Lesen ist weiterhin eines der beliebtesten Freizeitaktivitäten der Deutschen.
Der Aufwärtstrend beim (digitalen) Lesen, der bereits bei der Frankfurter Buchmesse 2023 zu verzeichnen war, hält an. Nach der Corona-Pandemie waren die Buchhandlungen zuletzt wieder voll. Und der Aufwärtstrend breitete sich auch auf das Zeitungswesen aus, dessen Online-Auflagen steigen.
Laut „Börsenblatt“ gaben 2023 unter der volljährigen Deutschen 36 Prozent an, „wenigstens einmal pro Woche ein Buch zu lesen“. Das ist ein Prozentpunkt mehr als im Zehnjahres - Vergleichsjahr 2013. „Mindestens einmal pro Monat greifen 55 Prozent der Deutschen zum Buch, mindestens einmal im Jahr 71 Prozent.“
Der Branchenverband „BITKOM“ veröffentlichte im Oktober 2023 diese Zahlen zum Online-Lesen: „Mehr als ein Drittel (36 Prozent) liest zumindest hin und wieder E-Books. Jede und jeder Zehnte (10 Prozent) liest sogar überwiegend E-Books, 15 Prozent der Deutschen greifen zu gleichen Teilen zu digitalen und gedruckten Büchern, und 11 Prozent lesen zwar auch E-Books, greifen aber häufigen zu gedruckten Exemplaren.“
Und der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e.V. (BDZV) sieht das digitale Lesen auf dem Vormarsch. In einer Meldung vom 26.01.2024 heißt es: „1,69 Millionen digitale Zeitungsexemplare - und damit weit mehr als die Hälfte aller Verkäufe - werden im regelmäßigen Abonnement bezogen. Das ist ein Plus von 9,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und zeigt, dass die digitale Lektüre für immer mehr Leserinnen und Leser zur Gewohnheit wird.“
Und im Punkto Künstliche Intelligenz (KI) gegen Mensch sieht eine Studie der BSI Group die Gunst der Leser:innen klar auf der Seite der humanoiden Journalist:innen: "So sinkt die Bereitschaft, für Online-Nachrichten zu zahlen, um 30 Prozent, wenn KI zur Recherche, Aufbereitung oder Erstellung von Nachrichten verwendet wird." Ansonsten ergibt die Untersuchung der BSI Group eine weitere erstaunliche Zahl: "10,24 EUR würden die User freiwillig für ein digitales Monatsabo zahlen" (aktuell liegt der durschnitte Abo-Preis laut DJV bei 17,38 EUR). Voraussetzung für die Zahlungsbereitschaft der Leser:innen: "Alle Inhalte sind von Journalistinnen und Journalisten erstellt. Kommt KI zum Einsatz, sinkt die Zahlungsbereitschaft um bis zu 35 Prozent."
Im „Land der Dichter und Denker“ wird das Lesen neu entdeckt
Egal, ob gedrucktes Buch, E-Book oder Hörbuch. Die Zahl der Leser:innen nimmt in Deutschland wieder zu. Im „Land der Dichter und Denker“ wird das Lesen neu entdeckt: Lesen 2.0.
Für eine Info wird auf den Websites der Medien „gegoogelt“ oder in den digitalen Versionen von Büchern und Zeitschriften nach Infos „gescannt“. Wenn es dagegen tiefer gehen soll, wird ein Hörbuch gestartet und Leser:innen greifen – weiterhin oder wieder – zum gedruckten Buch. Die Formen des (digitalen) Lesens wachsen und wir Medienschaffende sollten sich von der veralteten Denkweise: „Nur Gedrucktes ist Triebfeder der menschlichen Zivilisation“ verabschieden.
Das ist eine gute Nachricht, besonders für den Journalismus – der erst durch die Digitalisierung, dann dem starken Anstieg der Druckkosten nach der Covid-Pandemie und zuletzt durch automatisierte Texterzeugung durch künstliche Intelligenz (KI) - stark unter Druck geraten war. Stellenabbau und Tarifflucht war die negativen Folgen. Zeitgleich sank das Ansehen von Journalist:innen bei den Leser:innen und die Funktion der Medien als „vierte Gewalt im Staat“ geriet ins Wanken, da die verbliebenen Medien in der Hand weniger Konzerne sind. Gerade der Lokaljournalismus ist „ausgeblutet“ und in vielen Städten und Kreisen gibt es keine Medienvielfalt mehr.
Lesen 2.0 bringt neue Chancen für den Journalismus
Aber: In der Masse der durch ChatGPT & Co. erzeugten Texte wird sich der „handgemachte“ Qualitätsjournalismus durchsetzen und das gedruckte Buch zum „Premium“-Produkt werden. Im Alltag werden E-Books und Hörbücher die gedruckten Zeitungen, Magazine oder Büchern „ablösen“. Aber das sollte Journalist:innen und Autor:innen nicht schrecken, im Gegenteil!
Denn Lesen 2.0, das vorwiegend digital oder über die Ohren konsumiert werden wird, bietet neben Herausforderungen (die Zeit für „deep reading“ ist bei E-Books / Hörbüchern geringer als bei gedruckten Büchern) auch Chancen. Denn neue Medienformate erschließen neue Zielgruppen.
Zudem werden die Kosten für Layout, Schnitt und Distribution von E-Books und Hörbüchern – stark beschleunigt durch Tools mit Künstlicher Intelligenz – weiter sinken. Dies macht Ressourcen frei, die der/die menschliche Journalist:in und Autor:in in die – KI- unterstütze – Recherche und vor allem – die weiterhin KI-freie – Erstellung von Texten investieren kann. Zudem werden KI- Tools die Medienschaffenden dabei unterstützen, ein digitales Buch in eine andere Sprache zu übersetzen sowie eine Mediengattung (z.B. Text) in eine andere (z.B. Audio) zu übertragen.
Zugleich können die Medien – durch eine Verschmelzung von multimedialen Medienformaten und Social Media – wieder ihre Stärken ausspielen: Die Welt erklären und die Leser:innen zu mündigen Bürger:innen machen, die Medien als wichtiges Demokratie-Werkzeug ansehen.
Digitalisierung und künstliche Intelligenz werden neue – internationale - Zielgruppen erschließen und gleichzeitig die Macht der Verlage – als Gatekeeper für die Medien-Distribution – brechen.
Dies wiederum wird dem journalistischen Nachwuchs zugutekommen. Dafür benötigen wir aber gut aus- und fortgebildete Medienschaffende, unabhängige Medien sowie einen Mindestlohn für
Internetworker:innen. Dann kann Lesen 2.0 zum „Rettungsanker“ für den Journalismus werden.
Christian Schnaubelt
(Chefredakteur und Herausgeber von kath.de)
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!