Lebensenergie durch Freisetzung der Sexualität
Sexualität ist eine Kraft, die in der Kultur des 19. Jahrhunderts durch Disziplin gebändigt werden musste. Was könnte diese Kraft nicht bewirken, wenn sie aus ihren Fesseln befreit würde? So etwa könnte man den Aufbruch der sechziger Jahre beschreiben, der zur Sexuellen Revolution führte. Wilhelm Reich hat diesen Zusammenhang aufgezeigt und versprochen, dass mit der Auflösung dieser Fesseln die Lebensenergie zur Verfügung steht, die zur Ausbildung in sich freier Persönlichkeiten führt. Also nicht Sexualität um der Lust Willen, sondern Lust als Indikator frei fließender Energie. Reich hat dieser Energie auch in der Natur, sogar im Weltall nachgespürt. Die Achtundsechziger haben sie in den politischen Kampf gelenkt, indem sie den Faschismus als Folge gesellschaftlicher Restriktionen erklärten. Es war kein Kampf gegen ausländische, "volksfremde" Einflüsse. Vielmehr war der Gegner die "Gesellschaft", die sich mittels Disziplinierung des Individuums schon im Kindesalter bemächtigt und seine Persönlichkeit verformt. Das, so meine Analyse, spielt sich vor unseren Augen im Synodalen Prozess noch einmal ab. Ein Indikator dafür ist das Versprechen, die Katholische Kirche gewinne wieder an Ausstrahlung, wenn sie die Einschränkung der sexuellen Energien fallen lässt. Aber war da nicht der Sexuelle Missbrauch, hatten es die Pädosexuellen damals bis in die Parteiprogramme geschafft und sind die meisten Übergriffe nicht nur zufällig in den siebziger Jahren gezählt worden? Auf der einen Seite also die restriktive Sexualmoral der Kirche. Gegen die wendet sich das Dokument der Synode und verspricht, eher unter der Hand, dass die Kirche wieder attraktiver wird, wenn sie eine neue Sexualmoral entwickelt. Aber wie ist das mit dem sexuellen Missbrauch überein zu bringen? Da war die Institution doch nicht rigide genug. Die Synode bekommt das nicht zusammen. Sie wird auch nicht danach beurteilt, ob sie endlich entschiedene Maßnahmen zum Schutz der Kinder durchsetzt, sondern ob eine „neue“ kirchliche Sexualmoral das Zusammenleben homosexueller Partnerschaften nicht mehr verurteilt. Der nicht gebändigte Missbrauch bleibt an den bischöflichen Verwaltungen hängen.
Verklärung der Sexualität passt nicht zu sexuellem Missbrauch
Eine Sexualmoral für pädosexuell orientierte Menschen findet sich in den Unterlagen des Synodalen Weges nicht, vielmehr eine erstaunliche Verklärung der Sexualität, die sogar zur Erkenntnis Gottes führen kann. „Darum können Erfahrungen von liebevoller Beziehung als Gotteserfahrungen erlebt und gedeutet werden.“ ist in A 5.1 im Kontext von Sexualität zu lesen.
Im Abschnitt über sexuelle Identität B 2.2 wird ausführlich die Situation von Menschen beschrieben, die sich nicht entsprechend ihren körperlichen Vorgegebenheiten fühlen und eine Geschlechtsumwandlung anstreben. Der Abschnitt schließt mit einer alle betreffenden Aussage: „Die Selbstgewissheit über die eigene geschlechtliche Identität stellt bei allen Menschen eine unverzichtbare Grundlage für das persönliche Lebensglück dar. Als Kirche haben wir das individuelle Selbstverständnis der geschlechtlichen Identität jedes Menschen als unantastbaren Teil seiner je einzigartigen Gottesebenbildlichkeit (Jes 43,7) zu respektieren.“ Also das Glück ist nicht ohne Sexualität zu haben und pädadophil Veranlagte können sich durch den Satz bestätigt fühlen. Sie konnten vorher in B 2.1 lesen „Ihre (der Sexualität) Gestaltung vollzieht sich immer innerhalb jener physischen, biopsychischen sowie soziokulturellen Präfigurationen, innerhalb derer jede Person ihr Leben führen kann und führen muss.“ Was sollen sie dann mit ihrer “Präfiguration“ anfangen?
Wenn der Synodale Weg seine ursprüngliche Zielsetzung, Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs, nicht verleugnen will, dann muss er aufzeigen, wie sexuelle Energie nicht nur zu Lebensglück, sondern auch zu Missbrauch führt. Falls der Synodale Weg, wie oben vermutet, zur Klärung dieses kirchlichen Missstandes an der Sexuellen Revolution ansetzt, muss noch einmal zurückgefragt werden:
Was war eigentlich in der Sexuellen Revolution angelegt und was hat sie konkret versprochen? Die Studenten haben damals bei Wilhelm Reich ihr Ungenügen beschrieben gefunden und dessen Sicht der Sexualität umgesetzt.
Es ging vorrangig nicht um Sex
Man kann sich an den Motiven und Wertvorstellungen von Wilhelm Reich orientieren. Denn bei ihm fand die Generation der Achtundsechziger ihre Sehnsüchte ernst genommen. Sein Anliegen war es, die durch die Gesellschaft gebundenen Lebensenergien zu lösen und für die Persönlichkeitsentwicklung freizusetzen. Sein Domizil in den USA war dann auch kein Zentrum, wie es Bhagwan betrieben hat, sondern ein Labor mit Mikroskopen u.a.Gerätschaften, in dem er an lebendem Zellmaterial die Energie, die er Orgon nannte, erforschte. Er suchte sie auch in der Atmosphäre und erreichte sogar, dass Einstein diese an seinem Institut in Princeton untersuchen ließ. Einstein hat ihn nicht empfangen, sondern ihm nur mitteilen lassen, Orgon sei nicht nachweisbar und daher wissenschaftlich irrelevant. Reich blieb trotzdem als Kritiker der Psychiatrie und der Atombewaffnung in den Augen der Berufsverbände und der Atombefürworter so gefährlich, dass er, ins Gefängnis verbannt, dort 1957 starb, möglicherweise keines natürlichen Todes. wurde. Er war faktisch der Vergessenheit überantwortet worden, bis 10 Jahre später seine Vorstellung vom innerlich befreiten Menschen zur Leitidee einer Generation wurde, auch da, wo er zu kurz gedacht hatte. Nicht nur waren seine Instrumente viel zu primitiv, um die von ihm behauptete Existenz der Orgonkraft zu beweisen, noch bewirkt die Sexualität, einmal von ihren Fesseln befreit, wie von selbst die Entwicklung der Persönlichkeit. Die Konstruktion seiner Instrumente wirkt heute dilettantisch. In der Bestimmung der Sexualität hat er es den Revolutionären zu einfach gemacht:
Sexualität bewirkt aus sich heraus nicht freie Entfaltung
Reich erklärt in seinen Texten die Sexualität als Energie, die aus ihrer Natur heraus die freie Entfaltung des Menschen bewirkt. Das hat er geschrieben und eine ganze Generation den zu einfachen Weg empfohlen, mit mehr Sex die Verhältnisse so grundlegend verändern zu können, dass Menschen mit sich in ungehindertem Einklang leben können, ohne in ihren humanen Lebensvollzügen durch die Gesellschaft verbogen zu werden. Es ging, wie dem Synodalen Weg, um die enge Verflechtung von Sexualität und gesellschaftlich-institutioneller Repression. Aber was sich so natürlich anhört, wurde von der Gesellschaft sofort vereinnahmt. Sex wurde mit dieser Deutung zur gesellschaftlich notwendigen Aufgabe und versprach auch zugleich das in der Lust erlebte Fließen der Energie. Es klingt für heutige Ohren, angesichts der MeToo-Bewegung, der Vergewaltigung als Waffe im Krieg, vieler Filme und Dokumentationen in den blumigen Beschreibungen der Sexualität durch den Synodalen Weg noch immer durch. Die Hypothese erscheint im Nachhinein als sehr gewagt. Nämlich dass Parlamentarismus, Gewaltenteilung, Rechtsstaat, die durch „Anstrengung des Begriffs“ hervorgebracht worden sind, durch sexuelle Restriktion in ihrer fördernden Wirkung außer Kraft gesetzt werden können. Es gibt also einen entscheidenden Faktor, bei Reich nicht mehr das Kapital, sondern die Sexualität, und die Gesellschaft wird eine andere, Was noch mitgemeint war: Eine freigesetzte Sexualität macht Faschismus unmöglich. Mir war damals schon nicht klar, wie beides zusammenhängen soll. So auch das Synodendokument jetzt: Irgendwie schimmert im Hintergrund, dass die Abschaffung der Zölibatsverpflichtung den sexuellen Missbrauch aus der Welt schafft.
Empfängnisregelung und Abtreibung müssen vom Gesundheitssystem garantiert werden
1968 schien es so, als würde die durch Sexualität freigesetzte Lebensenergie zu einer neuen Gesellschaft führen. Stattdessen wurde Sexualität wieder gesellschaftlich vereinnahmt. Es ging den Achtundsechzigern um die Reform der noch faschistisch durchsetzten Gesellschaft. Deren Betreiber waren ja kaum an der Front eingesetzt, sondern überlebten als Parteimitglieder, in der Geheim- und der Schutzpolizei, in der Arbeitsfront, als Professoren und Lehrer in gesellschaftlichen Schaltstellen den Krieg. Aus diesem Verständnis ist erklärbar, warum die politisch links Orientierten sich die Befreiung von gesetzlichen Einschränkungen der Sexualität auf die Fahnen schrieben.
Erklärlich ist auch, dass Empfängnisverhütung mithilfe der Chemie und Abtreibung vom Staat ermöglicht werden mussten, wenn Sexualität für den Umbau der Gesellschaft in Dienst genommen wurde. Kann es sein, das Reich, indem er die Orgonkraft im Menschen mit der sexuellen Energie identifiziert hat, jetzt im Nachgang eine kirchliche Versammlung in der Nachmoderne dazu verführt, die Wiederbelebung des Religiösen von einer neuen Sexualmoral zu erwarten?
Erste Reaktionen auf die ausgelebte Sexualität
Die Sexuelle Revolution führte in Frankfurt direkt zur feministischen Bewegung in Form des Weiberrates im SDS, dem damaligen führenden Studentenbund. Motiv der Frauen war die von den Männern geforderte ständige sexuelle Bereitschaft, gegen die sie sich durch Zusammenschluss mit Geschlechtsgenossinnen abgrenzen mussten.
Früh machten Psychologinnen auf den Zusammenhang von Sexualität und Gewalt aufmerksam, der damals Filme für eine bestimmte Zielgruppe beängstigend erfolgreich machte. Inzwischen hat die Hirnforschung erkannt, dass die dafür aktiven Regionen benachbart sind.
Die antiautoritäre Erziehung, die der Gewalt von Kindern freien Lauf ließ, wurde als problematisch auch für die Ausbildung sexueller Handlungsmuster gesehen.
Sexualerziehung hieß, die Kinder möglichst früh mit der Sexualität vertraut zu machen und sie nicht aus dem Schlafzimmer der Eltern zu verbannen.
Ganz kapitalistisch wurde die sexuelle Revolution für die „Warenwirtschaft“, so der damalige Begriff, vereinnahmt.
An Wilhelm Reich muss etwas dran sein
Wenn Reich eine ganze Generation inspirieren konnte, dann muss sein Versprechen, sich zu einer in sich freien, kreativen, Person zu entwickeln, wahrgenommen werden. Auch wenn die Illustrierten und die Filmindustrie sofort begannen, Sexualität zu vermarkten, die Achtundsechziger folgten anderen Wertvorstellungen. Diese wurden in der Pädagogik und über diesen Weg auch von den kirchlichen Jugendverbänden und im Bildungsprogrammen in der Weise übernommen, indem christliche Wertvorgaben aktiviert würden. Das führte zum Abbau des Disziplinären. Wie das allerdings mit der Sexualität, ihren Dynamiken und Abgründen in Zusammenhang zu bringen ist, steht als Frage weiter im Raum. Würde der Synodale Weg sich an die Frage, wenigstens an den sexuellen Missbrauch, herantrauen, würde er aufhorchen lassen. Es sei nur auf seelsorgliche und Bildungs-Herausforderungen hingewiesen:
- Es fehlt in dem Dokument eine Perspektive, wie sich Partnerschaft und Sexualität verändern. Sexualität ist keine statische Größe.
- Wenn Sexualität für Intimität so entscheidend ist, wie gehen Paare mit abnehmender sexueller „Energie“ um?
- Es ist wohl eher ein Problem der Männer als der Frauen. Darauf hat nicht nur Alice Schwarzer hingewiesen.
- Junge Frauen unterliegen, befeuert durch Instagram, einem Perfektionierungszwang in Bezug auf ihren Körper und müssen diesen präsentieren.
Falls der Synodale Weg tatsächlich erwartet, mit einer „Neuen Sexualmoral“ wieder positive Gefühle auf die Katholische Kirche hin zu erzeugen, ist etwas Anderes als 32 Seiten Papier mit klugen Sätzen zu füllen. Was ist die neue Idee, die Sexualität von all den Gewalt-, Missbrauchs- Medienzwängen befreit? Es wird zwar das Christentum als Erlösungsreligion beschrieben, aber worin könnte denn die Erlösung bestehen. Es ist eben eine völlig andere Situation als in den sechziger Jahren. Wenn Sexualität durch eine strenge Disziplin reguliert wird, lesen sich solche Ausführungen ganz anders als wenn sie überall, auf jeden Fall immer medial, zu haben ist, ganz anders. Und muss eine Kirche den jungen Menschen nicht sagen, dass gelingende Beziehung nicht einfach auf Sexualität vertrauen kann, sondern auf „Beziehungsarbeit“ setzen muss?
Bitte an die Leser: Lesen Sie das Dokument der Synode und prüfen Sie, ob die oben durchgeführte Analyse zutrifft. Ich frage besonders die Altachtundsechziger.
Das Synodendokument Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft
Wie sich durch das Konzil die Disziplin als Grundströmung des Religiösen auflöste und zu einem anderen Gottesbild führte Religion, nicht mehr=Disziplin
Der Synodale Weg lässt den Missbrauch liegen
Sexualpapier des Synodalen Weges – ein Verriss
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