Am 11./12. März trafen sich 110 Medienschaffenden der evangelischen und katholischen Kirchen zur Jahrestagung „Kirche im Web“, die 2021 erstmals rein online tagte. Beim „Klassentreffen“ #kiw21 stand die Frage im Mittelpunkt, ob die Kirchen die digitale Gesellschaft (mit)gestalten können? Ein Kommentar zu den Chancen und den Herausforderungen von #digitalekirche – heute und Morgen.
Agieren die Kirchen noch amateurhaft im Web?
Ja, zumindest wenn man die Meinung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung „Kirche im Web“ zu Rate zieht. Bei einer spontanen Umfrage ordnete die große Mehrheit im Dreiklang „Amateur – Fortgeschritten – Profi“ die aktuelle Situation von #digitalekirche im Bereich „Amateur“ ein.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Ohne Amateure geht es nicht. Und Amateure sind oft viel stärker mit Herz und Seele dabei als die hoch bezahlten Profis. Trotzdem kämpft jeder Amateurin oder Amateur darum besser zu werden. Da sollten sich die Kirchen als Vorbild nehmen und mit mehr Mut im Web und in den sozialen Netzwerken investieren und auszuprobieren oder einfach zulassen.
Verändert Corona das digitale Bild der Kirche?
Auch hier lautet die Antwort: Ja. Auf die Frage „Hat sich die Medienarbeit der Kirchen während der Corona verbessert?“ antworteten zwei Drittel mit „positiv“, wenige mit „negativ“ und ein Drittel „neutral“. Natürlich war diese keine „repräsentative Umfrage“, aber eine Stichprobe oder ein Stimmungsbild von der „digitalen Basis“ in der evangelischen und der katholischen Kirche.
Der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, griff bei der #kiw21 – Podiumsdiskussion am 12. März ebenfalls die Frage auf und kam zu folgendem Ergebnis: Durch Corona sei die mediale Präsenz von Kirche gesteigert worden. Das Nachrichtenportal katholisch.de zitiert Matthias Kopp dabei mit den Worten „Ich möchte die Digitalisierung nicht seligsprechen, aber Corona hat uns in die Digitalisierung geworfen.“ (> https://www.katholisch.de/artikel/29048-internet-experte-kirche-soll-digitalisierung-der-gesellschaft-foerdern). Und weiter: Bei der DBK, die erst seit 2020 mit eigenen Social Media Kanälen online präsent ist, habe er gelernt, „dass Kirchen im Internet keine Meinung bestimmen können, sondern in der derzeitigen Situation vor allem reagieren müssen.“
Und sie bewegt sich doch
Das sich in den letzten zehn Jahren schon Einiges im Bereich #digitalekirche bewegt hat, betonte Ariadne Klingbeil. Die Geschäftsführerin der MDG Medien-Dienstleistung (MDG) berichtete von ihrer mehrjährigen Auswertung der digitale Präsenz der evangelischen und der katholischen Kirche anhand von Facebook und Twitter. Ihr Fazit: „Auch für Kirche und Religion gilt: Was online nicht vorkommt, das gibt es für viele Menschen auch nicht.“
Eine Ansicht, die der CDU-Politiker und bei Twitter und Facebook sehr aktive ehemalige Bundes-tagsabgeordneter Ruprecht Polenz beim abendlichen #kiw21 – Kamingespräch bestätigte. Er kritisierte, dass er von Kirche wenig mitbekomme. „Kirche ist schon im Internet zu finden“, konterte Matthias Kopp am nächsten Tag, werde aber auch zu wenig rezensiert, wie Journalist Felix Neumann betonte.
„Kirche wird wahrgenommen, auch digital“, verdeutlicht Ariadne Klingbeil mit Blick auf die Ergebnisse des „Trendmonitor Religiöse Kommunikation 2020 / 2021“. „Vor allem eng kirchenverbundene Katholiken haben während der Corona-Krise verstärkt digitale Angebote der Kirche genutzt“, so die MDG-Untersuchung. Als Beispiel dafür, dass es gelungen ist, analoge Prozesse digital zu „übersetzen“, nannte Ariadne Klingbeil Podcasts „Kirche zum Hören“, digitale Pilgerwege „und natürlich der Anstieg der Social Media – Nutzung“.
Bei der Online-Tagung Kirche im Web wurden im „Barcamp“ und bei den „Postersessions“ weitere Beispiele gelungener digitalen Kommunikation der Kirchen vorgestellt. Die Clearingstelle Medienkompetenz der Deutschen Bischofskonferenz hob bei ihrem #kiw21 – Rückblick (https://medienkompetenz.katholisch.de/kirche-im-web-das-netz-gestalten/) die Projekte HOLY BLOCKS (https://holyblocks.de/) und das evangelische Contentnetzwerk Yeet (https://yeet.evangelisch.de/) hervor.
Kirche braucht digitale „Antreiber“
Das Netz brauche digitale „Antreiber“, darin waren sich Christian Sterzik von der EKD und Matthias Kopp von der DBK bei der #kiw21 - Podiumsdiskussion unter Moderation von Sabine J. Winkler einig. Kopp lobte das digitale Engagement des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDK) beim #SynodalerWeg und der kirchlichen Hilfswerke, wie misereor und missio, im Einsatz für das #Lieferkettengesetz hervor. Beide Beispiele zeigen aus Sicht des Autors, dass „agenda setting“ auch durch kirchliche Player in der digitalen Gesellschaft möglich ist.
„Mehr Geld und Zeit in die Digitalisierung investieren“
Diese Forderung nannte Markus Beckedahl, Chefredakteur von netzpolitik.org, bereits in der Eröffnungs-Keynote der Tagung #kiw21. Als Beobachter von außen betonte der Netzexperte: „Ihr habt die Chance etwas Gutes das Gemeinwohl zu tun“, zitiert das Nachrichtenportal katholisch.de (https://www.katholisch.de/artikel/29048-internet-experte-kirche-soll-digitalisierung-der-gesellschaft-foerdern) und weiter: „Die Kirche sollte ihre politische Macht für das Gemeinwohl einsetzen.“
Eine Forderung, die sicherlich auch Prof. Andreas Büsch von der Clearingstelle Medienkompetenz der Deutschen Bischofskonferenz voll unterstützt. Im Rahmen der Tagung „Kirche im Web“ stellte er das Thesenpapier „Digitalität und Künstliche Intelligenz“ (https://medienkompetenz.katholisch.de/thesen-digitalitaet-ki/) vor. Mit zwölf Thesen möchte das Papier eine „Momentaufnahme auf die Digitalität werfen“, wie Bischof Gebhard Fürst (Vorsitzender der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz) im Vorwort betonte. Im nächsten explizit.net - Medienkommentar wird der Autor näher auf das Thesenpapier eingehen und auch einen Blick auf das Thema „KI“ bei der EKD werfen.
Ökumenisches Medienzentrum?
Vielleicht könnte ein ökumenischen Medienzentrum, in dem DBK und EKD ihre Kräfte bündeln, zu mehr Schlagweite und Beachtung der Kirchen in der (digitalen) Medienwelt führen. Ähnlich wie bei beim Ökumenischen Kirchentag (ÖKT). Eine Idee, die vorerst reine Zukunftsmusik zu sein scheint…
Weitere Informationen zur Tagung Kirche im Web 2021 gibt es auf der Website der Akademie Franz Hitze Haus (https://www.franz-hitze-haus.de/info/21-211) in Münster, welche die Tagung feder-führend mit sieben weiteren Kooperationspartnern durchgeführt hat.
Die nächste Tagung #kiw22 wird am 24./25. März 2022 in der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart (https://www.akademie-rs.de/themen/medien-und-medienpaedagogik) stattfinden.
Ein Kommentar von Christian Schnaubelt (CS)
freier Journalist mit den Schwerpunkten Kirche, Medien, Datenschutz und digitale Lebenswelten
Twitter: @cschnaubelt – Web: www.kommwirt.de
Aufmacherfoto: Gerd Altmann / pixabay
Dieser Kommentar ist ein Beitrag des publicatio e.V. - Monatsthemas "Kirche + Medien".
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