Religion braucht lebendige Orte, lebendig, weil sie dem Leben Gestalt geben und mit dem Tod versöhnen will. Solange Rathaus, Markt, Wirtshaus und Kirche zusammenhingen, funktionierte Pfarrei. Die Kirche war nicht nur mit ihrem Gebäude, sondern auch mit ihren Werten und dem Verständnis des Menschen „mitten drin“ im Dorf, in der Stadt. Wo trifft Religion heute auf lebendige Orte? So einfach, wie es über Jahrhunderte war, ist es nicht mehr. Die Menschen leben und arbeiten nicht mehr an dem einen Ort, sondern sind in der Region unterwegs. Denn die Region ist der Raum, in dem sich Beruf, Wohnen, Sport, Ausgehen, Schule und Studium, Kino und Theater abspielen.
Wie der regionale Verkehrsverbund
Die Kirchenorganisation passt sich dem langsam an. Während früher der Radius so weit gezogen wurde, wie der Kirchturm zu sehen war, kann eine Region einen Durchmesser von 70 und mehr Kilometern haben. Die neuen Pfarreien mit 20.000 Mitgliedern sind noch zu klein bemessen. Selbst wenn wie im Bistum Trier die Pfarreigrenzen auf die der Landkreise abgestimmt werden, umfasst die kirchliche Organisationstruktur nicht den Lebensraum von Wohnort, Einkaufszentrum, Arbeitsplatz, Sportstätte und Fitnessstudio, Kino, Autowerkstatt. Der Nahverkehr hat ein Modell gefunden, wie die bestehenden Schienen und Busstrecken so miteinander verzahnt werden, dass eine App genügt, um die Verbindungen zu finden, die einen ans Ziel bringen. In manchen Metropolregionen gibt es noch mehrere Regional-Zeitungen, obwohl eine für die ganze Region notwendig wäre. Die regionalen Radio- und Fernsehsender haben sich nicht so entwickelt, dass sie das zentrale Kommunikationsmittel für ihr Gebiet geworden wären. Bildungsträger sind selten regional aufgestellt, sondern, auch wegen der Trägerschaft, an Kommunen orientiert.
Die Kirche bleibt nur medial im Dorf
Mit dem Kirchturm, dem Versammlungsraum für Gottesdienste, der Bibliothek, dem Kirchenchor hatte das Dorf seinen geistigen Orientierungspunkt. Die Kirche im Dorf zu lassen, hieß, dem Ort eine geistig-moralische Orientierung zu geben. Das leistet kein Kirchturm mehr und die Funktürme sind nur technische Gebilde ohne den Symbolwert, den ein Kirchturm hat. Ähnlich wie die Kirche hat die Regionalzeitung ihre bestimmende Funktion verloren. Das Internet hat noch kein Format entwickelt, das die Leuchtturmfunktion für eine Region übernehmen könnte.
Kirchenorganisation für eine Metropolregion
Kirche als Institution sichert Taufen, Beerdigungen, Erstkommunion, Hochzeiten, betreibt Kindergärten und unterhält Kirchengebäude. Damit dient sie dem religiösen Leben. Diese Leistungen waren bisher um den nahen Kirchturm herum organisiert. Sie können genauso großräumiger, sogar für eine Region organisiert werden. Internet und Telefon machen das möglich. Das ist die eine Seite der Kirche, die andere ist das, was mit Gemeinde gemeint ist, nämlich das Zusammen der Gläubigen. Die größer gewordene Organisationstruktur „Pfarrei“ ermöglicht allerdings nicht mehr die Gemeinschaftserfahrung. Denn Pfarrei heißt nicht mehr, dass die Menschen eine Kirche in der Nähe haben, die sie zu Fuß erreichen. Durch Zusammenlegung von mehreren hundert bisherigen Pfarreien einer Diözese auf weniger als 40 findet sich der Katholik nicht mehr in einer Kommune, sondern in einer Region und in ländlichen Gebieten in einem Landkreis wieder. Wenn ein zentrales Büro Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen organisiert, ist die Funktion der Pfarrei gesichert, jedoch nicht die aus dem Evangelium inspirierte Praxis. Diese lässt sich nicht durch Optimierung der Struktur erreichen. Als die Pfarrei noch im Nahraum funktionierte, waren persönliche Glaubenspraxis und Organisationsstruktur näher zusammen. Je größer die Pfarreien werden, desto weniger finden die Menschen mit den bisherigen Angeboten der Pfarrei Zugang zu ihrer persönlichen Religiosität und andere, mit denen sie beten, die Bibel lesen, Lebensfragen besprechen können. Matthias Schmidt hat beschrieben, warum ein Gottesdienst in Kirchenbänken nicht mehr funktioniert.
Es braucht neue Gemeindeformen
Die Pfarrei wird als Organisationseinheit überleben. Gottesdienste, Pfarrfeste u.a. Formate erreichen nur noch die Älteren. Die Jüngeren können mit der Messe nur noch wenig anfangen. Auch prägt der Gottesdienstbesuch nicht mehr wie früher den Sonntag. Selbst die hohen Festtage werden nicht mehr dadurch zum Fest, dass die einzelnen an einem Gottesdienst teilnehmen. Wenn die Gläubigen nicht mehr beten, nicht mehr Gottesdienst feiern, sondern Ostern nur noch durch bemalte Eier und Schokoladen-Osterhasen erleben können, dann prägt Religion nicht mehr das Leben. Auch wenn das alltägliche Leben durch viele Routinen und zu erledigende Aufgaben bestimmt wird, es erschöpft sich nicht in dem, was von außen gefordert wird. Jeder Mensch entwickelt eine Vorstellung, was es mit seinem Leben auf sich hat. Wir nennen das die Sinnfrage. Die stellt sich gerade aus der Langweile des Alltäglichen. Wir bringen zwar mit dem, was zu tun ist, unsere Tage zu, aber gerade deshalb stellt sich die Frage nach dem Wofür. Für die Beantwortung dieser Frage gibt es Religion. Das Wofür bringt die Frage hervor, nicht zuletzt, wofür ich gelebt habe, wenn der Tod der unausweichliche Endpunkt meiner Tage hier ist. Religion will gerade etwas über das Danach sagen und zugleich, wie ich hier leben kann, damit ich mich auf das Danach vorbereite. Das hat Religion früher geleistet. Es muss neu in die Metropol- wie die anderen Regionen eingelesen werden. Dafür braucht es neue Formen., die über die digitalen Medien Zugang in die Lebenswelt der Zeitgenossen finden. Diese neuen Formen kommen am ehesten aus den Caritaseinrichtungen und -gruppen. Das kann man an fast jedem Ort beobachten, wie rege der Betrieb in und um den Kindergarten ist und wie wenig frequentiert der Kirchenraum. Caritaseinrichtungen erreichen den Lebensnerv der Menschen sehr viel besser als die Pfarreien, die auch wegen des Priestermangels zusammengelegt werden. Kindergarten, Heime, Gruppen, die sich für Immigranteneinsetzen, Nachbarschaftshilfe, Pfadfinder u.a. Jugendgruppen, Chöre, Seniorenkreise sind auf dem Weg, religiös zu beheimaten, was die Großpfarrei nicht leisten kann. Das hat auch einen religiös-theologischen Grund
Caritas, Liturgie, Verkündigung verbunden durch Kommunikation
De katholische Kirche versteht sich von den Grundvollzügen Diakonie, Liturgie und Martyria, Bekenntnis - Verkündigung des Evangeliums. Erst wenn diese drei Funktionen zusammen realisiert werden, wächst christliche Gemeinde. Da die Pfarrei sich immer mehr auf Liturgie reduziert hat, wirkt sie nicht so lebendig wie vor 40 Jahren. Die Gründe für diese Entwicklung sind komplex und haben mit der oben beschriebene Nähe der früheren Dorf- und Stadtteilstrukur zu tun. Da die Caritas sich neu der religiösen Bildung und der Liturgie zugewandt hat und spiritueller geworden ist, bringt sie mit ihrem Element Diakonie sehr viel bessere Voraussetzungen für neue Formen christlicher Gemeindebildung mit als die in eine Großorganisation transformierte Pfarrei.
Lebendige Kirche ist heute eher Caritas als die diözesane Seelsorgsorganisation
Erstaunlich ist das Selbstverständnis tagenden Synode. Inzwischen sind einige Dokumente zugänglich. Bei der Lektüre ist man über die Usurpation des Kirchenbegriffs erstaunt. Kirche scheint nur das zu sein, was sich gerade außerhalb des Medieninteresses im Verborgenen trifft. Diese Kirche ist von Machtmissbrauch gebeutelt, muss ihre Sexuallehre korrigieren und will den Priestern eine neue Lebensweise vermitteln, obwohl es kaum noch junge Männer gibt, die Priester werden wollen. Es ist eine Unverschämtheit, die Caritas nicht zu erwähnen. Denn entweder sind die Caritaseinrichtungen auch so heruntergekommen, wie die „Kirche“ dargestellt wird, oder sie gehört nicht zu der Ekklesia. Das bei einem Papst als oberstem Kirchenvertreter, der den Einsatz für die Menschen am Rande als Königsweg für ein intensiveres christliches Leben propagiert. Die Gedankengänge des Synodoe erreichen kaum die Gläubigen. Wer das Dokument über „Machtmissbrauch“ liest, wird mit dem Autor wohl zu der Überzeugung kommen, dass von der lebendigen Caritas mehr zu erwarten als vom Synodalen Weges. Macht und Gewaltenteilung in der Kirche
Christian Hennecke hat bei einer Tagung im Februar die Zukunft kirchlicher Gemeindebildung skizziert. Werden aus dem Ursprung – ein kirchlicher Waldspaziergang
Mit der Entstehung neuer Gemeindeformen wird sich auch die Rolle des Priesters grundlegend ändern. Dazu ein Tagungsbericht Priester: Machtblock in der Katholischen Kirche
Wie sich dann die Frage ganz anders stellt, ob Frauen in Leitung und priesterliche Aufgaben berufen werden, zeigt Christian Hennecke demnächst in einem Beitrag auf.
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