Wer sich heute einer Ordensgemeinschaft anschließt, dessen Weg ist nicht mehr gebahnt. Viele kommen auch nicht aus der typischen katholischen Familie vom Lande oder einem Handwerksbetrieb. Sie haben einen individuellen Weg hinter sich, der meist mit dem Gefühl des Ungenügens begann. Wenn man im Beruf angekommen und nicht der Familientyp ist, dann entdeckt man den Ruf zu einem intensiveren Leben in einer Gemeinschaft. Der war oft schon vorher da und hat sich durch Zögern vor einer festen Bindung nur leise gemeldet. Es gibt auch deutliche Anstöße von außen, z.B. ein Auslandseinsatz, den die Missionsorden ermöglichen.
Das Milieu trägt nicht mehr
Die Entscheidung muss alleine durchgestanden und gefällt werden. Denn anders als früher hat sich im katholischen Milieu eine Distanzierung von dieser Lebensform breit gemacht. Rangierte früher das Ordensleben in der katholischen Wertehierarchie höher als die Familie, zentriert sich das Ideal seit den siebziger Jahren auf die Familie. „Man“ wie „Frau“ sehen im Ehestand die neue Form des Katholisch-Seins. Diese inzwischen ins Rentenalter gelangte Alterskohorte bestimmt immer noch das Gemeindeleben, stellt die Lektoren und hält die Gremien besetzt. Sie leben noch ein Ehemodell, das durch Kirchgang und Mitgliedschaft bei Kolping oder einem anderen Verband stabilisiert wird. Ihre Kinder haben sich von diesem Ehe-Kirchen-Modell verabschiedet.
Das zerstörte Außenbild der Orden
Warum stoßen die Orden bei dieser Generation, die durch das Konzil inspiriert wurde, auf eine bis heute einprogrammierte Ablehnung? Es sind der Film "Geschichte einer Nonne", Bücher und Interviews ähnlicher Art, die das Kloster als eine Art Gefängnis mit Vorgesetzten darstellt, die Disziplin und Gehorsam ohne Widerspruch einfordern. Die Orden haben gegen diese Darstellung nach innen mit Reformen, nach außen aber mit Schweigen reagiert. Diese Bilder brannten sich deshalb ins Bewusstsein gerade der Katholiken ein, weil sie mit den Ordensleuten selbst sehr gute Erfahrungen gemacht hatten. Wenn diese sympathischen Menschen in solchen Zwangsanstalten unter misstrauischen Vorgesetzten leben müssen, dann will man seine Kinder davon abhalten. Als dann Eugen Drewermann in seinem Buch "Die Kleriker" die Freud’sche These verfestigte, Religion sei eigentlich eine psychische Störung, die auf einer zu engen Mutterbindung beruht, war das Bild abgerundet. Als ihn dann der bischöfliche Bannstrahl traf, galt das als Beweis seiner These. So funktioniert eben kirchliche Öffentlichkeitsarbeit, auch die der Orden. Entweder gute Meldungen oder Schweigen. Wo doch jeder Nutzer von Spiegel u.a. Medien weiß, dass keine Institution und kein Unternehmen nicht mindestens eine Leiche im Keller liegen hat. Intern wird natürlich über das Außenbild der Institution bzw. des Ordens geredet, das die Medien verbreiten. Die inzwischen eingerichteten Stellen für Öffentlichkeitsarbeit sehen sich offensichtlich nicht in der Lage, dieses Bild in den Köpfen zu revidieren. Ruft dann ein Journalist an, wird er voll Misstrauen behandelt. Damit wird bei ihm nur das Vorurteil bestätigt, dass kirchliche Einrichtungen doch etwas zu verbergen haben. Die Negativspirale kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit dreht sich so weiter und alle, ob Ordensobere oder die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit verkünden ihre Ohnmacht, das Bild des Ordenslebens zu korrigieren.
Das katholische Milieu hat ebenfalls kaum Nachwuchs
Die Analyse erklärt sicher nur zum Teil den massiven Rückgang der Ordensberufe. Gab es Ende der sechziger Jahre noch 120.000 Ordensleute, sind es gerade noch 18.000 und diese sind meistens älter. Festzuhalten ist jedoch, dass das Katholische Milieu als Humus für das Ordensleben nicht mehr wirksam ist. Eher vermittelt es die Botschaft, dass Ordensleben ein überholtes Lebensmodell sei und auf jeden Fall keine glückliche Existenz verspricht. Zudem ist die postmoderne Existenzform so anders, dass der Katholizismus, so wie er von den Laien gelebt wird, nicht mehr milieubildend wirkt. Denn diejenigen, die in den meisten Gemeinden das Leben noch aufrechterhalten, sind älter. Nur wenige konnten ihre Kinder dafür gewinnen, das Gemeindemodell, das ihre Eltern aufgebaut haben, fortzuführen. Der Rückgang macht sich deutlich bei den Priesterberufen bemerkbar, betrifft aber Verbände genauso. Unter den Jugendverbänden haben nur die Pfadfinder ihr Konzept so weiter entwickelt, dass sie junge Menschen gewinnen.
Ausländische Ordensleute
Da die Orden in aller Welt nicht nur Niederlassungen, sondern auch Noviziate gegründet haben, gibt es Franziskaner, Karmelitinnen, Salsesianer, Benediktiner u.a. auf der ganzen Welt. Wo der Kinderreichtum groß ist, gibt es auch viel Nachwuchs. Sind früher Ordensleute aus Europa nach Asien und Afrika aufgebrochen, kommen heute aus den ehemaligne Missionsländer Ordensleute, so aus Indien, den Philippinen und Afrika nach Deutschland. Manche sind normale Mitglieder hiesiger Niederlassungen, andere leben mit ihren Landleuten in eigenen Kommunitäten. Die Orden gewinnen inzwischen auch Nachwuchs aus katholischen Familien, die nach Deutschland gekommen sind, vor allem vietnamesischer Herkunft.
Ordensberufe von den Rändern
Wenn das Milieu, also die einzelnen Gemeinden, den Weg in einen Orden eher versperren, dann muss der Nachwuchs für die Orden anderswoher kommen. Das katholische Milieu sollte deshalb zumindest verstehen lernen, dass Orden zur katholischen Kirche gehören, denn es gibt diesen Zuspruch auch heute. In biblischer Tradition sind das Berufungen, die nicht von Menschen ausgehen. Das innerliche Sich-Angesprochen-Fühlen leitet Menschen mit Lebenserfahrung, meist mit Abitur und Studium, oft mit größerer Berufspraxis in ein Noviziat, um entschieden die Schritte in das Ordensleben zu gehen. Die Frauenorden ziehen kaum noch die Frauen an, die als Krankenschwester, Erzieherin oder Lehrerin in einer Einrichtung des Ordens arbeiten wollen, um diese auch einmal zu leiten. Viele Frauenorden haben ihre Krankenhäuser, Heime und die Kindergärten, in denen sie tätig waren, bereits in GmbH's umgewandelt, eine Geschäftsführung eingesetzt oder oft sogar die Trägerschaft, auch von Schulen, abgegeben. Die neuen Berufungen bringen meist eine qualifizierte Ausbildung mit und arbeiten in Einrichtungen oder auch als Ärztin oder Therapeutin mit eigener Praxis. Ordensmitgliedschaft heißt kaum noch, ein Krankenhaus, ein Heim, eine Schule mitzutragen und dann auch zu leiten.
Bei den Männerorden gibt es kaum noch die Berufung des sog. Laienbruders, der als Handwerker, als Küchenchef oder Hausmeister im Einsatz ist. Die Benediktiner ziehen diese Menschen noch an. Die meisten, die in einen Männerorden eintreten, sind jedoch auf den Weg zum Priestertum und haben den Orden wegen der Spiritualität gewählt.
Damit ist auch das bisherige Klostermodell nicht mehr die Struktur, die ein gemeinsames Leben trägt. Die Mitglieder der meist kleineren Kommunitäten sind auswärts und damit oft nicht mehr im Klosterbereich berufstätig. Die Zeiten für Gebet, Austausch und Mahlzeiten müssen von jeder Kommunität gefunden werden. Diese Kommunitäten leben die Spiritualität ihres Ordens in neuen Zusammenhängen.
Orden: Lebensform für die Postmoderne
Orden ermöglichen den einzelnen Mitgliedern eine religiös inspirierte Lebensform. Spiritualität ist aus sich heraus ein Gemeinschaftsphänomen, denn man braucht die anderen, um sich immer wieder über den Weg zu verständigen. Die Begleitung eines erfahrenen „Meisters“ erkannten bereits die Wüstenväter als Notwendigkeit, um nicht in die Irre zu gehen. Zudem muss sich eine Spiritualität als lebensfähig erweisen. Zwar wurde eine neue Spiritualität meist von einzelnen entwickelt, sie wurde aber nur "reif", wenn der Protagonist Jünger um sich versammeln konnte, die die Gebetspraxis und, noch innerlicher, den gespürten Auftrag in ihrem Alltag verankern konnten. So haben dann auch nur die Spiritualitäten überlebt, die von anderen als gangbarer Weg adaptiert werden konnten. Die großen Gründergestalten, ob Benedikt von Nursia, Augustinus von Hippo, Franz v. Assisi, Ignatius von Loyola, Franz v. Sales und im 20. Jahrhundert Charles de Foucault haben Konzepte gefunden, die inzwischen auf allen Kontinenten funktionieren. Es sind sehr verschiedene Konzepte, die alle katholisch kompatibel sind und jedem eine entschiedenere Religiosität, also einen inneren Weg eröffnen. Diese Spiritualitäten sind wahrscheinlich das, was die Ordensleute heute in das kirchliche Leben einbringen können. Die Verschiedenheit der Spiritualitäten entspricht der Vielgestaltigkeit der Postmoderne.
Zudem kommen sie auch aus einer anderen Familien-Situation. Denn als es noch viele Geschwister gab, konnte die Familie eine Schwester oder einen Bruder "abgeben“, die dann als Krankenschwester in einem Krankenhaus oder die Brüder mit ihren handwerklichen Qualitäten gefragt waren. Nicht zuletzt die Mission verhieß ein spannendes Leben. Die Orden mit ihren früher vielen Mitgliedern funktionierten bis in die sechziger Jahre wie heutige Manpower-Agenturen. Das galt vor allem für die Krankenpflege. Das hing auch damit zusammen, dass der Pflegeruf bis in die sechziger Jahre die Entscheidung für ein zölibatäres Leben forderte, auch für die Rotkreuz- und die "freien" Schwester. Diese wohnten direkt am Krankenhaus. Sie waren den ganzen Tag, unterbrochen nur durch eine größere Mittagspause, "auf Station", bis der Nachdienst übernahm.
Die Orden sind früher zu einer Neuausrichtung gefordert
Der Gestaltwandel, durch den die Orden gerade gehen, steht den Kirchengemeinden erst noch bevor. Da bisherigen Gemeinden zu Großpfarreien zusammengelegt wurden, wird sich katholisches Leben eine andere Struktur geben müssen. Vielleicht entdeckt ein neues katholisches Milieu dann die Orden als "spirituelle Kraftwerke“. Eine Fokussierung auf Spiritualität ist das, was das postmoderne Umfeld als Kernkompetenz von den Kirchen erwartet, um wieder tiefer atmen zu können. Wenn das katholische Milieu diese Chance entdeckt, wird es, wie „seine Großeltern“, die Orden wieder schätzen lernen.
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