Prälat Karl Jüsten, Leiter des Katholischen Büros in Berlin, brachte die Einschätzung der katholischen Kirche in einer Umfrage des Verlags Table Media auf den Punkt: "Dass wir als Kirchen die Migrationswende kritisch sehen, verwundert nicht, auch die Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit halten wir für falsch."
Explizit forderte Jüsten mehr Ambition in der Klima- und Umweltpolitik: "Wir müssen viel ambitionierter werden", wie die Portale katholisch.de und domradio.de berichteten. Laut Jüsten sei "bei manchem, was sich die Koalition vorgenommen habe, der Anfang gemacht (...) und zahlreiche Gesetze werden im Herbst in den Bundestag eingebracht".
Positiv merkte Jüsten allerdings das religiöse Bekenntnis vieler Kabinettsmitglieder bei deren Vereidigung im Deutschen Bundestag an: Viele sprachen die Eidesformel mit dem Zusatz "So wahr mir Gott helfe". Daraus spreche "Demut und Zuversicht".
Auch von evangelischer Seite kam Kritik an den migrationspolitischen Maßnahmen der Regierung, insbesondere an Grenzkontrollen und Einschränkungen beim Familiennachzug. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, mahnte öffentlich: "Das Recht auf Asyl darf auf keinen Fall zur Disposition gestellt werden". Maßnahmen wie der Stopp von Aufnahmeprogrammen für afghanische Flüchtlinge und die Diskussion um Asylverfahren in Drittstaaten werden von beiden Kirchen als Symbolpolitik eingestuft, wie das Portal domradio.de und die Evangelische Zeitung berichteten.
Der evangelische Blick umfasste auch die gesellschaftlichen Schwerpunkte: Sozialverbände und diakonische Organisationen forderten von der Bundesregierung eine stärkere soziale Ausrichtung und mehr Engagement gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck. Der Deutsche Caritasverband betonte explizit die Gefahr für das demokratische Miteinander durch Wahlerfolge der AfD, wie es Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa äußerte.
Fazit: Mit Ablauf der ersten 100 Tage der schwarz-roten Bundesregierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz zogen die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland ein gemischtes Fazit. Während die katholische Kirche konstruktive Ansätze erkannte, überwogen doch die kritischen Stimmen zu zentralen kirchlichen Politikbereichen. Auch die evangelische Kirche meldete sich mit mahnenden Stimmen zu Wort.
Christian Schnaubelt
(Chefredakteur und Herausgeber von explizit.net und kath.de)
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