3 Fragen an... - Interview mit Prof. Andreas Büsch von der Clearingstelle Medienkompetenz der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Der Mitautor des Thesenpapiers zu Digitalität und KI stellt sich im Nachklang der Tagung "Kirche im Web - #kiw21" den Fragen der explizit.net-Redaktion.
Das Thesenpapier wurde im November 2020 in der Publizistischen Kommission (PK) der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) verabschiedet. Die 12 Thesen zu Digitalität und KI gehen auf eine Initiative von Beraterinnen und Berater der PK im Jahr 2018 hervor und wurde maßgeblich durch die Expertinnen- und Expertengruppe Social Media der PK erstellt. Ebenfalls beteiligt war der Bereich Pastoral der DBK.
Welches sind aus Ihrer Sicht die größten Chancen und Herausforderungen beim Thema Digitalität und Künstliche Intelligenz?
Wie Bischof Fürst in seinem Vorwort zum Thesenpapier „Digitalität und Künstliche Intelligenz: Technik im Dienst des Geist-begabten und Selbst-bewussten Menschen“ schreibt, muss „Kirche wenigstens grob verstehen, was technisch passiert und wie sich diese Phänomene auf Gemeinschaft und Fortschritt … auswirken“. Denn Digitalität als kulturelle Veränderung geht ebenso wie die immer weiter fortschreitende Entwicklung von KI alle Menschen an – und damit gehen diese Themen auch Kirche etwas an, und zwar in allen Bezügen, nicht nur im Blick auf Medien- und Öffentlichkeitsarbeit! Und damit ist meines Erachtens auch schon eine ziemliche Herausforderung angesprochen: auch kirchlich wirkt sich der Corona-bedingte Digitalisierungsschub aus, aber bis Kirche wirklich in einer Kultur der Digitalität ankommt, herrscht noch eine Menge „Luft nach oben“.
Dabei ist das Themenfeld Digitalität und KI höchst ambivalent, da einerseits immense Chancen in den Entwicklungen stecken, keines der zahlreichen Teilthemen für sich aber schon eine Lösung bietet. Zum Beispiel können Algorithmen zweifelsfrei viel leisten, aber sie bedürfen eben auch einer kritischen Interpretation, da sie keine objektiven Informationen oder „richtige“ Ergebnisse liefern können. Das ist uns allen vermutlich im Alltag viel zu wenig bewusst – hat aber immense Tragweite, wenn Algorithmen darüber entscheiden, ob jemand eine Stelle bekommt oder nicht. Nach Auffassung der Autor:innen des Thesenpapiers darf es daher keine ADM (algorithmic decision making, algorithmische Entscheidungsfindung) geben, bei der Maschinen Menschen bewerten.
Welchen Beitrag kann bzw. sollte die katholische Kirche in der Debatte leisten? Könnte es dazu beispielsweise einen Themenschwerpunkt beim Katholikentag 2022 in Stuttgart geben?
Das ist genau der Punkt, an dem die katholische Kirche eine anwaltliche Funktion übernehmen sollte: mit Blick auf die Menschenwürde immer wieder die Prinzipien der katholischen Soziallehre in den Diskurs zur gesellschaftlichen Entwicklung einzubringen und sich auch in den Kontakten zur Politik für Regulierungen einzusetzen, die Freiheit in Verantwortung auch weiterhin sicherstellen.
Dazu muss Kirche natürlich einerseits sprachfähig und andererseits auch sachlich kompetent sein – und das kann nur funktionieren, wenn sie auch „mutige und authentische Akteur:innen, die agieren und nicht nur reagieren“ hat, wie es im Thesenpapier zu Digitalität und KI unter der Überschrift „Neugier und Verstehen wollen sind wichtig“ heißt.
Tatsächlich sind diese Themen in der Vorbereitung des Katholikentages 2022 in Stuttgart im Kontext von gesellschaftlicher Verantwortung nach meiner Kenntnis durchaus auf dem Schirm – wir dürfen auf interessante Veranstaltungen gespannt sein.
Welche Chancen sehen Sie für eine ökumenische Initiative von DBK und EKD zum Themenbereich (z.B. beim Ökumenischen Kirchentag 2021?)?
Für den Ökumenischen Kirchentag 2021 gab es sogar einen eigenen Themenbereich „Digitale Gesellschaft“, an dessen Vorbereitung ich auch mitwirken durfte. Und es wäre ein hochspannendes Programm in den drei Tagen in Frankfurt geworden, das viele Facetten und Teilbereiche von Digitalität in den Blick genommen hätte. Leider ist mit der Umwandlung in eine deutlich reduzierte Zahl von Online-Veranstaltungen nun etliches in die Schubladen gewandert – aber das kann ja dann vielleicht in Stuttgart wieder aufgegriffen werden.
Dabei gibt es auch abseits dieser publikumswirksamen Großveranstaltungen eine Reihe von ökumenischen Kontakten und Gesprächen auf unterschiedlichen Ebenen, die Erfahrungsaustausch und Transfer zwischen vielen Projekten ermöglichen. Und bei der Fachtagung „Kirche im Web 2021: Netz gestalten. Die Rolle der Kirchen in der digitalen Gesellschaft“ haben sich am 12. März 2021 Vertreter der Evangelischen wie der Katholischen Kirche deutlich für mehr ökumenische Zusammenarbeit und gemeinsame Projekte ausgesprochen. Denn wir können angesichts der Entwicklungsdynamik bei digitalen Themen nur gewinnen, wenn wir von- und miteinander lernen und gemeinsam nach guten Lösungen für kirchliche Handlungsfelder suchen.
Vielen Dank für das Interview.
Das Interview wurde am 20. März 2021 geführt von Christian Schnaubelt
(freier Journalist und Ressortleiter Kirche und Medien bei explizit.net).
Das Thesenpapier "Digitalität und Künstliche Intelligenz: Technik im Dienst des Geist-begabten und Selbst-bewussten Menschen" kann hier als PDF heruntergeladen werden.
Weitere Informationen zur Tagung "Kirche im Web" gibt es auf www.kirche-im-web.net.
Aufmacherfoto: Gerd Altmann / pixabay
Foto Prof. Büsch: Sascha Draheim / Clearingstelle Medienkompetenz
Dieses Interview ist ein Beitrag des publicatio e.V. - Monatsthemas "Kirche + Medien".
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