass-Bewohner glaubten, dass sie ihre neue Zukunft gestalten würden, aber diese Euphorie ist jetzt vorbei. Sie reden aber nicht laut darüber, da solche kritischen Äußerungen auf den Unmut der dortigen Regierung stoßen könnten. Diejenigen mit prorussischer Gesinnung entscheiden sich für einen Umzug zu ihrem östlichen Nachbarn. Das Leben in Russland ist etwas besser als in den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk.

M: Welche Einstellungen herrschen in deiner Familie und in deinem Freundeskreis in Donezk vor? Ist jemand, der Dir nahesteht, nach Russland oder auf die von Kiew kontrollierten Gebieten gezogen?

B: In meiner Familie reden wir nicht über Politik, weil jeder eine eigene Meinung dazu hat. Ich sehe kein Problem darin, wenn jemand die UdSSR vermisst, andere vom freien Europa oder dem demokratischen Amerika träumen. Die Hauptsache ist doch, dass keine Streitigkeiten heranwachsen. Viele meiner Mitschüler haben sich auf drei Fahnen verteilt – Donezk, Ukraine und Russland. Die meisten sind in der selbsternannten Volksrepublik Donezk geblieben oder nach Russland gefahren. Dort studieren sie, erhalten ein Stipendium, verdienen ihren Unterhalt und reisen. Aber sie leben in einer ganz anderen Welt und haben eine eigene Weltanschauung.

M: Hast du bereits früher an irgendwelchen Programmen oder Seminaren für Journalisten teilgenommen? Wenn ja, an welchen?

B: Im ersten Studienjahr habe ich zusammen mit meinem Team in einem ukrainisch-polnischen Projekt namens „Mammedia“ einen Wettbewerb gewonnen. Wir haben multimediale Zeitungen erstellt. Damals habe ich zum ersten Mal das „Lviv-Media-Forum“ besucht. Im zweiten und dritten Studienjahr war ich mehrmals an der Ukrainischen Katholischen Universität  im Rahmen des Programms „Freunde jenseits des Sbrutsches“ zu Gast. Ich habe auch an einem Videocamp, das die Journalistenschule der Ukrainischen Katholischen Universität organisiert hat, teilgenommen. Es gab Workshops, wir haben Videos gedreht und editiert. 

M: In welchem Medienbereich möchtest du dich ausprobieren?

B: Ehrlich gesagt interessiere ich mich für Lifestyle-Magazine. Ich möchte etwas Neues kreieren und Trends im Journalismus setzen - wie pathetisch dies auch klingen mag. Ich würde gern in einem Hochglanzmagazin für Männer arbeiten, wie zum Beispiel „Esquire“ oder sogar „Playboy“. Außerdem mag ich Musik. Früher habe ich Synthesizer und Schlagzeug gelernt, aber ich habe keine Zeit mehr dafür. Ich könnte mir vorstellen, Artikel auch für eine Musikzeitschrift zu schreiben. Neben dem Verfassen von Texten, wäre ich daran interessiert, ein Produkt herzustellen, damit meine ich eine Zeitschrift oder ein Fernsehsendung.  


Kategorie: Politik

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