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Priester – so wie ein Richter mit einer Vollmacht ausgestattet

Die Katholiken nehmen Hochwürden, die Überhöhung der Person, nicht mehr hin. Warum soll er alleine die Messe feiern, also die Hostie und den Wein wandeln können? Da seine Sonderstellung sich von der Eucharistie herleitet, bestimmt sich von daher seine Rolle: Er ist weniger mit einem Kultpriester als mit einem Vorsitzenden oder einem Richter vergleichbar.

Priester kann als derjenige gesehen werden, der über das Göttliche verfügt. In die Nähe eines solchen Priesterbildes wird er gerückt, wenn ihm das Konzil von Florenz eine „potestas consecrandi“ zuschreibt. Er kann etwas herstellen, was anderen Gläubigen prinzipiell versagt bleibt. Ein anderes Modell wäre der Richter dar. Er kann auch etwas, das anderen verwehrt ist. Jedoch schafft er nicht das Recht, sondern stellt nur fest, was im konkreten Fall „Recht ist“. Im Vergleich mit der Funktion eines Richters ist das Priesteramt eine Vollmacht, nämlich festzustellen, was schon ist und als gewandelt erklärt werden muss. So lauten auch die Worte, die der Priester in der Messe spricht. Er ruft den Heiligen Geist an und spricht die Wandlungsworte nicht in eigener Autorität. Er sagt nicht: Ich sage jetzt: „Das Brot ist jetzt Leib Christi“, sondern er zitiert Jesus

„Denn am Abend, an dem er ausgeliefert wurde …. nahm er das Brot und sagte Dank,
brach es, reichte es seinen Jüngern und sprach:
Nehmet und esset alle davon:
Das ist mein Leib,
der für euch hingegeben wird.“

In gleicher Weise zitiert er Jesus mit den Worten über den Wein.

Diese Worte stehen in einem größeren Zusammenhang. Sie sind in eine Feier eingebettet. Diese Feier geht bereits von einer Gegenwart Jesu aus. Denn am Beginn der Messe wird Jesus als Kyrios, als Herr angerufen, so wie der Römische Kaiser beim Einzug in eine Stadt begrüßt wurde. Jesus ist schon da und kommt dann auch mit einem Text aus dem Evangelium ausdrücklich zu Wort. Wie andere Feiern braucht auch die Eucharistie einen, der erklärt, was gefeiert wird. Ebenso kennen andere Feiern Reden und meist ein Geschenk oder eine Auszeichnung.  

Wie ein Geschenk, eine Urkunde eine Goldmedaille

Da das Abendmahl, das Jesus mit den Jüngern gefeiert hat, selbst eine Feier war und der Auftrag Jesu nicht einem einzelnen übergeben wurde, sondern der Gruppe, gab es neben den Worten auch einen besonderen Gegenstand, mit dem die Feier herausgehoben wurde. Ein Geschenk braucht die Anwesenheit anderer, wenn es eine besondere Bedeutung erhalten soll. Man kann zwar ein Buch oder einen anderen Gegenstand mit der Post zuschicken, aber eigentlich soll das Geschenk durch seine Übergabe den Höherpunkt einer Feier markieren. Wenn das Familienoberhaupt bei einem runden Geburtstag ein Geschenk überreicht, dann wird das Geburtstagskind durch den Toast des Familienoberhauptes nicht erst in das Alter, z.B. von 50 Jahren, versetzt, sie ist ohne Zutun anderer 50 geworden. Ähnlich ist bei einer Feier zu einem bestandenen Examen bereits das geschehen, was gefeiert wird. Auch die Auszeichnung mit einer Medaille ist nicht der Sieg selbst. Wir nennen die Übergabe der Medaille deshalb "Siegerehrung". So ist Jesus bei der Messe schon in der versammelten Gemeinde gegenwärtig. Brot Wein, die konsekriert werden, vergegenwärtigen die Anwesenheit Jesu intensiver. Sie machen wie das Geschenk oder die Medaille die Feier zu etwas Besonderem.

Der Gastgeber schenkt sich selbst

Indem die Anwesenden vom Gastgeber Essen und Trinken gereicht bekommen, treten sie bereits in eine tiefere Beziehung ein. Wer zu einem Essen eingeladen wird, das die Gastgeberin vorbereitet hat, tritt in eine größere Nähe zu ihr. Auch die „Geschäftsessen“ haben eine rituelle Bedeutung. Wenn man zu einer Vereinbarung, einem Auftrag gekommen ist, haben sich beide Seiten voneinander abhängig gemacht. Das wird in einem Vertrag niedergelegt. Wie an die Verlesung des Evangeliums als zentrales Dokument der Messe schließt sich an die Vertragsunterzeichnung ein Essen an, um diese größere Nähe zum Ausdruck zu bringen. Was heißt es aber, wenn Jesus noch weitergeht und sagt, dass er sich selbst als Speise versteht.  

Die Messe ist nicht Fortsetzung der Tieropfer

Das Missverständnis liegt nahe, dass wie bei den Tieropfern tatsächlich Fleisch gegessen und Blut getrunken wird. Es gab im 11. Jahrhundert in der westlichen Kirche die Tendenz, die Worte Jesu so zu verstehen, dass wer auf die Hostie beißt, auf Jesu Fleisch beißt. Weil jedoch Brot und Wein Zeichen bleiben, konnte sich diese Auffassung nicht durchsetzen. Sie lag vielleicht deshalb nahe, weil die Kelten wie die Germanen noch Tiere opferten. Die Tieropfer im Alten Testament waren solche Mahlfeiern, bei denen Fleisch verzehrt wurde, ebenso war das Hauptgericht des Passahmahles ein Lamm. Die Gottheit wurde in der Weise in das Mahl einbezogen, indem ihr ein Teil des Tieres durch Verbrennen übertragen wurde. Das Essen war meist den Opferpriestern vorbehalten.
Indem Jesus nicht das Lamm als Zeichen wählte, sondern Brot und den abschließenden Weinbecher, der herumgereicht wurde, hat er die Tieropfer überwunden. Das Christentum hat diese Opferpraxis vergeistigt, so dass die Tieropfer zum Erliegen kamen, als im 4. Jahrhundert die Verfolgungen eingestellt wurden. Zwei Aspekte sind auch heute von Bedeutung:

1.      Das von Jesus eingesetzte Abendmahl kennt nicht mehr Fleisch noch Blut, sondern Brot und Wein.

2.      Anders als bei den meisten Opferkulten sind nicht nur die Kult-Priester zum Mahl zugelassen, sondern alle Gläubigen. Die Apostel hätten den Auftrag Jesu auch so verstehen können, dass nur sie die konsekrierten Hostien und den Wein gereicht bekommen und die Gläubigen dabei zuschauen. Dann wäre eine Eucharistiefeier wie ein Sportereignis. Einige Auserwählte spielen, die Mehrzahl schaut zu.

Der Priester bewirkt also nicht die Gegenwart Jesu. Jesus ist schon da. Das hat der Priester am Anfang des Gottesdienstes bereits festgestellt, wenn er der Gemeinde zuruft: „Der Herr sei mit Euch!" Das ist vergleichbar der Begrüßung, wenn der Hausherr oder die Vorsitzende eines Vereins die Anwesenden begrüßt und das Geburtstagskind eigens anspricht. Die Gratulation selber erfolgt dann nicht nur mit Worten, sondern mit einem Glas Sekt, aus dem nicht einfach getrunken wird. Der Ritual wirkt erst, wenn möglichst jeder mit dem Geburtstagskind "angestoßen" und vorher der bzw. die Vorsitzende den Glückwunsch ausgesprochen hat. Da die Seeleute besonders religiös sind, kennt ihr Beruf sogar die „Taufe“ eines Schiffes.
Mit der Einsetzung des Abendmahls hat Jesus einen solchen Ritual eingerichtet, das bis heute funktioniert. Weil Jesus bereits da ist, kann der Priester als Vorsteher den besonderen Moment herausheben. So "macht" das Familienoberhaupt oder die Vorsitzende nicht den Geburtstag, sondern hebt nur hervor, was schon ist, etwa mit den Worten „die Karin ist jetzt 50 geworden“. Diese Dramaturgie eines Festes ist kompatibel mit neuen Erklärungsmodellen für die Eucharistie, die nicht mehr eine Substanz voraussetzen, die physikalisch verändert wird. So bleibt eine Fahne Stoff, wird aber nicht mehr als Stoff gebraucht, sondern sogar verehrt. Auch bei einem Geburtstagsgeschenk gibt es die “Wandlung“ eines Gegenstandes, indem z.B. ein Buch, ein Blumenstrauß, ein Kunstgegenstand, meist durch Geschenkpapier, in ein Geschenk verwandelt wird. Das eucharistische Brot wird auch in ein besonderes Gefäß gelegt, das mit seinem Deckel anders konzipiert ist als ein Brotkorb.

Nicht der Priester, sondern Jesus schenkt sich in Brot und Wein

Wenn der Priester vergleichbar der Rolle des Familienoberhauptes oder der Vorsitzenden gesehen wird, dann schenkt er sich nicht selbst, sondern stellt fest, dass Jesus sich schenkt. Der bis heute fortschwelende Abendmahlsstreit in der Westkirche beruht also auf dem Missverständnis, der Priester würde das Geschenk „herstellen“. Was im Mittelalter zum Zentrum des Glaubens wurde, dass Jesus selbst in der Hostie gegenwärtig ist, verstellt den Blick für das, was fundamentaler zu glauben ist: Jesus schenkt sich tatsächlich in der Eucharistiefeier. Damit ist die Eucharistiefeier etwas anderes als eine moralische Ermunterung, nämlich das Geschenk Jesu, die Erlösung und Vereinigung mit Gott. Ich muss also nicht zuerst glauben, dass der Priester Jesus in die Gestalten von Brot und Wein „hineingeholt“ hat und alles andere draus folgt. Vielmehr geht es zuerst darum, dass Jesus sich mir und den anderen in Brot und Wein schenken will. Ich soll also glauben, dass Jesus so weit geht, mich nicht nur von meiner Schuld zu befreien und mir ein Leben nach dem Tod zu eröffnen, sondern dass er selbst sich schenken will. Deshalb kann er das Liebesgebot so herausheben. Was Wandlung genannt wird und in der Wiederholung der Worte Jesu besteht, ist eigentlich die Bestätigung, dass Jesus das mit Brot und Wein zum Ausdruck bringen will. Vielleicht brauchen wir ein anderes Verhältnis zu unserem Körper, damit seine Worte auch körperlich auf uns wirken. Die Eucharistie zeigt uns, dass für die Liebe Worte nicht genügen, sondern ich ganz eingefordert bin. Denn was wir mit dem Körper ausdrücken, ist für den einzelnen „realer“ als wenn es nur gesagt wäre. Es braucht jedoch erklärende Worte, damit das Körperliche verstanden wird. Dass der Priester aber nicht nur Worte spricht, sondern etwas bewirkt, zeigt der Vergleich mit dem Richter.

Richter haben eine ähnliche Autorität wie die Priester

Durch den Urteilsspruch eines Richters wird Wirklichkeit, die schon da ist, „in Kraft gesetzt“. Ein Urteil geht von der allgemeinen Gültigkeit der Gesetze aus und stellt fest, was in dem jetzt verhandelten Fall "Recht ist". Der Richter schafft nicht Recht. Das tut das Parlament. Die Möglichkeiten des Parlaments sind allerdings nicht beliebig, sondern wie bei der Kirche eingeschränkt. Die Kirche muss an den Worten Jesu festhalten, das Parlament kann nur beschließen, was der Verfassung entspricht. Eigentlich sind alle Gesetze Konkretisierung der Verfassung. Sie sind nur legitim, also wirkliche Leges - das lateinische Wort für Gesetze - wenn sie der Verfassung entsprechen. So stellt auch der Priester nur fest, was Jesus festgelegt hat. So wie der Richter das bestehende Recht nur auf den Einzelfall anwendet, so der Priester die Gegenwart Jesu „jetzt“ auf die versammelte Gemeinde. Für diese Bevollmächtigung passt dann auch die Bezeichnung „Geistlicher“, die früher für die Priester üblich war.

Gespür für den Geist

Wenn der Geist die Gegenwart Jesu bewirkt, ob in der Begrüßung am Anfang, in der Auslegung des Evangeliums, in Jesu Worten über Brot und Wein, dann weiter in den Jesusworten des Vaterunsers, indem danach Brot und Wein gereicht werden, dann gewinnt gerade der Priester in seiner Rolle ein besonderes Gespür für das Wirken des Heiligen Geistes. Soll der Priesterberuf wieder Ausstrahlung gewinnen, dann doch im Geistlichen. Faktisch haben die Bischöfe ihre Priester zu Geschäftsführern eines mittelständischen Betriebs mit oft über100 Angestellten gemacht. Dafür bringen nur einige der Priester die Begabung mit, diesen Beruf haben sie jedoch nicht gewählt, sondern Priester sind sie geworden, um als Seelsorger tätig zu werden.

Priester können immer weniger im Namen der Gemeinde die Worte Jesu sprechen

Die neueren Verstehensansätze für die Gegenwart Jesu setzen voraus, dass die Gläubigen die Gegenwart Jesu in Brot und Wein mitvollziehen und nicht nur zuschauen. Das war früher so, da haben viele der Messe „beigewohnt“. Sie konnten dem Geschehen nicht folgen, weil sie kein Latein verstanden. Weil sie oft keine deutsche Übersetzung, den „Schott“ zur Hand hatten, haben sie den Rosenkranz gebetet. Die Liturgiereform des Konzils wollte das ändern, dass nämlich nicht der Priester allein die Gegenwart Jesu in der Feier garantiert.
Das kann an der Funktion einer Fahne verdeutlicht werden. Nach einer Fahnenweihe wird diese nicht mehr wie ein Stück Stoff gebraucht, sondern man verneigt sich vor ihr und zieht sie an einer Stange hoch. Der Einzug der Olympiamannschaften nutzt die Fahne als Identifikation mit der jeweiligen Nation. So ist auch die Überzeugung der Gläubigen in einer Messe, dass mit Brot und Wein die Gegenwart Jesu zum Ereignis wird, für das Gelingen der Feier unentbehrlich. Man sollte deshalb zu dem altkirchlichen Verständnis zurückkehren, dass die eigentliche Wandlung in den Herzen der Glaubenden geschieht. Wie eine Fahne erst für die Nation steht, wenn sie in einer Feier gehisst, in ein Stadion getragen und ein Eid durch die Berührung der Fahne erst voll gültig wird, so auch die Hostie und der Wein, wenn sie in der Kommunion genossen werden. Das erklärt auch, warum die Primiz, die erste Messe in der Gemeinde, notwendig zur Priesterweihe gehört. Wenn es keine Gemeinde gibt, dann auch keine „Wandlung“.
Wie das Zölibat in der Postmoderne in das Priestertum hineinspielt, müsste noch aufgeblättert werden. Für jeden Hinweis dankt der Autor jetzt schon.
Wie sich Konturen eines Priestertums, das sich weiter von dem Auftrag Jesu „Tut das zu meinem Gedächtnis“ herleitet, wird auch in weiteren Beiträgen erkundet: .

Keine Eucharistiefeier, keine Priester – nicht umgekehrt versucht dem aktuellen Ungenügen der Katholiken mit ihren Priestern auf die Spur zu kommen. Es liegt auch an der mittelalterlichen Erklärung mit dem Begriff „Trans-Substantiation“, nämlich dass der Priester die Substanz von Brot und Wein wandelt. Das war eine damals plausible Vorstellung von Materie, die auf Aristoteles zurückgeht. Wenn man das heutige physikalische Weltbild als Verstehensmodell zugrunde legt, kann die Gegenwart Jesu mit der Radiowelle vielleicht besser erklärt werden: Die Sprecherin ist da, man kann sie sogar im fahrenden Auto hörbar machen. Dafür braucht es aber eine Vorrichtung, für die Gegenwart Jesu ist es die Eucharistiefeier. Hier zum Beitrag: Eucharistie – wie können wir uns Jesus in der Hostie vorstellen


Kategorie: Kirche

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