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Missbrauch - Öffentlichkeitsarbeit muss Handeln vermitteln

Es geht zuerst um Emotionen. Diesen Motor befeuert nicht nur der Populismus. Auch andere kritische Punkte wie das Tempolimit oder der Missbrauch katholischer Kleriker werden emotional durchgefochten. Wenn es jedoch bei den Gefühlen bleibt, kommt Unzufriedenheit auf. Die Adressaten des Missmuts müssen mit Handeln reagieren.

Öffentlichkeitsarbeit muss bei den Emotionen ansetzen. Ob es das Dahingleiten durch die Landschaft in einem Zug oder Gesang, Weihrauch, ein großer Gottesdienstraum, die Menschen wollen, wenn etwas wichtig ist, in ihren Emotionen angesprochen werden. Diese positiven Emotionen werden zerstört, wenn schwere Mängel einzugestehen sind, oder beim Missbrauch sogar Verbrechen aufzuarbeiten sind. Denn Gefühle gehören zum Menschen, sie haben in den tiefer liegenden Arealen des Gehirns ihre Zentren, die zuerst reagieren. Erst dann kommt die Großhirnrinde ins Spiel. Ob bei den technischen Problemen der bahn oder den moralisch ganz anders zu bewertenden Vorfälle in der Katholischen Kirche, es gelten die gleichen Regeln für die Öffentlichkeitsarbeit. Sie kann nicht bei den Emotionen stehen bleiben, es braucht Analyse der Phänomene und dann entschiedenes Handeln.

Der Mensch muss überlegt handeln

Werden bei Tieren Instinkte freigesetzt, die das Handeln strukturieren, muss der Mensch "überlegen", was zu tun ist. Das gilt vor allem für neue Eindrücke, für die er noch kein Reaktionsmuster ausgebildet hat. Das zeigt der Vergleich mit den Reaktionen eines Autofahrers. Für den geübten Autofahrer braucht es kein Nachdenken, um in die Bremse zu treten, wenn von rechts ein Auto kommt. Jedoch fordert alles Neue, dass wir eine Antwort in Form einer Handlung finden. Im Großhirn läuft das so ab, dass die rechte Hirnhälfte erst einmal wahrnimmt, zu erkennen versucht, die Eindrücke aufnimmt, die erste Verarbeitung des Eindrucks an die linke Hirnhälfte weiterleitet, die dann das Handeln durch Überlegen einleitet.

Für die Öffentlichkeitsarbeit leiten sich daraus die Schritte ab:

1.      Bei den Emotionen beginnen.

2.      Das Neue analysieren, einordnen

3.      Handlungen entwickeln.

Zu 1: Die drei Schritte zeigen, dass die Katholische Kirche eigentlich noch im ersten Schritt hängen geblieben ist. Man reagiert auf die Emotionen mit Gefühlen des Bedauerns. Das ist notwendig, damit die Betroffenen spüren, dass sie in ihren Verletzungen und die übrigen Kirchenmitglieder in ihren Enttäuschungen ernst genommen werden.

Zu 2: Der Zweite Schritt ist bisher nur wissenschaftlich geleistet, nämlich die Analyse der Tätermotive. Die Studien scheinen jedoch nicht gelesen worden zu sein. Trotz eindeutiger Feststellungen führen hochrangige Kirchenvertreter den Missbrauch auf die homosexuelle Orientierung der Täter als Ursache zurück. Die katholischen Laien und mit ihnen die Medien sehen im Zölibat die Ursache. Das obwohl die großen Studien in den USA und die ausführliche MHG-Studie „ Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ unabhängig voneinander feststellen, dass weder eine homosexuelle Orientierung noch der Zölibat das Phänomen erklären, finden selbst Kardinäle ohne Widerspruch öffentliche Resonanz. Hier machen sich Defizite in der Vermittlung der Forschungsergebnisse bemerkbar

Zu 3: Der Schritt 3 besagt, dass Handeln der Analyse folgen muss. Wenn z.B. die Dachrinne defekt ist und daher Wasser von der Decke tropft, kann es nicht bei der Analyse bleiben. Das war in der früheren DDR so. Dachrinnen wurden nicht repariert, so dass ganze Häuser zerfielen. Die Bahn ist seit Jahren in der gleichen Situation. Es gibt immer noch technische Pannen, die sogar das Ankommen am Ziel verhindern. Wahrscheinlich erklären interne Gutachten  die Ursachen. Wie die Katholische Kirche in Deutschland ist auch die Bahn noch nicht im Schritt 2 angelangt, nämlich das, was die rechte Hirnhälfte erkundet hat, nämlich die Ursachen nach außen darzustellen.  Zwar will die Öffentlichkeit auch bei technischen Pannen Aufklärung, noch mehr kann sie das aber fordern, wenn Kinder massiv geschädigt wurden. Die katholische Kirche muss erklären, was sie tut, seit 2010 wäre das notwendig. Das Handeln muss zumindest diese Umsetzung garantieren.

  1. Es gibt eine von Bischof und Ordensprovinzial unabhängige Stelle, an die sich Betroffene wenden können, damit Vertuschung unterbunden wird
  2. Täter werden der Staatsanwaltschaft gemeldet.
  3. Opfer wie Täter erfahren eine therapeutische Betreuung

Emotion, transparent gemachte Analyse und daraus folgende Handlungen sind die logischen Schritte für die Außendarstellung. In der Außendarstellung muss immer berücksichtigt werden, dass die Menschen schon eine, meist nur vage Vorstellung von der Institution, dem Unternehmen haben

Öffentlichkeitsarbeit ringt um das Bild in den Köpfen der Menschen

Wer einer Partei, einer Gewerkschaft, einem Unternehmen, einer Kirche  nach außen ein Gesicht geben will, trifft immer schon auf das Bild, das sich die Menschen von der Institution machen. Dieses Bild ist notwendig, damit die Menschen, die eine Nachricht, eine Stellungnahme, eine Fehlleistung der Institution erreicht, diese Informationen zuordnen können. Dieses Bild ist meist vage und immer mit einem Gefühl verknüpft. Gefühle bestimmen unser „In der Welt-Sein“. Wir würden uns sonst gar nicht als real erleben und die Außenwelt wäre wie ein Film. Diese  Gefühle steuern unsere spontanen Reaktionen, nicht nur, ob wir uns hingezogen oder abgestoßen fühlen, sondern in allen Nuancen.

Gefühle werden nicht vergessen

Die Gefühle sind deshalb so bestimmend, weil wir diese nicht vergessen. So behalten wir einzelne Informationen nicht immer, aber das Gefühl, das ein früherer Vorgang hinterlassen hat, bleibt im Gedächtnis. Deshalb muss man damit rechnen, dass die Vorgänge um den Missbrauch sicher noch in die übernächste Generation weitergetragen werden. Das lange Zögern der deutschen Kirche, immerhin seit 2010,  hat den Eindruck in die Gedächtnis der meisten Deutschen eingebrannt, dass die Verantwortlichen mehrfach zum Ernstnehmen der Frage gedrängt werden mussten und immer noch nicht mit dem Problem fertig werden.

Die Institution mit allen ihren Funktionsträgern muss mitmachen

Wenn ein Unternehmen oder eine Institution wie die Deutsche Bahn, die Katholische Kirche oder die SPD in eine Krise geraten, erlischt die Wirkung des obersten Repräsentanten. Das erklärt sich dadurch, dass die Wirkung der Person, die die Institution nach außen repräsentiert, von zentraler Funktion ist. Aber sie bestimmt nicht allein das Gefühl, das die Menschen gegenüber der Institution mitbringen. In Krisenzeiten schauen die Menschen auf den einzelnen Schaffner, den Pfarrer, das SPD-Mitglied, sofern es sich noch zu erkennen gibt. Dauert die Krise so lange wie bei den drei genannten Größen bundesrepublikanischer Öffentlichkeit, dann wird Öffentlichkeitsarbeit nach innen zu einer immer wichtigen Aufgabe, denn sie muss alle Funktionsträger gewinnen, nicht nur zu informieren, sondern sich den Emotionen zu stellen und an diesen zu arbeiten. Was noch gar nicht in Angriff genommen wurde: die Täter müssen einbezogen werden. Es muss deutlich werden, dass sie sich von ihrem Fehlverhalten distanzieren.
Markenpflege der Katholischen Kirche in Deutschland heißt wohl für die nächsten zwei Generationen, an den Emotionen zu arbeiten, die das lange Zögern enorm verstärkt haben. das geht nicht allein emotional, sondern durch Transparenz und dass von Handeln berichtet wird.

Der Zusammenhang von Emotionen, einordnen der gefährlichen Momente und die Umsetzung in Handeln ist den Ausführungen von Jordan B. Peterson in „Warum wir denken, was wir denken, Wie unsere Überzeugungen und Mythen entstehen, mvgverlag 2019, bei Routledge bereits 1999

MHG-Studie: Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz hier im Internet.

Kommentar zur Missbrauchskonferenz Ende Februar im Vatikan


Kategorie: Kirche

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