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Mittelost im heißkalten Globalkrieg

(explizit.net) Das US-amerikanische Außenministerium, State Department hat Ägyptens „Anhänger Jerusalems“ als auswärtige Terrorgruppe auf den Index gesetzt. Ihr wird angelastet, seit 2011 Anschläge gegen Offizielle am Nil, israelische Interessen und ausländische Touristen in Kairo, auf der Halbinsel Sinai (und am Sueskanal) ausgeübt zu haben. Zudem sympathisiere die Gruppe mit al-Qaida, der sie aber nicht angehöre. Sollte dieser Verein, arabisch „Jamaat Ansar Bait al-Maqdis“, Mittel unter US-Jurisdiktion besitzen, so hieß es Mittwoch, seien diese einzufrieren. Amerikaner dürfen die Anhänger Jerusalems nicht fördern. Soviel zur Überraschung aus Washington vom 9. April, wo freilich der wichtigste Zusammenhang gar nicht erwähnt worden war.

(explizit.net) Das US-amerikanische Außenministerium, State Department hat Ägyptens „Anhänger Jerusalems“ als auswärtige Terrorgruppe auf den Index gesetzt. Ihr wird angelastet, seit 2011 Anschläge gegen Offizielle am Nil, israelische Interessen und ausländische Touristen in Kairo, auf der Halbinsel Sinai (und am Sueskanal) ausgeübt zu haben. Zudem sympathisiere die Gruppe mit al-Qaida, der sie aber nicht angehöre. Sollte dieser Verein, arabisch „Jamaat Ansar Bait al-Maqdis“, Mittel unter US-Jurisdiktion besitzen, so hieß es Mittwoch, seien diese einzufrieren. Amerikaner dürfen die Anhänger Jerusalems nicht fördern. Soviel zur Überraschung aus Washington vom 9. April, wo freilich der wichtigste Zusammenhang gar nicht erwähnt worden war.

Die Hauptsache ist: Jener Terrorverein gilt als einer von vielen Zweigen der ägyptischen Muslimbruderschaft. Gegen sie liegen Kairos Interimsregierung unter Adli Mansur und Ex-Verteidigungsminister Abd al-Fattah as-Sisi im titanischen Ringen. Dieser Kampf, der nach dem Sturz des Präsidenten aus den Reihen der Muslimbrüder – Muhammad Mursi – durch eine Coupvolte vom 1. bis 3. Juli 2013 vollends entbrannte, durchzieht heute viele Länder in Amerika, Mittelost und Europa. Zunächst zurück zu jenem verbotenen Verein.

Totentempel

Vermutlich etablierten sich die Anhänger Jerusalems nach der Kairiner Revolte vom 25. Januar 2011, die Präsident Husni Mubarak stürzte, aber dessen Regime weithin in Takt ließ. Immerhin entstanden plötzlich viele Sicherheitsschwächen. Dies ergab neue Wege für Islamisten. Hinter dem Punkt Jerusalem im Namen schwebt die Idee, die Länder um die al-Aqsa Moschee von „Ungläubigen zu befreien.“ Im Leitspruch des Vereins wird die Aussage getroffen, dass dessen Anhänger Andersgläubige solange töten, bis es keinen Bruderzwist mehr gibt und sich alle Welt der einen Religion unterwirft. Meist wird dieser Ansatz bei sunnitischen Salafisten verortet, die sich völlig dem Jihad verschrieben haben.

Angeblich gebildet durch den nun einsitzenden Vizechef der Muslimbrüder, Khairat ash-Shatir, sammelten sich Anhänger Jerusalems in der Sinai-Halbinsel und Sueskanalzone. Dort verübten sie Anschläge auf Erdgasleitungen Ägypten-Israel, israelische Grenzer, Polizisten in al-Mansura zu Weihnachten und am 16. Februar auf einen Bus in Taba mit südkoreanischen Touristen mit der Maßgabe, alle Reisenden mögen Ägypten verlassen. Diese Drohung gegen ausländische Besucher war öfters in den 1990er Jahren ein Mittel der Muslimbrüder. Hier ragte das grausige Massaker von Luxor am 17. November 1997 hervor, wo der Totentempel der Hatschepsut in Dair al-Bahri jährlich Tausende anzieht.

Manhattan

In Luxor töteten die Terroristen des von Muslimbrüdern abgespaltenen Vereins al-Jamaa al-Islamiyya 62 Menschen, darunter 36 Schweizer und vier Deutsche. Die Europäische Union führt diesen Verein auf ihrem Terrorindex, zumal er durch die Nähe zum Prediger Umar Abd ar-Rahman auffiel, der mit für die Anschläge auf New Yorks Zwillingstürme 1993 angeklagt und verurteilt wurde. Er verbüßt seit 1996 eine lebenslängliche Haftstrafe in Amerika. Die Attentäter vor dem Tempel der Hatschepsut forderten gleichwohl dessen Freilassung. Die Methoden der Muslimbruderschaft und ihrer Zweige haben sich wenig verändert. Um so eigener war es, dass die Obama-Administration diese seit der Lotusrevolte legitimiert hat.

Moskau

Mehr noch. Als Mursi seine (einjährige) Amtsperiode in Kairo antrat, lief die Hilfe aus Washington weiter. Umgekehrt, als eine populäre Bewegung ihn gestürzt hat, zeigte sich die amerikanische Administration nicht nur überrascht, sondern wenig bereit, die durch Verteidigungsminister as-Sisi abgestützte Interimsregierung zu akzeptieren. Nun sah die Administration in der neuen Macht stets Demokratiedefizite. Vor allem verwehrte sie die Waffenzufuhr. Das forderten zudem Senatoren Patrick Leahy und seine republikanischen Kollegen John McCain, Lindsey Graham und Rand Paul. All dies geriet zum Fehlschlag.

Darauf reiste as-Sisi nach Moskau. Er traf Waldimir W. Putin am 13. Februar und bejahte den Waffenkauf für zwei Milliarden Dollar. Ägypter wollten nicht in den Kalten Krieg zurück, sagte Außenminister Nabil Fahmi. Als aber sein Amtskollege Kerry am 12. März as-Sisi in Kairo traf, kam heraus, dass Washington die Bitte nach dringender Lieferung von zehn Apache-Hubschraubern für Antiterroraktionen auf Sinai schon abgelehnt hatte.

Die Militärhilfe, das Meiste der 1,6 Milliarden Dollar im Jahr, sei seit Oktober blockiert. Kairo betonte zuvor, es wende sich gegen die fragliche Jamaat Ansar Bait al-Maqdis oder Anhänger Jerusalems in Sinai, bis zu 2.000 Jihadis, die mit der al-Qaida verbündet seien. Aber Ägypter, so das Blatt Al-Ahram, verstünden kaum, warum diese Helikopter nicht geliefert wurden: Washington würde damit Anhänger des gestürzten Mursi-Regimes und der Muslimbruderschaft unterstützen. Hingegen betonte das Weiße Haus, die Hilfe für Sicherheit und Gegenterror fortzuführen, was indes nicht geschah. Daher kam der Schritt am 9. April, plötzlich die Anhänger Jerusalems auf den Terrorindex Amerikas zu setzen, ein wenig überraschend, richtet sich Washington damit indirekt gegen die Muslimbrüder.

Indes traf am Freitag, den 11. April, eine 19-köpfige Militärdelegation aus Moskau in Kairo ein. Laut Medien hätten die Ägypter um Militärausrüstungen gebeten, um auf der Sinai-Halbinsel gegen die dortigen Islamisten Herr der Lage zu werden. Ferner sei die Lieferung eines zweiten Forschungsreaktors (!) sowie von flüssigem Erdgas aus Russland im Gespräch. Sieht man, wie sich Putin die Krim einverleibt hat und nach der östlichen Ukraine greift, so entstehen in der Tat altneue Fronten in Mittelost und Osteuropa, nun in dem heißkalten Globalkrieg mit transnationalem Terror. Westliche Führer versagten, von Barack H. Obamas Fehlpolitik mit Muslimbrüdern bis hin zur enormen Abhängigkeit von den russischen Kohlenwasserstoffen Europas am Ende der Regierung Gerhard Schröders.

Präsidialwahlen

Abd al-Fattah as-Sisi ist nicht mehr Verteidigungsminister, seitdem er in Präsidialwahlen kandidiert. Bewerber schreiben sich vom 1. bis 20. April ein. Wahlen folgen am 26 Mai, falls nötig, Stichwahlen am 16. Juni. Zugleich sind am 3. April Strafen für Terrordelikte verschärft worden. Der Nilstaat kommt nicht zur Ruhe. Das betrifft auch Studierende an Universitäten, wo es fast täglich Zwiste mit der Polizei gibt und Bomben explodierten. Eine Gruppe „Ägyptens Soldaten“, Ajnad Misr, bekannte sich seit Jahresbeginn öfter zu solchen Angriffen. Angeblich kooperieren sie mit den Anhängern Jerusalems auf Sinai.

Daneben treten „Studenten gegen den Coup“ als Mursis Anhänger auf. Großbritanniens Premier David Cameron wies an, bis Mitte Juli die Muslimbrüder untersuchen zu lassen. Man habe in ihrer Bewertung nicht mit der Zeit standgehalten. Will London sie etwa verbieten lassen?

<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>



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