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Ökologische Landwirtschaft, um wieder Bauer sein zu können

Die Frage ob Öko- oder konventionelle Landwirtschaft wird oft in Fragen des Umweltschutzes oder Tierwohls diskutiert. Darunter liegt eine tiefere Ebene, die das Selbstverständnis, das Verhältnis zur Natur, sogar die Spiritualität eines Bauern bestimmt. Ökolandwirte entziehen sich einer Fremdbestimmung.

Die Strukturen der Landwirtschaft sind fremdbestimmt

Die als konventionell bezeichnete Landwirtschaft, wie sie heute in Deutschland ausgeübt wird, ist kaum durch die Landwirte selber definiert. Gesellschaftliche Stakeholder und wirtschaftliche und politische Zwänge definieren sie zuvorderst. Nur ganz große und kapitalstarke Landwirte können sich dem entziehen.
Ein landwirtschaftlicher Arbeitsplatz benötigt im Vergleich zu anderen Branchen mit den höchsten Kapitaleinsatz, der sich aus dem Wert des Bodens, der Gebäude, der Maschinen, des Saatgutes ergibt. Will der Landwirt Kapital leihen ist er, wenn er staatlich begünstigte Konditionen will, monopolartig auf staatsnahe Banken wie die landwirtschaftliche Rentenbank bzw. bei den Retail-Instituten auf die Raiffeisenbank verwiesen.

Die Normierung der Produkte und Verfahren

Der Landwirt erhält sein laufendes Einkommen aus zwei Quellen. Den staatlichen Zuschüssen und dem Ertrag seiner Produkte oder Dienstleitungen. Entscheidend und kennzeichnend für konventionelle Landwirtschaft ist eine enge Normierung und Führung der Produkte und der Verfahren – durch die Förderrichtlinien. Nur was als „best practice“ gilt, wird direkt durch die Ämter für Landwirtschaft gefördert bzw. sind absetzbar am Markt mit seiner Nachfrage nach wenigen spezifischen Produktengen. Dabei wird sehr tief in die einzelnen Abläufe der Arbeit des Landwirts eingegriffen. Von der Vorgabe, sich unter dem unsäglichen Spruch „Wachsen oder weichen“ zu vergrößern, über die empfohlene Maschine bis zum „alternativlosen“ Hybrid – also nicht nachbaufähigen – Saatgut, oder der „Vorgabe“, welches Produkt in der jeweiligen Gegend anzubauen Sinn macht. Der Landwirt mutiert zum Auftragsnehmer oder Sublieferanten eines landwirtschaftlichen Masterplans, der die „gute landwirtschaftliche Praxis" abbilden soll. Durch diese Fremdbestimmung wird die Kritik an den Bauern heraufbeschworen.

Politik definiert Landwirtschaft

Die Politik hat wie in wenigen Bereichen – ähnlich vielleicht bei der Kindererziehung – direkten Zugriff auf die Landwirtschaft und wie diese auszusehen hat. Mit dem Begriff „anerkannte landwirtschaftlich Praxis“ kann direkt die Betriebsführung beurteilt und sanktioniert werden. Ähnliches bewirken die umfangreichen Compliance Vorschriften bei der Gewährung von Fördergeldern. Auch die Nutzung von massiv in die Natur einwirkenden Mitteln wie Glyphosat wird so mit der Begründung erlaubt, sie wären für diese anerkannte Praxis notwendig.

Der Landwirt als notwendige, aber ungeliebte „persona non grata“

Politik weist dem Landwirt eine Funktion zu. Er soll Lebensmittel zu günstigen Preisen und in ausreichendem Maße produzieren. Ob dem Landwirt das Umfeld und die Rahmenbedingungen gefallen, ist ohne Bedeutung. Aus ökonomischer Sicht muss der Landwirt dieses Umfeld ausreizen und ausnützen. Würde er einen besseren Schutz von Gewässern betreiben oder den Nitratdüngung reduzieren oder auf Verzicht auf Glyphosat verzichten, würde ihn das hinter die Mitbewerber oder Mitlandwirte zurück. Er wird es deswegen nicht tun. Kritisiert die Zivilgesellschaft die Methoden, spricht ihn die Politik in dieser Arbeitsteilung frei. Die Verachtung der Gesellschaft behält er.

Ökoverbände definieren selber was ein Landwirt ist

Der entscheidende Punkt, warum Ökoverbände so erfolgreich sind ist: Sie haben diese Definitionsgewalt der Politik und der Behörden, was ein Landwirt sein soll, in Teilen „zerschlagen“. Bioland hat seine Mitglieder ein eigenes Regelwerk aufgestellt. In diesem legen sie selber die Methoden, der „best practice“ und Produkte ihres Landwirtseins dar. Und unter dieser Marke vertreiben sie ihre Produkte. Die Kooperation von Bioland mit Lidl sowie die Diskussionen dazu zeigen dies sehr gut. Was Bauer ist und was er für die Gesellschaft leisten soll, bestimmt also nicht die Politik.
Wenn Politik z.B. meint, dass Landwirte billigstes Schweinefleisch produzieren sollen, würde das bei kompletter Ökolandwirtschaft nicht möglich sein. Die dafür notwendige Art, Schweine zu halten, ist nicht mit der Weise vereinbar, wie ein Ökolandwirt arbeitet. Die Gesellschaft müsste dann nachdenken, ob man ein solches Produkt wirklich braucht.

Es geht um Spiritualität

Mein erstes Unwohlsein trat als Kind auf, als wir eine konventionell betriebene Landwirtschaft hatten. Rinder wie üblich in Bayern im Anbinde-Stall zu halten, ist erschreckend und zerstört die Spiritualität. Ein anderes Vorgehen war laut üblicher Praxis nicht machbar. Absolution durch Staat oder Kirche zu solcher Praxis gehen nicht nur bei Kindern ins Leere.

Fast alle Ökolandwirte, die ich in den letzten Jahrzehnten traf, haben sich dem ökologischen Anbau verschrieben, weil sie nicht ein Landwirt sein wollten, der durch jemand anderen definiert wird. Der Kommentar eines sehr alten Bauern dazu: „Entweder so ein Bioland-Landwirt oder keiner“


Kategorie: Monatsthema

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