Foto: Christian Schnaubelt

Wahrheitssuche braucht unabhängigen Journalismus

Das Rücktrittsangebot von Kardinal Marx an diesem Freitag hat ein Erdbeben in der katholischen Kirche ausgelöst. Gleichzeitig zeigt die Causa, warum – unabhängiger – Journalismus so wichtig ist. Ein Kommentar zur Rolle der Medien bei der Suche nach der Wahrheit.

Die Presse hat auch die Aufgabe, das Gras zu mähen, das über etwas zu wachsen droht.“ (Alfred Polgar)

Der Freitag nach Fronleichnam in München war auf verschiedenen Ebenen besonders, auch in kommunikativer Hinsicht. Kardinal Marx ist mit seinem Rücktrittsangebot an Papst Franziskus gelungen, was in der Medienbranche „Agenda Setting“ genannt wird. Dabei geht es darum, ein Thema zu besetzen bzw. die öffentliche Debatte auf ein Thema zu lenken. Kardinal Marx lenkt den Blick auf die Frage nach der persönlichen Verantwortung für institutionelles Handeln sowie auf den Reformstau in der Kirche. Kardinal Marx‘ Brief an Papst Franziskus (Link zum Volltext siehe unten) kann einerseits als öffentliches Schuldgeständnis und andererseits als ein Weckruf sowohl an seine „Mitbrüder im Amt“ als auch an die Mitglieder des „Synodalen Weges“ gedeutet werden: Es ist fünf vor Zwölf. Dies verdeutlichte insbesondere das an Alfred Delp angelehnte Zitat Marx von der Kirche an einem „toten Punkt“.

Auch wenn Kardinal Marx betonte, dass die Entwicklungen der letzten Wochen für seine Entscheidung nicht so ausschlaggebend gewesen seien, werden der öffentliche Druck und der Ruf nach Reformen, u.a. von der Initiative „Maria 2.0“ und vom BDKJ-Bundesverband, nicht ohne Wirkung gewesen sein. Denn die immer noch ausstehende Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs, bei der die „Causa Woelki“ nur die Spitze des Eisbergs darstellt, sowie die Verlautbarung zur (Nicht-) Segnung gleichgeschlechtlicher Paare aus Rom haben die öffentliche Debatte zuletzt stark beherrscht. Die Kirche steht mit dem Rücken zur Wand.

Auch die Entscheidung des Vatikans in dieser Woche, das kirchliche Strafrecht (CIC) in Fällen von sexuellem Missbrauch zu verschärfen, konnte daran nicht viel ändern. Zwar wurde der Schritt in Deutschland begrüßt, aber auch als „zu spät“ und „halbherzig“ kritisiert. So wies die Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP) darauf hin, dass kirchliche Prozesse auch weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. „Zu einer guten Rechtskultur gehört ein transparentes und nachvollziehbares Verfahren“, betonte der Vorsitzende Joachim Frank in einem Statement auf www.gkp.de. Der berechtigte Einwand macht umso mehr deutlich, dass nur absolute Transparenz und (unabhängiger) Journalismus dafür sorgen können, dass die Wahrheit öffentlich und vor allem auch wirklich den Opfern gerecht wird.

Auch die (kath.) Kirche muss erkennen, dass sie – anders als zuletzt im Erzbistum Köln – den Medien und der öffentlichen Meinung die Deutungshoheit über die Inhalte gewähren muss und nicht „vordiktieren“ bzw. „selektieren“ darf. Gerade den „unbequemen“ Nachfragen und Recherchen von Journalistinnen und Journalisten ist es zu verdanken, dass in Köln und anderswo einige Informationen erst ans Licht gekommen sind.

Die Rolle der Medien als „vierte Gewalt“ kann nur ausgeübt werden, wenn die Medien „ungefilterte“ Informationen erhalten sowie „unabhängig“ und „frei“ agieren können. Dann kann ihnen auch gelingen, die Kirche und andere Institutionen bei der Suche nach der Wahrheit zu unterstützen. Kardinal Marx verwies in seinem Statement ausdrücklich darauf, dass Nachfragen von Journalistinnen und Journalisten aus Deutschland und Amerika zu seiner Entscheidung beigetragen haben.

„Unsere Verantwortung ist es, nicht gegen die Wahrheit zu handeln, sondern jederzeit für die Wahrheit einzustehen.“ (2Kor 13,8)

Christian Schnaubelt (CS)
Redaktionsleiter explizit.net
Vorsitzender publicatio e.V.

Weiterlesen:
Kardinal Marx‘ Brief an Papst Franziskus, dokumentiert auf https://www.erzbistum-muenchen.de/news/bistum/Kardinal-Marx-bietet-Papst-Franziskus-Amtsverzicht-an-39545.news


Kategorie: Medien Kirche

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