Diskutiert wird, ob der Priester durch die Weihe Leiter wird oder ob auch andere leiten könnten und der Priester sich auf die Spendung für die Sakramente zurückzieht. Hier werden Aspekte der Pfarrer-Rolle, also des leitenden Pfarrers, vorgestellt,
Priester unter Leitung von Nichtpriestern
Die Leitung, die Priester in Pfarreien ausüben, gibt es in Frauenklöstern nicht. In nicht wenigen Klöstern wohnen Priester, um speziell priesterliche Aufgaben wahrzunehmen, also für die Feier der Messe, die Lossprechung in der Beichte und die Spendung der Krankensalbung. Das trifft auch auf Mönchsgemeinschaften und Brüderkonvente, z.B. von Hospitalorden zu, die nicht von einem Priester geleitet werden. Auch in den Pfarreien gibt es Priester, die nicht Pfarrer sind, junge Priester, aber auch Ältere.
Für die Leitung einer Pfarrei legt das Kirchenrecht fest, dass derjenige, der die Pfarrei leitet, auch die Vollmacht haben muss, der Feier der Eucharistiefeier vorzustehen. Das ist eine Regelung für die lateinische Kirche. Sie kann bedeuten, dass der Pfarrer nicht nur Dienstherr von Küster, Organist, Kindergartenleiterin, Sekretärin ist, sondern auch von den Chefärzten, des Verwaltungsleiters, der Pflegedirektorin und allen Angestellten des Krankenhauses der Pfarrei sein kann.
Es gibt innerhalb der katholischen Kirche in den nicht-lateinischen Riten auch andere Regelungen. Die im Süden Indiens syro-malabarische Kirche legt die Verwaltung der Pfarrei in die Hände von vier Personen, um den Pfarrer für die Seelsorge freizustellen. In Deutschland werden inzwischen auch Kindergärten einem Geschäftsführer unterstellt, um die weniger gewordenen Priester zu entlasten.
Der Überblick zeigt bereits, dass Leitung nicht notwendig die Priesterweihe voraussetzt, jedoch nicht umgekehrt, dass der priesterliche Dienst grundsätzlich von Leitungsaufgaben getrennt werden müsste. Das wurde von der Professorin für Dogmatik bei der Tagung "Gestaltwandel des Priesterlichen" festgestellt. Es ist daher zu begründen, warum Priester gerade eine Pfarrei, nicht aber eine kirchliche Schule oder eine kirchliches Altersheim leiten müssen.
Priester als Hirte
Der Pfarrer soll nicht nur die ihm unterstellten bezahlten Kräfte leiten, sondern die ganze Pfarrei, also alle Gläubigen. Deshalb wird er in manchen Regionen "Pastor", Hirte genannt. Er ist nicht nur, wie z.B. der Krankenhausseelsorger, für die Einzelseelsorge beauftragt, sondern auch für das Gesamt der Pfarrei. Für diese Leitung gibt es einige Vorgaben aus der Bibel, die sich meist auf die innere Haltung beziehen. "Wer unter Euch der Erste sein will, sei Euer aller Diener." Vom Leitungsverständnis Jesu leitet der Pfarrer hin zu Gott und tut das erst einmal durch die Gottesdienste. Von hier aus soll sich dann wohl das Verständnis seiner Leitung bestimmen lassen. Er leitet religiös Menschen zu Gott hin, die wie er Sünder sind und das Erbarmen Gottes erfahren sollen. Als Hirte soll er sich nicht nur um die Herde insgesamt, sondern auch um die Schafe kümmern, die sich von der Herde abgesondert und sich so verirrt haben, dass sie von sich aus nicht zur Herde zurückfinden. Wenn es um Fehlverhalten geht, dann kann der Pfarrer das Problem nicht durch Entlassung lösen, sondern muss deshalb auf Versöhnung aus sein, weil Gott niemanden aus seinem Heilsplan ausschließt. Insgesamt gilt, dass die Herde nicht ihm gehört, sondern Gott. Er soll sich aber nicht als "Mietling" verstehen, sondern als der wirkliche Hirte, der sein Leben für die Schafe hergibt. Jesus beklagt an anderer Stelle, dass die Menschen sich selbst überlassen sind, weil "sie keine Hirten haben."
Leitung braucht Leitungsverfahren
Für die Leitung braucht der Pfarrer wie andere Leitungskräfte Handwerkszeuge. Dafür scheinen ihm keine anderen zur Verfügung zu stehen als die, die ein Bürgermeister oder Geschäftsführer einsetzt. Denn Leitungsverfahren scheinen einer allgemeinen Grammatik zu folgen. So wie für die Sätze einer Predigt nicht eine eigene Grammatik zugrunde gelegt wird, um das Besondere des religiösen Anliegens zum Ausdruck zu bringen, sondern die Grammatik der jeweiligen Sprache das Verstehen ermöglicht, funktioniert Leitung ähnlich nach den allgemeinen Anforderungen. Es muss ein Ziel geben, auf das hin man gemeinsam aufbricht, jeder muss im Ganzen seinen Platz finden und möglichst eine Aufgabe erhalten, die ihm Anteil am späteren Erfolg gibt. Auf dem Weg zum Ziel müssen immer wieder Entscheidungen getroffen werden. Dafür braucht es die Leitung zumindest deshalb, damit sie die Entscheidungen zeitnah veranlasst. Sie kann diese alleine treffen oder sich des Rates anderer versichern. Hierfür besteht für kirchliche Unternehmen ein Muss:
Charismen gestalten die Kirche, nicht straffe Leitung
Eine christliche Gemeinde leitet sich nicht selbst, sondern wird vom Geist Gottes geleitet. Dieser gibt sich nicht allein dem leitenden Priester kund, sondern auch anderen. Das erste Konzil, das über die Eintrittsbedingungen in eine christliche Gemeinde entscheiden musste, legt seine Entscheidung mit dieser Einleitung vor: "Der Heilige Geist und wir haben entschieden ...." Apostelgeschichte 15,28. Die Frage, ob Gottes Geist will, dass die Neuchristen die jüdischen Ritualgesetze übernehmen müssen, wenn sie aus anderen Kulturen kommen, wurde auf Grund konkreter Erfahrungen mit Nein entschieden. Der Geist zeigt sich in Versammlungen, in Synoden wie auch in den Begabungen der Gemeindemitglieder. Für das Zusammenspiel hat Paulus das antike Bild des Leibes herangezogen, welches das Funktionieren eines Gemeinwesens erklären soll. Nach dem Bild des menschlichen Körpers sollen die Gläubigen mit ihrer Begabung jeweils in anderer Funktion zusammen den Leib der Gemeinde bilden.
Ein Hauptamtlichen-Kirche braucht keine Charismen mehr
Dieses Kirchenbild, dass jeder Gläubige eine Funktion hat, ist für die Pfarreien in Deutschland inzwischen außer Kraft gesetzt. Deshalb stellt sich in der deutschen Kirche die Machtfrage auf besondere Weise. Denn hier planen Hauptamtliche Angebote, zu denen die Gläubigen eingeladen werden. Die Charismen scheinen an die Funktion „Hauptamtlicher“ gebunden zu sein. Eigentlich wäre es Aufgabe des Pfarrers, diese vom Geist Gottes geweckten Charismen zu koordinieren und ihnen Raum zu geben. Dann gäbe es den Unterschied zwischen bezahlten Hauptamtlichen und nicht bezahlten Ehrenamtlichen nicht mehr. Denn wenn die Charismen die Gemeinde gestalten, kann der Pfarrer nicht bestimmen, was passiert, sondern es passiert das, was die Charismen entwickeln. So war es gedacht und funktionierte auch in den ersten Jahren der jungen Kirche. Dieses harmonische Zusammenwirken wurde allerdings bald durch Lehrstreitigkeiten infrage gestellt. Hier könnte das Besondere des priesterlichen Leitungsamtes liegen.
Die Garantie der Lehre begründet Leitungsbefugnis des Priesters
"apostolisch" nennt sich die frühe Kirche, d.h. sie beruft sich auf diejenigen, die Jesus begleitet haben und dem vom Tode Auferstandenen begegnet sind. Deren Predigt muss erhalten bleiben. Sie ist in den 27 Texten des Neuen Testaments dokumentiert. Hier finden sich auch die ersten Probleme und Hinweise zur Gemeindeleitung.
In der Anfangsphase wurden die Gemeinden von einem Gremium, dem Presbyterium geleitet. Als es dann zu internen Lehrstreitigkeiten kam, hat sich diese presbyteriale Leitung wohl nicht bewährt, so dass den Bischöfen als Nachfolgern der Apostel die Verantwortung für die Lehre zugewachsen ist. Faktisch leiten die Pfarrer einer heutigen Großpfarrei eine ähnlich große Zahl von Christen wie ein Bischof der frühen Kirche und heute auch vieler Diözesen in Italien und Gebieten mit wenigen Christen. Die Position des Pfarrers, die vom Zentralkomitee der Katholiken und Maria 2.0 infrage gestellt wird, ist wohl von der Garantie für die Lehre bestimmt, denn die Priester sind dem Bischof in besonderer Weise verpflichtet. Leitung heißt in einem Weltanschauungsunternehmen, den zentralen Inhalt zu sichern, der wie das Rezept für Coca-Cola nicht verändert werden darf. Wenn diese Person noch die zentralen Riten verwaltet, wird verstehbar, warum sie die bestimmende Leitung in der Katholischen Kirche hat. Dabei ist sie zugleich in das Charismen-Konzept eingebunden und kann für sich nicht beanspruchen, die Lenkung durch den Geist Gottes besser zu verstehen als die anderen.
Der besondere Eid der Kleriker begründet wohl die Leitung des Pfarrers
Dass in der Sorge für die Lehre der Kirche das besondere Leitungscharisma begründet ist, wird anderem an dem Eid deutlich, der seit 1910 von Klerikern, Ordensoberen und Beamten des Vatikans und der bischöflichen Verwaltung abgefordert, von Paul VI. 1968 in ein Glaubensbekenntnis umgewandelt und von Johannes Paul II 1989 um diese Zeilen erweitert wurde:
„Fest glaube ich auch alles, was im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist und von der Kirche als von Gott geoffenbart zu glauben vorgelegt wird, sei es durch feierliches Urteil, sei es durch das ordentliche und allgemeine Lehramt. Mit Festigkeit erkenne ich auch an und halte an allem und jedem fest, was bezüglich der Lehre des Glaubens und der Sitten von der Kirche endgültig vorgelegt wird.
Außerdem hange ich mit religiösem Gehorsam des Willens und des Verstandes den Lehren an, die der Papst oder das Bischofskollegium vorlegen, wenn sie ihr authentisches Lehramt ausüben, auch wenn sie nicht beabsichtigen, diese in einem endgültigen Akt zu verkünden.“
Die oben beschriebenen Funktionen und Rollen gelten noch für die Pfarrei, in der der Pfarrer neben der Kirche wohnt, dort predigt, tauft, Beichte hört, Kontakt zur Schule hat und im Ort bzw. Stadtteil eine repräsentative Rolle hat. Inzwischen wird in Diözesen das Pfarramt nicht mehr auf so viel Priester verteilt. In den Bistümern Essen, Trier und demnächst Freiburg gibt es nur zwischen 30 und 40 solcher mit Leitungsgewalt ausgestatteten Personen.
Weitere Beiträge zur Priesterfrage: Priester - kein Artenschutz für eine aussterbende Spezies
Wie diese Leitung konkret ausgeübt werden kann und welche Verfahren dafür zur Verfügung stehen, ist Thema eines weiteren Beitrages.
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