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Von der SPD lernen

Von der SPD lernen, heißt, mit Schwund zurechtkommen. Ist das nicht das Gleiche, was die Großkirchen genauso wenig können? Kann man mehr lernen, als dass sich die Schraube weiter nach unten dreht? Ein Kommentar.

 

 

 

In der Opposition Kraft finden?

Sich auf der Gegenseite der Regierung niederzulassen, heißt ja, für Wähler zu kämpfen, die von den Regierenden vernachlässigt werden. Je mehr Kraft die Opposition entwickelt, desto mehr Wähler wird sie mobilisieren. Das ist auch deshalb erfolgversprechend, weil diejenigen, die sich durch die Regierung nicht vertreten fühlen,  oft gar nicht mehr zur Wahl gehen. Damit sie wählen gehen, muss man ihnen eine Stimme verleihen. Wie das geht, hat die AFD gezeigt. Eine andere Gruppe, nämlich die Selbständigen, wollen etwas ganz anderes als die SPD. Sie wollen mehr Freiraum, Steuererleichterungen für Innovationen und Abbau der Überregulierung. Warum diese Gruppe der FDP eine Reduzierung des Staates zugetraut hat, müssen die Wähler dieser Partei sich im Nachhinein fragen. Mit der SPD als Mehrheitsbeschaffer für die CDU bekommen sie bestimmt das Gegenteil. Aber warum wählen die Unzufriedenen nicht SPD?

Es braucht eine Vision für die Wähler

Sie wählen entweder Links oder Rechts, je nach der Tendenz zu nationaler Abschottung oder internationaler Verbrüderung gegen Benachteiligung. Keine dieser Trends hat die SPD aufgegriffen noch hat sie eine eigene Zielperspektive entwickelt. Das war mit Willy Brandt anders. Er hatte zwei neue Zukunftsprojekte, mit denen er sogar die jungen Wähler ansprechen konnte: Die deutsche Teilung geschickter überwinden als durch Konfrontation sowie eine Liberalisierung der Gesellschaft. Beides konnte die FDP mittragen.
Was hat der neue Messias der SPD, der die Partei in Ekstase versetzen konnte, angeboten? Mehr Gerechtigkeit. Aber welche? Diese zu predigen, haben die Kirchen und insbesondere die Päpste sehr viel eindrucksvoller und konkreter hinbekommen. Politik muss darüber hinaus konkrete Veränderungen bewirken. Dafür werden ihr die Gesetzgebung und die Steuereinnahmen bis zur nächsten Wahl zur Verfügung gestellt. Aber welchen Druck hatte die SPD, etwas zu ändern? 

Die Volksparteien vertreten die Satten

Nicht anders als der CDU fehlen der SPD innerhalb der Partei die Mitglieder, die sich bereits zu neuen Ufern aufgemacht haben. Das liegt an einer Strategie, die im Untergrund verfolgt wird, jedoch nicht der Öffentlichkeit vermittelt wird, aber für jeden Bürger spürbar ist: Die SPD ist nicht die Partei derjenigen, die sich ausgeschlossen fühlen. Diese wenden sich der Linken oder der AFD zu. Sie ist auch längst nicht mehr die Partei der Arbeiter. Sie ist Karrierepartei. Wer Mitglied ist, kann im Öffentlichen Dienst mit schnellerer Beförderung rechnen. Diesen Filz hat Schulz der Partei nicht ausgetrieben, zumindest hat er ihr keine neuen Ziele für sein Gerechtigkeitsmantra gegeben. Einen Nerv hat er aber gerade beim öffentlichen Dienst getroffen. Denn in einer Behörde fühlt man sich ständig mit zu viel  Arbeit eingedeckt, bei Beförderungen übergangen, von den Vorgesetzten nicht genug geachtet, also ungerecht behandelt. Dieses Grundgefühl wohnt in allen von Menschen gemachten Gebilden. Aber daraus entsteht keine Aufbruchsstimmung. Die kirchlichen Verwaltungen sind ebenso immun gegen Inspiration und neigen zu einem ständigen Ausbau des Regelsystems. Behörden können eben nur verwalten. Das war mit weniger Geld bei den Volkskirchen früher anders. Weil sie sich inzwischen ebenso zu Verwaltungseinheiten entwickelt haben, wird ihr Wählerpotential immer kleiner. Wer wählt schon eine Behörde. Da die SPD, anders als die FDP, ihren Wählern allenfalls einen Ford, jedoch keinen BMW versprechen kann, bleibt dieses filzige Gefühl. Jetzt steht sie vor dem Dilemma, für ihre Mitglieder, d.h. aber für den Öffentlichen Dienst mehr herauszuschlagen oder eine halbe Opposition mit einer halben Regierungsbeteiligung zu teilen. Das kann nur zugunsten der CDU und der Grünen ausgehen, nachdem die FDP sich in die Bedeutungslosigkeit verabschiedet hat.

Zufrieden mit der Gegenwart

Früher konnte die SPD im Verbund mit den Gewerkschaften noch ein höheres Maß an Sicherheit versprechen. Es gab einen Konsum und Wohnungen mit der Neuen Heimat. Wer die Machenschaften des Coop-Managements und das Desaster mit der Neuen Heimat noch im Gedächtnis hat oder bei Wikipedia nachliest, weiß, was die sozialdemokratische Lebenswelt einmal war. Sie versprach Sicherheit, auch für stürmische Zeiten. In ähnlicher Weise hat der Katholizismus mit eigenen Schulen, Krankenhäusern, Altersheimen und auch Siedlungswerken ein Sicherheitsnetz aufgespannt, das auch der nachwachsenden Generationen Heimat versprach. Das hat man inzwischen an die Versicherungsunternehmen und die Rentenkassen delegiert und kann das alles mit der Kirchensteuer problemlos abgelten. Die SPD wie auch die katholische Kirche haben ihre Kompetenzen an staatliche Institutionen übertragen, die sie über ihre Vertretungen im Bundestag mit entsprechenden Befugnissen und Mitteln ausstatten können. So besteht SPD-Politik darin, diese staatlichen Versorgungswerke zu stützen. Andrea Nahles hat das ganz gut hinbekommen. Aber wer dankt es ihr! Wird die Bürgerversicherung die Wähler zur SPD ziehen?

Die Angst vor der Zukunft

Wie uns die Präsidentschaftswahlen in den USA vorgeführt haben, zeigen es Umfragen in Deutschland, dass Angst zu einem bestimmenden Faktor geworden ist. Die Menschen sind mit der Gegenwart eher zufrieden als dass sie diese ändern wollen. In Deutschland mehr als in den USA. Dort will man nicht nach vorne, um das Ungenügen an der Gegenwart zu überwinden, sondern zurück, so wie die Engländer, die den Brexit gewählt haben. Den Parteien in Detushcland fehlt es einfach an Vorstellungskraft, was mit der Zukunft anzufangen wäre. Am Ende wird es darauf hinauslaufen, dass die CDU mehr Sicherheit verspricht. Wie die SPD ohne einen neuen, tiefer gehenden Anlauf ihren Abwärtstrend umkehren will, ist auch Wochen nach dem Wahldebakel nicht erkennbar. Und die Großkirchen: sie sind von der Politik wohlgelitten, weil sie das System stabilisieren. In der Flüchtlingskrise haben sie gezeigt, dass sie doch sehr viel mehr Elastizität aufbringen als z.B. die aufgeblähte Berliner Verwaltung. In den Kirchen sind auchnicht die Angestellten in den landeskirchlichen oder diözesanen Behörden in die Flüchtlingslager gegangen. Wer hätte die Überstunden bezahlt und wer hätte das System aufrechterhalten. Da mussten die Ehrenamtlichen ran. Die Kirchen als in Verwaltungshandeln konvertierte Gebetsgemeinschaften haben die Orientierung an ihrem eigentlichen Ziel verloren, den Menschen auf das jenseitige Ziel hin zu orientieren. Der Glaube an die Auferstehung ist erheblich geschwunden. Warum soll man dann am Sonntag in den Gottesdienst gehen, wenn es doch nur um diese Welt geht. Da ist es zielführender, sich durch Walken oder Schwimmen gesund zu erhalten. Das verspricht auch in vielen Fällen ein besseres Gefühl als es ein Gottesdienst noch kann.  


Kategorie: Kirche

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