Brandenburg, Dom Foto: explizit.net

Von echter Reinheit: Der Aussätzige

Die neuere christliche Verkündigung hat ein Paradoxon aufgestellt: Einerseits wähnt sie sich gegen die bloße Äußerlichkeit pharisäischer Reinlichkeit. Andererseits trennt sie die Innerlichkeit, die Reinheit des Herzens, von der kultischen Reinheit, der Reinheit in Gemeinschaft. Jesus hat den Kult nicht abgeschafft, sondern ihn von Grund auf erneuert und erhöht

Jesus zeigt uns, wie wir vor Gott rein werden

Es sind gerade die unscheinbaren Schriftstellen, die oft den Stachel ins Fleisch drücken. Wer würde hinter einer freudig-harmlosen Wundererzählung einen erstklassigen Skandal vermuten? Ein Lepröser fällt vor Jesus nieder, bittet um sein Erbarmen, findet vor ihm Erbarmen, Jesus streckt seine Hand aus und spricht das verhängnisvolle Wort:


Ich will, sei rein! Sofort wird er zum Ex-Leprakranken. Eigentlich könnte man die Szene damit beschließen, wie im Film abblenden. Das Happy End ist ja schon geschehen.
Der Mensch, damals wie heute, ist damit zufrieden. Happy End - was wollt ihr denn noch mehr? Er übersieht den Skandal: Pharisäertum! Der Lepröse hat seine äußere Lepra abgelegt. Werkgerechtigkeit! Wär’ hier abgeblendet worden – Jesus wäre völlig überflüssig. Ein Arzt unter Ärzten. Den braucht niemand. Zum Pharisäertum braucht man keinen Christus.

Der innere Mensch

Doch Jesus gibt nach der Behandlung noch zwei Verschreibungen mit: Schnabel halten und zum Priester kriechen! – Ja, warum eigentlich? Der Mann ist doch schon gesund!? Gängelt Jesus nicht? Ist das nicht überflüssige, wirklose Quacksalberei? Zum Priester latschen für ein Attest - ist das nicht erniedrigend?
Dann hat man die Rechnung eben nur von außen betrachtet, den Priester mit dem Gesundheitsamt verwechselt. Es geht hier um ein Opfer zur Auslösung der Lepra. Die äußere Wirklichkeit wurde schon geheilt, aber die innere fehlt noch. Und dazu braucht es das Opfer. Nur im Opfer, in der Hingabe der Person durch die stellvertretende Gabe, erhält der Mensch Anteil an der Reinheit Gottes. Er gibt etwas seiner äußeren Habe, um damit seine innere Wirklichkeit, die er Gott weiht, mitzuschenken. Und der Mensch tut das nicht nach seinem Gutdünken, sondern nach der Weise, wie Gott es will. Der Mensch zeigt so, dass er Gottes Willen erfüllen will. Er gehorcht. Zwischen dem Gebot Gottes, d.h. der Opfervorschrift, und dem «Ich will, sei rein!» Jesu passt kein Blatt Papier. Denn es ist ein und dasselbe Gebot und ein und derselbe Wille Gottes!
Der Ex-Lepröse ignoriert das einfach. Ihn interessiert das Gebot Gottes nicht. Es übergeht einfach, was Gott durch Mose vorgeschrieben, noch was Jesus ihm geboten hat. Ihm geht es einzig und allein um die Äußerlichkeit. Das ist astreines Pharisäertum, reine Symptombekämpfung!
Daher fängt er auch, entgegen der Worte Jesu, zu predigen an. Das wurde ihm verboten. Mit welchem Recht tut er das? Mit keinem! Die Folge ist verheerend: Jesus wird dadurch daran gehindert, selbst zu Wort zu kommen. Die Leute belagern ihn schon. Warum kommen die Leute in Scharen zu ihm? Der Neugesunde predigt eine opferlose Heiligung: Ihr werdet rein ohne Priestertum und mosaisches Opfer. – Das klingt natürlich verlockend.
Diese Haltung nennt man auch billige Gnade. Man schenkt aus, vergisst aber dabei das wesentliche. Man beichtet, aber die Reue fehlt. Die äußere Wirklichkeit passt, aber die innere Wirklichkeit ist tot. Man geht zum Abendmahl, lebt aber in schwerer Sünde. Außen hui, innen pfui! Natürlich, die Gnade Gottes ist da. Aber sie wird nicht wirksam. Das Innere, das entscheidende Innere fehlt. Diese Gnade ist wirklich hohl, ausgehöhlt, leer. Aber das liegt nicht an Jesus, sondern an dem Aussätzigen; denn er ist in Wirklichkeit innerlich hohl, ausgehöhlt, leer

Beglaubigung der inneren Wirklichkeit

Was macht nun das Opfer anders? Warum wird durch das Opfer aus der billigen Gnade teure Gnade? Das Problem ist folgendes: Eine innere Wirklichkeit ist unsichtbar. Man sieht sie nicht. Nur indirekt kommt man ihr nahe. Man muss sie sichtbar machen. Daher braucht eine innere Wirklichkeit eine äußere Beglaubigung. Ein Beispiel: Mann hat etwas ausgefressen. Er kam sturzbesoffen nach Hause. Da er zu voll war, um das Schlüsselloch zu finden, wählte er den Noteingang über’s Fenster, was er natürlich zerdepperte. Frau fand das nicht gut. Mann bereut nun (innere Wirklichkeit) sowohl den Suff als auch die Scherben und entschuldigt sich bei seiner Frau. Frage: Was ist glaubwürdiger: Die Bitte um Entschuldigung mit Blumenstrauß (Opfer) oder ohne Blumenstrauß (kein Opfer)? Was ist noch glaubwürdiger: Ein teurer Blumenstrauß (größeres Opfer; ehrliche Reue) oder ein billiger Blumenstrauß (geringeres Opfer; Proforma-Entschuldigung)?
Das Opfer bewirkt nicht die innere Wirklichkeit. Das wäre falsch. Aber sie beglaubigt die innere Wirklichkeit. Und Gott fordert diese Beglaubigung ein. Daher heißt es auch «zum Zeugnis». Nur so kann man merken, ob es jemand ernst meint.
Der bloß äußerlich geheilte Leprakranke gibt nicht ein Zeugnis seiner inneren Wirklichkeit, sondern er predigt, das ist nur Zeugnis seiner äußeren Wirklichkeit. Er macht daher das genaue Gegenteil dessen, was Jesus will. Das ist ein falsches Zeugnis. Es bezeugt nur das halbe Happy End, nur das Pharisäertum.

Das gibt uns Anlass, über Zeugnis und Mission nachzudenken. Wie gerne berichtet man von den Wundertaten, die Gott an einem gewirkt hat. Zeugnisse gibt es davon en masse. Doch will Jesus das von uns? Was ist unser Zeugnis wert, wenn es auf dem äußerlichen Happy End beruht? - Das Erste bleibt die kultische Dimension: Zeig dich dem Priester, bringe dein Opfer dar! Werde rein vor Gott! Das will Jesus von uns. «Sei rein!» Wer ohne dieses Rezept losläuft, der erfüllt nicht den Willen Gottes.

Das Evangelium von der Heilung eines Aussätzigen findet sich bei der Abtei Beuron


Kategorie: Kirche

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