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Kommentar: Das Macht-Missverständnis des Synodalen Weges

Die Katholische Kirche in Deutschland will ihren Abwärtstrend umkehren. Das soll durch eine andere Verteilung der Befugnisse geschehen. Dafür wird der "martialische" Begriff "Macht" gebraucht. Die Gläubige hatten bisher eigentlich als den Mächtigen in den Bittgebeten Gott angerufen. Was für eine Macht soll anders verteilt werden und was bringt das den einzelnen Gläubigen? Ein Kommentar.

Besitz und Geld sind die Mittel, um Einfluss und auch Macht auszuüben, die Gebäude, die Krankenhäuser, die Heime, die theologischen Fakultäten, das Recht, den Religionsunterricht zu bestimmen und die Religionslehrer auszubilden, Seelsorgern den Zugang zu Gefängnissen zu gestatten, die Militärseelsorge, Sendeplätze im öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehen. Diese Möglichkeiten sind durch die Religionsfreiheit gegeben, damit in der Gesellschaft dem Religiösen Raum und Zeit zu geben. Misst man die Macht der Kirche an ihrem Besitz und ihren Privilegien, dann ist ihr Machtpotential beträchtlich. Sie kann auch viele Arbeitsstellen finanziere und damit Macht über Angestellte.

Die eigentliche Macht des Religiösen liegt aber bei Gott, nämlich seine Zusage, die Sünden zu vergeben und in ein Ewiges Leben zu berufen. Im Johannesevangelium findet sich folgende Aussage über die Macht, die jeder Gläubige hat: „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.“ Kap. 1,12 

Es ist ein kompliziertes Machtgeflecht. Wenn die Kirche und in ihr die Kleriker Macht ausüben, dann kann das einmal die Institutionen betreffen. Sie kann auch in die Beziehung Gläubige-Gott eingreifen. Dieser Teil der Macht war Thema der Reformation. Wie nähert sich der Synodale Weg dem Phänomen „Macht“? Es findet sich folgende Begriffsbestimmung.  

„Im allgemeinen Sprachgebrauch verweist der Begriff „Macht“ vor allem auf Chancen, menschliche Interaktionen zu beeinflussen und deren Strukturen zu gestalten. Wer Macht hat, verfügt über Möglichkeiten, seine Überzeugungen zu verwirklichen und seinen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen. …..
Weil der Ort der Kirche die Welt ist, muss in ihr auch Gestaltungsmacht – als Handlungsmacht, Deutungsmacht und Urteilsmacht – organisiert sein, nicht zuletzt in der Leitung der Kirche.“

Macht kann nicht Begeisterung verordnen

Es wird aus der Definition nicht deutlich, welche Dimensionen der Macht neu geordnet werden sollen. Immerhin gibt es die Macht, die Gläubigen oder nur die im kirchlichen Sold Stehenden “gegen Widerstreben“ dahin zu lenken, wo man ihn haben will. Tatsächlich gab es Missionsmethoden, die Menschen zur Verehrung Gottes zu zwingen und sich taufen zu lassen. Aber haben sie dann an die Vergebung der Sünden und an das Ewige Leben auch geglaubt, so wie sie es im Glaubensbekenntnis aussprechen: Ich glaube …. an die Vergebung der Sünden, die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“
Psychologisch erachtet haben die Kleriker die Macht über diese Glaubensinhalte, wenn die Menschen ihnen diese zubilligen. Dieses Zutrauen dürfte sich weitgehend verflüchtigt haben. Es wird auch nicht, in ökumenischer Bezugnahme auf Luther, in den Ausführungen des Synodalen Weges thematisiert.

Es braucht eine theologische Bestimmung der Macht

Schon psychologisch funktioniert „Macht“ erst erfolgreich, wenn es einen Geist in der Gruppe, in der Firma, in der Einrichtung gibt. Wenn die Mitarbeiter, die Mitglieder an dem, was die Leitung des Unternehmens will, nicht glauben und wenn sie, wie beim augenblicklichen Zustand der Kirche in Deutschland, keinen Erfolg erwarten, dann haben die Produkte Mängel und die Dienstleistungen werden unwirsch und unvollständig erbracht. Der Direktor einer Schule kann keine Lernmotivation befehlen, sondern nur Notendruck ausüben. Aber erst, wenn die Schüler etwas lernen wollen, werden sie auch gute Klassenarbeiten schreiben. Deshalb wird in der Kirche seit Anfang an dem Heiligen Geist, dem Geist Gottes zugeschrieben, wenn die Menschen das auch glauben, was sie im Glaubensbekenntnis sagen. Mit dem Glauben, der inneren Begeisterung hapert es doch in der Katholischen Kirche in Deutschland. Wenn die Kleriker Begeisterung und damit Glaubensbereitschaft bewirken könnten, hätten sie nicht nur institutionelle Macht, sondern auch Macht über den Glauben. Gerade die haben sie aber nicht, wie an den rückgehenden Zahlen der Gottesdienstbesucher, der Taufen, der Eheschließungen deutlich wird. Das Ganze, über das sie bestimmen, also Gottesdienste, Exerzitien, Religionsunterricht, Vergebung der Sünde in der Beichte "funktionieren" erst, wenn es der Geist wirkt, der vergleichbar dem Geist eines Heeres ist, den Sieg zu erringen. Zum Vergleich, wie Macht aus dem Einsatzwillen der Soldaten erwächst, kann am Russlandfeldzug Hitlers abgelesen werden. Die Schlachten gegen Frankreich und England, als Revanche für die Niederlage 1918 erlebt, beflügelten die jungen Soldaten. Da kann dann auch Macht missbraucht werden. Aber wenn das Unternehmen lahmt, hat auch die Leitung wenig Macht. Wo lässt sich dann klerikale Macht noch verteilen, wenn sie sich wie das Polareises längst aufgelöst hat
Gemeint mit der obigen Beschreibung kann also nicht die Macht sein, ein Ewiges Leben zu vermitteln. Diese Vermittlungsmacht wurde wohl von früheren Generationen den Priestern zugetraut und manche Kleriker haben wohl geglaubt, dass sie mit der Weihe diese Macht auch bekommen haben. Es gibt ein Wort Jesu, das solch eine Macht anspricht: "Alles, was ihr auf Erden binden werdet, wird auch im Himmel gebunden sein, alles was ihr auf Erden löst, wird auch im Himmel gelöst sein.“ Es gibt in den Sakramenten also noch etwas Bestimmendes, aber der Priester kann es nur bestimmen, jedoch nicht bewirken. Die Sakramente werden deshalb auf eine Einsetzung durch Jesus zurückgeführt, weil er bestimmt, was sie bewirken sollen und sein Geist, der Heilige Geist bewirkt, was der Priester zusagt.

Macht zur Verweigerung oder Aufmerksamkeit für die Begabungen

In den dem Kern, weswegen es Kirche gibt, liegt die Macht der Kleriker fast nur im Verweigern, wenn er dem Beichtenden die Lossprechung verweigert, in der Eucharistiefeier nicht die Gegenwart Jesu in Brot und Wein vermittelt. Diese Macht ist wohl nicht gemeint, sondern die Bestimmungsmacht über die Institutionen. Wenn er positiv Macht ausübt, dann gelingt ihm das nur, wenn er in der Intention Jesu zuspricht.
Wie in einem Unternehmen, das die Begabungen anzieht, weil es nicht rigide von oben geführt wird, sondern den Mitarbeiter:innen Freiraum lässt, im Sinne des Unternehmens zu arbeiten, ist auch die Kirche auf die Begabungen ihrer Mitglieder angewiesen. Seit den ersten Gemeinden werden diese Begabungen Charismen genannt. Mit diesen soll Gottesdienst gefeiert, den am Rand Stehenden geholfen, auf die Wertentwicklung in der Gesellschaft hingewirkt werden. Diese Charismen „machen“ nicht die Kleriker, sondern der Geist. Gibt die Leitung einer Einrichtung, einer Gemeinde, eines Verbandes den Charismen keinen Raum dann gebraucht sie die ihr gegebenen Leitungsmacht nicht. Sie irrt auch theologisch, denn sie nimmt die Charismen nicht als Gabe des Hl. Geistes entgegen, sondern missachtet dieses Gottesgeschenk. Dieser Geist als das „Zwischen“, das in einem Gottesdienst, in einem Krankenhaus, einem Heim oder einer Schule wirkt, ist nicht, wie der Synodale Weg behauptet, aus der Kirche verschwunden, sondern nur aus der von Bischöfen und Klerikern organsierten Pfarrei. Den Kindergärten, der Schuldnerberatung u.a. Diensten der Caritas, kirchlichen Schulen und Verbänden wie den Georgspfadfindern gelingt es offensichtlich, die Begabungen, die Charismen ihrer Mitarbeiter und Mitglieder zur Entfaltung zu bringen.

Das Konzil hat eigentlich schon alles geregelt:

Das Konzil hatte zu klären, ob es für die aktive Betätigung der Gläubigen die Kleriker eine Art Auftrags-Macht haben. Konkret hieße das, dass die Aktivität der Laien eines Auftrages durch Priester oder Bischof bedarf. Die Klärung durch das Konzil lautet: Dafür reichen Taufe und Firmung, eines eigenen Auftrags durch einen Kleriker bedarf es dafür nicht, z.B. einen Gebetskreis ins Leben zu rufen, eine Hausaufgabenhilfe oder einen Verband zu gründen. Die Vorsitzenden eines Vereins wie auch die Jugendgruppenleiter wurden schon vor dem Konzil nicht vom Pfarrer eingesetzt, sondern von Mitgliedern gewählt. Die Zerschlagung der Vereine durch die Achtundsechziger führt zu dem heutigen Zustand der Pfarrei, auch weil Führungspersönlichkeiten, von denen es in Vereinen immer zu wenige gibt, in die Pfarrgemeinderäte gelockt und damit die Verbände derjenigen beraubt wurden, die die Gruppe hätten zusammenhalten können. Diese Begabungen gewinnt die Pfarrei nicht mehr, auch nicht für den Priesterberuf. Sie gehen anderswo hin.
Warum die Vereine die „alte Pfarrei“ mehr belebt haben als der Pfarrgemeinderat ab den siebziger Jahren wird in folgendem Beitrag analysiert: Beziehungskrise: Gläubige und ihre Priester

Link zu den Dokumenten des Synodalen Weges Bisher erarbeitete Dokumente:

Ein Kommentar von Eckhard Bieger SJ

Link zur Thematik “Sexueller Missbrauch“, der Auslöser für den Synodalen Weg war:
 Der Synodale Weg lässt den sexuellen Missbrauch unerledigt liegen


Kategorie: Kirche

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