Wolfgang G. Schwanitz

Explizit.net ist ein aktueller Marktplatz der Ideen. Die Beiträge des katholischen Portals sind oft eigenwillig, analytisch und unabhängig. Da die Grundwerte auch in der aktuellen Globalsicht stimmen, trage ich gern dazu bei.

Geboren 1955 in Magdeburg, Studium der Arabistik und Ökonomie in Leipzig bis 1982. Dort promoviert. Dann Forschungsgruppenleiter für Geschichte des Nahen und Mittleren Osten an der Akademie der Wissenschaften in Ostberlin. Seit der deutschen Einheit als Mittelosthistoriker Forschung und Lehre in Amerika, Mittelost und Europa über die Beziehungen dieser drei Regionen sowie über Araber, Amerikaner, Juden und Deutsche. Autor von vier und Editor von zehn Bänden zur mittelöstlichen Beziehungsgeschichte, darunter deutsche Islam- und Mittelostpolitik.

Beiträge von Wolfgang G. Schwanitz

Neues in Kairo und Kabul, Krieg in Irak und Syrien

(explizit.net) Am Nil regiert seit 8. Juni Abd al-Fattah as-Sisi als gewählter Landespräsident für vier Jahre. Danach mag er sich ein zweites, aber letztes Mal den Wählern stellen. Freilich gab es Zweifel an der Fairness des Wahlverlaufs, jedoch nicht an der Sympathie, die wohl eine Mehrheit für diesen Ex-General hegt, der versprach, die Macht der Islamisten zu beenden. Indes gingen am 14. Juni in Afghanistan Wähler zur Stichwahl unter Präsidialkandidaten Abdullah Abdullah und Ashraf Ghani. Obzwar offen ist, ob der Tadjike oder Paschtune gesiegt hat, notierten Wahlbeobachter eine relative Ruhe durch die Taliban, die Gewalt ansagten, aber am Wahltag nicht wie gewollt durchkamen. Hingegen tobt Krieg in Irak und Syrien, wo Islamisten Baghdad erreichten und ein Landesdrittel, Mossul bis Samarra, einnahmen. Präsident al-Maliki und Ayatullah as-Sistani riefen zur Gegenwehr auf. Dies gerät zur Weltkrise, denn wie Amerika und Europa reagieren, prägt kommende Dekaden.

Normandie und Bergdahl

(explizit.net) Alle schauten hoch zur Jetformation, die bunt am Himmel über der Normandie entlang brauste. Auf Erden gemahnte ein Totenkreuzmeer an Gefallene der Alliierten, die solche Küstenstreifen wie Ouistreham und Omaha gegen die Nazitruppen erstürmt haben. Ihr Einsatz beendete die Nacht dieser totalitären Diktatur, die beinahe die Welt erobert hätte. Frankreichs Präsident Hollande lud zum 70. Jahrestag des amerikanisch-französischen Gedenkens am Decision-Day ein. Dort versammelten sich 18 Oberhäupter am Freitag, den 6. Juni. Unter ihnen weilten Königin Elizabeth II, Prinz Charles, Präsident Obama, Kanzlerin Merkel, aber auch die Kontrahenten Putin und Poroschenko. Zwar drehten sie einander ihre Rücken zu, doch nicht mehr, als Angela Merkel mit dem Russen und dem Ukrainer redete. Das Treffen unter lachender Sonne strahlte Vernunft und Hoffnung aus.

Obama in West Point, as-Sisi bald Präsident

Beide erlebten Mittwoch Bemerkenswertes. Der Amerikaner stellte in seiner West Point-Rede auswärtige Leitlinien seiner letzten zweieinhalb Amtsjahre vor. Der Ägypter war an jenem 28. Mai nach dreitägigen Präsidialwahlen sicher, neuer Landespräsident am Nil zu werden. Er soll eine Rolle erfüllen, die der US-Präsident skizzierte. Beide beargwöhnen einander. Barack H. Obama mag nicht autokratische Exmilitärs und Abd al-Fattah as-Sisi liebt weder Zaudern noch Unklarheiten. Aber beide gehen nicht auf Kollisionskurs: zwar ziehen sich Gegensätze an, doch gibt es viele geteilte Interessen. Allen voran stellt Kairo Probleme, die aus dem Ringen gegen die Muslimbrüder folgen, deren Regierungsende -Muhammad Mursi - Volksteile und as-Sisi durch ihre Coupvolte am 3. Juli herbeiführten. Das wollte die US-Administration noch in letzter Minute abwenden, wie as-Sisi kundtat.

Papst Franziskus am Jordan

(explizit.net) Plötzlich stoppte sein Auto auf dem Wege zur Sonntagsmesse am Westufer des Jordans. Papst Franziskus lehnte sich gegen die Trennmauer unter einem Beobachtungsturm, die Bethlehem vom Westjordanland abtrennt. Dieser Wall, bekrakelt mit Graffiti wie „Freies Palästina“, vermindert nicht nur in Israels Augen Terroranschläge. Andererseits bejaht der Pontifex den Staat Palästina, dem die UN im November 2012 als Nichtmitglied einen Beobachterstatus gab. Er verfolgt einen Balanceakt zwischen diversen Seiten. Am Grabe Theodor Herzls, der den Zionismus begründete, legt er einen Kranz ab. Sein Vorgänger Pius X. lehnte noch vor 100 Jahren Herzls Ersuchen um Hilfe im Vatikan strikt ab.

9/11 Museum und Jihadtourismus

(explizit.net) Sie konnten seine Körperteile nicht identifizieren. Bis seine Mutter Monate später in der Zeitung über den „Retter mit dem roten Halsband“ las - ihr Sohn, Welles Crowther. Einst 24, eilte er nach dem Einschlag der Flugzeuge in die Türme, um Menschen zu retten. Bis alles einstürzte. Am Donnerstag stand die Mutter Alison Crowther auf der Rednertribüne zur Einweihung der Nationalen 11. September Gedenkstätte mit Museum in Manhattan: Welles glaubte, sagte sie, daß wir alle als Menschenfamilie verbunden seien. Dies sei das wahre Erbe jenes Tages. Präsident Obama lobte auch den Heroismus des Halstuchträgers am Donnerstag, den 8. Mai, an dem Amerika der etwa 3.000 Seelen gedachte, die beim ersten und zweiten Anschlag – 1993 und 2001 – auf das Welthandelszentrum umkamen.

Boko Haram und Benghazi

(explizit.net) Michelle Obama platzte der Kragen. Sonst politsch zurückhaltend, erklärte sie Samstag, den 10. Mai: „Barack und ich sehen in diesen Mädchen unsere eigenen Töchter.“ Sie wandte sich gegen das böse Treiben der nigerianischen Terrorgruppe Boko Haram – in Hausa „[West-]Bücher verboten“. Ihr Chef erklärte sich auf Video verantwortlich, 200 [276] Schulmädchen im April entführt zu haben und nun als Sklavinnen zu verkaufen. “#BringBackOurGirls”, ließ sich daher die Präsidentengattin für einen Tweet ablichten.

Obama und Merkel in Amerika zu Europa und Mittelost

(explizit.net) Präsidialwahlen in der Ukraine wollen Amerika und Deutschland kräftig unterstützen, sagte Kanzerlin Merkel im Rosengarten des Weißen Hauses. Ihren Streit mit Präsident Obama zu Lauschangriffen möchte sie nun durch einen bilateralen Cyber-Dailog klären. Angela Merkel, die Freitag aus Washington heimreiste, zeigte sich hierbei unzufrieden, indes Barack H. Obama zum

<emphasize>business as usual</emphasize>

übergehen, aber Berlin keine Extras unter Freunden und Alliierten einräumen wollte. Beide sprachen über Iran und Syrien. Nichts verlautete darüber, daß die Friedenssuche zwischen Israelis und Palästinensern scheiterte.

Blair und der Islamismus

Mittwoch hielt Tony Blair eine Schlüsselrede im Londoner Office von Bloomberg TV. Der Mann, der seit 1997 eine Dekade britischer Premier war und danach offen römisch-katholisch konvertierte, ist seither Mittelost-Sondergesandter des Quartetts aus Amerika, Rußland, der Europäischen Union und den Vereinten Nationen. In der Ansprache am 23. April behauptete er dreierlei: eine radikalisierte Ideologie des Islams, die dessen wahre Botschaft verdrehe, liege im Herzen der heutigen Mittelostkrise. Die Bedrohung durch den radikalen Islam wachse global, destabilisiere Gemeinden, gar Nationen, und zerstöre Potenzen der friedlichen Koexistenz in der Ära der Globalisierung. Schließlich zögere der Westen, die Gefahr anzuerkennen und erscheine machtlos, ihr effektiv zu begegnen. Mit dem Text vom selben Tag im „The Spectator“ erhelle ich Blairs ungewöhnlichen Ansatz.

Mittelost im heißkalten Globalkrieg

(explizit.net) Das US-amerikanische Außenministerium, State Department hat Ägyptens „Anhänger Jerusalems“ als auswärtige Terrorgruppe auf den Index gesetzt. Ihr wird angelastet, seit 2011 Anschläge gegen Offizielle am Nil, israelische Interessen und ausländische Touristen in Kairo, auf der Halbinsel Sinai (und am Sueskanal) ausgeübt zu haben. Zudem sympathisiere die Gruppe mit al-Qaida, der sie aber nicht angehöre. Sollte dieser Verein, arabisch „Jamaat Ansar Bait al-Maqdis“, Mittel unter US-Jurisdiktion besitzen, so hieß es Mittwoch, seien diese einzufrieren. Amerikaner dürfen die Anhänger Jerusalems nicht fördern. Soviel zur Überraschung aus Washington vom 9. April, wo freilich der wichtigste Zusammenhang gar nicht erwähnt worden war.

Afghanistans Wahlen

(explizit.net) Trotz aller Drohungen der Taliban haben fast zwei Drittel der wahlberechtigten Afghanen am Samstag einen neuen Präsidenten gewählt. Erste Resultate folgen aber erst in zwei bis sechs Wochen. Sieben der zwölf Millionen Wähler schritten zur Urne, sogar zweieinhalb Millionen mehr als bei den Wahlen von 2009 als Hamid Karzai im Amt bestätigt wurde, der am 4. Dezember 2001 in der Afghanistan-Tagung auf dem Petersberg bei Bonn zum Präsident der Übergangsregierung gewählt worden war. Die neue Verfassung und seine Wahl zum Präsidenten kamen mit 55 Prozent der Stimmen 2004. Die Stimmauszählung wird nun international überwacht, gab es doch zuvor Unregelmäßigkeiten. Immerhin: In einem der am wenigsten entwickelten Länder gelingt fast friedlich dieser Machtübergang.

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