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Kommentar: Katholiken - sie sind einfach nicht da

Ich habe mich als erwachsene Frau für das Christsein entschieden, weil ich dazu gehören wollte. Dazugehören zu denen, die für die christlichen Werte stehen. Dafür brauche ich den Rückhalt in der Öffentlichkeit durch Vertreter meiner Kirche. Dieser ist nicht mehr zu spüren, zu sehen sind Bischöfe und Theologinnen schon gar nicht. Es sei denn es gibt irgendwelche Skandale. Ein Kommentar.

Ich lebe in einer Welt, in der ich mit Missbrauch, Lügen, Verheimlichungen, Unterschlagungen, mit Streit und Hass umgehen muss. Das sind Herausforderungen, die mein Werteempfinden angreifen. Gleichzeitig erlebe ich auch anderes wie Nachbarschaftshilfe, viel Unterstützung aktuell in der Hochwasserkatastrophe, Fürsorge für Kranke und Schwache und Engagement im sozialen Bereich. Christliches Verhalten, das selbstverständlich gelebt wird, auch von Nichtchristen. Wie beruhigend zu spüren, dass es viele Menschen gibt, die verantwortungsvoll zu einer wertorientierten Gesellschaft beitragen, dass nicht menschliches Ungenügen oder Skandale die Überhand gewinnen.

Unterstützung in einer Wertegemeinschaft

Ich will einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten angehören. Sie helfen mir, mich in dieser Welt nicht „unterkriegen“ zu lassen, für das Gute einzutreten, mir in den Evangelien vom Leben Jesu etwas abzuschauen. Sie sind wie ein Kompass auf dem großen, manchmal stürmischen Meer meines Lebens, die mich vor Verirrung, Verwirrung und Depression schützen. Ich bin in die Kirche eingetreten, deren Inhalt nicht Sport oder Musik ist, sondern die sich mit der Beziehung zu dem Großen, Transzendenten, zu Gott auseinandersetzt, die sich um die sozialen Belange einer Gesellschaft kümmert, die mich darin unterstützt, meinen Lebensauftrag und Lebenssinn zu finden und mich dabei am Leben Jesu auszurichten. Sie ist eine Wertegemeinschaft, die mir Rückenstärke gibt, wenn ich Unterstützung brauche. Von ihr kann ich erwarten, dass sie mich in der Öffentlichkeit vertritt, so dass ich auch durch sie nach außen geschützt bin. Gleichzeitig funktioniert das alles nur, wenn ich selbst eine aktive Mitgliedschaft eingehe. Meine direkte Beteiligung ist gefragt, damit sich sowohl im engen, wie weiteren Umfeld die Werte verwirklichen, wie Freiheit, Gerechtigkeit und Nächstenliebe. Dafür geben nicht nur Christen ein Beispiel.

Es braucht mutige Theologen

Mein Wirkradius, was ich als Einzelne erreichen kann, ist wie auch der einer Pfarrei nicht groß. Deshalb braucht es für die Kirche eine weitreichendere Form von Öffentlichkeit. Für die Welt steht der Papst.
Nun ist es aber so, dass ich auch an die Offiziellen, die obersten Kirchenvertreter meines Landes, ob Bischöfe oder Zentralkomitee der Katholiken, Erwartungen habe. Ich vermisse die regelmäßige Präsenz von „taffen“, aussagefreudigen und aussagekräftigen Theolog*innen aus der oberen Führung, die für die Medienarbeit geeignet sind, die eine „Figur“ abgeben, die nicht nur mit frommen, oft leeren Worten daherkommen oder sich nur mit sich selbst beschäftigen. In den Talkshows, den Nachrichten, in Fernsehmagazinen kommen viele zu Wort, Politiker*innen, Journalist*innen, Autoren*innen, Hausfrauen aber Theolog*innen meist nur bei Skandalen. Das schlägt auf das Image der Kirche zurück. Als Christin und „Mitglied“ gewinne ich den Eindruck, dass sich mein „Verein“ in irgendeiner dunklen Ecke verstecken muss. Wofür schämt er sich? Er zeigt sich einfach nicht regelmäßig mit relevanten Themen in den Medien und selten mit aussagekräftigen Statements, mit glaubwürdiger Präsenz, obwohl gerade sie in unserer Zeit viel zu sagen hätte. Wie soll ich das als Mitglied verstehen? Wäre dieser Verein ein Sportverein, hätte ich längst den Verein gewechselt.

Ein 2000 Jahre altes Gut nicht verschleudern

Ich möchte „stolz“ darauf sein können, der christlichen Kirche anzugehören. Denn wenn ich das über 2000 Jahre alte Gut unserer Religion betrachte, dann ist es genau das, was dazu beiträgt, dass sich eine Gesellschaft gesund, freiheitlich, sozial und gerecht entwickeln kann. Es ist der Grundstock, auf dem Wachsen und Entwicklung gedeiht. Es sind die Wurzeln unseres Abendlandes, aus denen sich unsere Gesellschaft nährt. Leider verlieren diese Grundannahmen, durch die unser Zusammenleben funktioniert und mit denen jeder seinen Lebenssinn findet, zunehmend an Relevanz in der Öffentlichkeit. So als wären sie selbstverständlich in uns angelegt und bräuchten keine ausdrückliche Beachtung. Es geht anscheinend auch ohne sie und damit auch ohne eine Kirche, die für diese Werte steht. Was aber ist mit den vielen heranwachsenden Kindern, die nicht mehr mit dem christlichen Gut konfrontiert werden, die als Ungetaufte keinen Religionsunterricht mehr erleben, keine Erstkommunion oder Firmung, die von Christus und seinem Leben nichts mehr erfahren?

Mehr Präsenz in den öffentlichen Medien

Kirche muss mit ihrem soliden Gut im Gespräch bleiben, im öffentlichen Raum mehr Präsenz zeigen, agieren nicht nur reagieren, wenn wieder etwas schiefgegangen ist. Sie braucht zu allen relevanten Themen in unserer Gesellschaft eine öffentliche Plattform. Nicht nur in eigenen Medien oder für Gottesdienste, sondern auch eine ständige Präsenz in den von allen genutzten Medien. Erst dann besetzt sie einen Platz, an dem sie aus ihrem Wertehintergrund heraus im öffentlichen Dialog Flagge zeigen, in Diskussionen gehen kann. Es geht dabei nicht um den moralischen Zeigefinger, noch um fromme Sprüche oder Besänftigungen, sondern darum zu zeigen, dass die Kirche Stellung zu den relevanten Themen in unsere Gesellschaft bezieht. Es geht um Orientierung für ethisches Handeln. Würde es nicht Sinn machen, so etwas wie einen Deutschen Ethikrat, einen weiteren für die Wirtschaftsordnung und einen für Bildung einzurichten.

Dringend notwendig ist es, für die speziellen Foren im Fernsehen wie für Zeitung und digitale Medien Theolog*innen zu finden und auszubilden, damit diese als ernstzunehmende Gesprächspartner*innen wahrgenommen werden. Es geht nicht darum, auf die Kanzel zu drängen, sondern vor das Mikrofon und in die Fernsehdiskussionen. Dafür brauchen die Bistümer wie die theologischen Fakultäten eine Strategie, wie sie solche Sprecher und Sprecherinnen finden und „aufbauen“.

Ein Kommentar von Jutta Mügge.


Kategorie: Kirche

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