Sophienkathedrale in Kiew, Foto: explizit.net E.B.

Die gespaltene Orthodoxie ermöglicht auch den Krieg

In der Ukraine gehören viele Gemeinden zur Russisch-Orthodoxen-Kirche. Der Moskauer Patriarch hat dem Krieg gegen das Land vieler seiner Gemeinden nicht widersprochen, der Metropolit für diese Gemeinden in Kiew sehr dezidiert. Die Orthodoxe Kirche ist damit gespalten und war vorher schon zu schwach, dem Einmarsch öffentlich entgegenzutreten.

Zum Foto: Die Sophien-Kathedrale in Kiew ist der Hagia Sophia in Konstantinopel nachempfunden, sie war die zentrale Kirche der Rus bis zur Zerstörung Kiews durch die Mongolen 1240. Der heutige Bau ist Museum.

Die Bewohner der Rus wurden mit der Taufe des Kiewer Großfürsten Wladimir 988 christlich. Kiew war damit auch der Sitz des Metropoliten. Nach dem Ende der Goldenen Horde im 16. Jahrhundert wurde Moskau der Sitz des Patriarchen. Wie in Belarus blieben auch die Gemeinden der Ukraine beim Patriarchen, der jetzt nur in einer anderen Stadt seine Kirche hat, in Moskau ist es die Erlöserkirche. Die Annexion der Krim und der Dauerkrieg im Donbass belastete diese kirchliche Zusammengehörigkeit, jetzt ist sie wohl zerbrochen. Der Moskauer Patriarch hat sich auf den Standpunkt zurückgezogen, das es die eine Kirche der Rus gibt, die Grenzen der Staaten hätten sich schon oft verschoben.  

Patriarch und der Kiewer Metropolit seiner Kirche

Das russische und das ukrainische Volk verbindet eine jahrhundertealte Geschichte, die auf die Taufe Russlands durch den heiligen Fürsten Wladimir, der den Aposteln gleichgestellt ist, zurückgeht. Ich glaube, dass diese von Gott geschenkte Gemeinschaft dazu beitragen wird, die Spaltungen und Widersprüche zu überwinden, die zu dem gegenwärtigen Konflikt geführt haben.“ Patriarch Kyrill am 24.2.22

Sein Pressesprecher „respektiert“ die Entscheidung Russlands mit diesen Worte am 22.2. „Die Grenzen der Staaten auf dem kanonischen Territorium der Russischen Kirche haben sich mehrfach geändert, während die Einheit der Kirche stets gewahrt blieb. Gleichzeitig respektiert die Kirche die politischen Entscheidungen der Völker“. Diese Einheit besteht nicht, denn sonst wäre der Krieg nicht ausgebrochen.
Der Patriarch hätte den Krieg verhindern müssen, allein schon ,um seinem Amt gerecht zu werden und sich ncihtauf das russische Territorium zu beschränken.Er hat sich nicht als der Patriarch seiner Gemeinden in der Ukraine verhalten und wird sie daher verlieren.
Der im Kiewer Höhlenkloster residierende Metropolit Onufri, Oberhaupt der Gemeinde in der Ukraine, die mit Moskau verbunden sind, bezieht eindeutig Stellung:

„Das ukrainische und das russische Volk sind aus dem Taufbecken des Dnjepr hervorgegangen, und der Krieg zwischen diesen Völkern ist eine Wiederholung der Sünde Kains, der seinen eigenen Bruder aus Neid erschlug. Für einen solchen Krieg gibt es keine Entschuldigung, weder von Gott noch von den Menschen. Ich appelliere an den gesunden Menschenverstand, der uns lehrt, unsere irdischen Probleme im gegenseitigen Dialog und im gegenseitigen Verständnis zu lösen.“

Die Russisch-Orthodoxe Kirche ist nicht frei

Was dem Moskauer Patriarchen vorgehalten wurde, eine zu große Nähe zum Präsidenten, führt jetzt zum Verlust der ukrainischen Gemeinden, denn diese werden als Agenturen des Feindes angesehen. Da es zwischen den orthodoxen Kirchen kein Lehrunterschiede gibt, können ein Bistum wie eine einzelne Gemeinde einfach die Zugehörigkeit wechseln. Nach den Protesten 20213/14 und der Flucht des Präsidenten Janukowitsch gab es die Initiative, für die Ukraine eine eigene Kirche mit möglichst einem eigenen Patriarchen zu errichten. Das gelingt aber erst, wenn andere Kirchen dem zustimmen, entscheidend ist das Votum des Patriarchen von Konstantinopel, der im heutigen Istanbul seinen Sitz behalten hat. Diese erging 2018 und wurde durch einen Tomus 2019 bestätigt.

Rom hat wenige Möglichkeiten

Während der Patriarch von Konstantinopel bereits von Papst Paul VI. gestützt wurde, ist das Moskauer Patriarchat auf Distanz zu Rom gegangen. Der Papst konnte Istanbul besuchen, aber bisher Moskau nicht. Der Moskauer Patriarch und der Papst haben sich 2016 in Kuba getroffen. Einen gegenseitigen Besuch verhindert die Mehrheit der russischen orthodoxen Bischöfe. Wie auch Putin den Westen als dekadent hinstellt, gilt die Katholische Kirche als zu nahe am Protestantismus und damit als häretisch. So dürfen orthodoxe Christen in einer katholischen Messe nicht die Kommunion empfangen, Katholiken jedoch in einer orthodoxen Eucharistiefeier. Der Papst hat seine Friedensinitiative dem russischen Präsidenten in der Weise unterbreitet, dass er den russischen Botschafter beim Vatikan nicht einbestellt, sondern in seiner Botschaft aufgesucht hat.

Nicht theologisch, sondern gefühlsmäßig kommen Ost und West auch kirchlich nicht zusammen

Das ist eine Mentalitätsfrage, denn die theologische Differenzen sind minimal und die orthodoxe Liturgie trennt die Kirchen nicht. So feiern die mit dem Papst verbundenen Diözesen in der Westukraine die gleiche Liturgie wie die Gemeinden der beiden anderen Kirchen. Die Distanzierung wird nicht zuletzt von der Russisch-Orthodoxen Kirche getragen. Die Verunglimpfung der ukrainischen Regierung als faschistisch und dogenabhängig durch den russischen Präsidenten kann an der auch von der Russisch-Orthodoxen Kirche genährten Vorstellung vom dekadenten Westen anknüpfen.
Über diese tiefsitzende Abgrenzung zum Westen in der russischen Bevölkerung berichten deutsche Korrespondenten nicht.

"Bestrafung" für die Anereknnung der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche

Dass die Moskauer Kirchenleitung wegen der Westorientierung und der religiösen Eigenständigkeit der Ukraine nicht einfach Nein zu dem Einmarsch gesagt hat, ist keine kurzfristige Entscheidung. Das kann an vielen Reaktionen abgelesen werden. Zwei seien hier genannt:
Das Moskauer Patriarchat baut eine eigene Kirchenstruktur mit Bischöfen in Afrika auf. Das Motiv ist nicht Mission, sondern die Reaktion auf die Anerkennung der neu gegründeten Ukrainisch-Orthodoxen Kirche durch den Papst der Kopten, also eine Strafmaßnahme.
Länger zurück liegt die Absage an das lange vorbereitete und fällige Panorthodoxe Konzil 20216 auf Kreta. Grund war ein vorbereitendes Dokument, das das Verhältnis zu der westlichen Kirche klären sollte. Moskau wollte mit anderen orthodoxen Kirchen nicht, dass Rom als apostolische Kirche, also die sich auf die Apostel zurückführen lässt und den ursprünglichen Glauben bewahrt hat, anerkannt wird. Es nahm nicht an dem Konzil teil.

Es fehlt die ethische Kraft

Man stelle sich vor, der spanische Ministerpräsident müsse sich vor den Spaniern als national erweisen, die Ehre Spaniens wiederherstellen und er käme auf die Idee, Portugal als Provinz dem Spanischen Staat einzuverleiben. Wenn man Belarus mit dem an Spanien angrenzenden Frankreich vergleicht, dann würde der französische Präsident den Kriegszug Spaniens unterstützen, um Vorteile vom spanischen Nachbarn zu ergattern. Nicht nur die Bischofskonferenzen der drei Länder würden sich dem entgegenstellen. So wie es eine absurde Vorstellung ist, Spanien würde innenpolitischen Problemen durch einen Krieg gegen Portugal ausweichen, wäre es, dass die Kirchen dieser Länder dazu schweigen, sowie es der russische Patriarch und die orthodoxen Bischöfe in Belarus gerade tun. Es ist aber nicht nur die ethische Schwäche der Orthodoxie. Auch der Westen muss sich fragen, warum ein solcher Krieg überhaupt möglich ist. Dazu folgt ein weiterer Beitrag.

Die Zitate oben sind aus dem Newsletter von Renovabis entnommen. Hier finden sich regelmäßig Informationen über die ehemaligen Länder der Sowjetunion und Jugoslawiens. Dieser Newsletter ist über die Homepage von Renovabis leicht zu ordern: Hier zur Anmeldung Renovabis-Newsletter

explizit berichtet weiter über die Hintergründe des Konflikts. Es reicht nicht, die Psychologie Putins zu ergründen, es gibt kriegstreibende Faktoren und es fehlt eine vorausschauende Politik des Westens. Russland muss seinen Platz in Europa bekommen.  

Links:
Über die schwierigen gesellschaftlichen Entwicklungen in der Ukraine und die Loslösung von Moskau sind Beiträge bei hinsehen.net zusammengestellt: Ukraine – eine Nation baut ihren Staat-
Russland ist zwischen Europa und Asien hin- und hergerissen. Die politischen Konzepte, ob Liberalismus oder Kommunismus, haben das Land nicht weitergebracht. Hier Beiträge, die die Skepsis Russlands gegenüber dem Westen erklären. Es geht bis zum Überfall des Deutschen Ordens 1242 auf die Rus zurück, während die Mongolen gerade Kiew u.a. Städte niedergebrannt hatten. Die Artikel sind zusammengestellt unter Russland und der Westen

Warum Putin die Ukraine nicht unterwerfen kann, ist hier erklärt: Putin treibt die Ukraine Richtung Westen

 

 


Kategorie: Kirche

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