Vierzehnheiligen Foto:explizit.net

Barock - gebaute Auferstehungshoffnung

Die Antwort auf die Todesernte des Dreißigjährigen Krieges war der Barock. Zentrales Motiv der Kirchen ist die Aufnahme Marias in den Himmel und ihre Krönung zur Himmelskönigin. Diese Erhöhung verspricht der barocke Kirchbau den Gläubigen, über denen er in den Deckenfresken die himmlische Welt entfaltet. Barock erscheint unserem auf Reduktion angelegten Zeitalter als füllig. Aber hätten die Katholiken heute den Mut, so massiv ihre Hoffnung darzustellen.

Hinter der Dekoration mathematische Konstruktion

Der Mensch nach der Aufklärung sieht das Überflüssige am Barock. Jedoch sollen die Muscheln, Bögen und Putten nur die Konstruktionslinien umspielen. Zeigt die Moderne die T-Träger, die Röhre und Betonwände, versteckt der Barock die wuchtigen Säulen und Bögen seiner Architektur. Die Räume und Fassaden sind nicht mehr aus Geraden und Rechtecken zusammengesetzt, so wie heute Häuser gebaut werden, sondern aus Ellipsen und Hyperbeln konstruiert. Leibniz und Newton hatten die Formeln gefunden, um Kurven zu berechnen. Diese neue Mathematik zu bauen, ist die architektonische Idee des Barock, so wie Kreuzrippe und Spitzbogen die der Gotik.

Eine religiöse Grunddynamik verbunden mit einem architektonischen Konstruktionsprinzip erfasst den Menschen, der in solche Räume eintaucht. Der Barock hatte diese Synthese von religiöser Sehnsucht und gebauter Schwere so geformt, dass die Menschen an vielen Orten dieses Raumerlebnis haben wollten. Eine ganze Epoche wurde von dieser Bauidee geprägt. Die Menschen suchten diesen Vorgeschmack des Himmels, Musiker komponierten die Musik zu diesem Raumkonzept, das in den Tönen die Ordnung des Kosmos, den Gesang der Sterne zum Klingen brachte.

Himmlischer Thronsaal

Die Barockkirche musste gegen die Barockschlösser der Könige und Fürsten konkurrieren. Versailles wurde an vielen Orten nachgebaut. In diesen Schlössern residierten keine Kirchengegner, sondern sie finanzierten Barockkirchen, so die Fürstbischöfe. Würzburg ist ein gutes Beispiel. Es waren allerdings die Orden, ob die Abteien der Benediktiner oder in den Städten die Augustiner und Jesuiten sowie Wallfahrtkirchen, ob Vierzehnheiligen oder die Wieskirche, die von den Gläubigen das Geld erhielten, um großartige Räume zu gestalten. Nicht nur übertrafen die Ausmessungen vieler Barockkirchen den fürstlichen Thronsaal im Schloss, es gab eine symbolische Idee, die im Unterschied zur Gotik deutlich wird. War in der Gotik der Tabernakel seitlich im Chorraum als Säule, wir nennen diese „Sakramentshäuschen“, platziert, stellt der Barock den Tabernakel mitten auf den Altar. Christus, gegenwärtig in den konsekrierten Hostien, steht nicht nur im Zielpunkt des Gebäudes, sondern residiert unter einem großen Bild, wie er mit dem Vater die erlöste Frau zur Himmelskönigin krönt.

Vollkommenheit der geometrischen Abmessungen

Barock heißt Schönheit, die durch die Vollendung der Form zum Ausdruck gebracht wird.  In der vorausgehenden Renaissance wie auch im nachfolgenden Klassizismus symbolisiert das Quadrat bzw. der Kubus Vollkommenheit. Diese war dem Barock zu statisch. Exemplarisch lässt sich das an der Entwicklung der Baupläne für den Petersdom in Rom. War dieser zuerst als Zentralbau entworfen, wuchs im Laufe der Planungen das Mittelschiff in die Länge, so dass vom Grundriss her eine große Nähe zu romanischen Kirchenräumen entstand. Hier zeigt sich, dass die Dynamik des abendländischen Liturgie einen Raum braucht, der länger als breiter ist.  Denn die römische Papstliturgie hat den Prozessionscharakter des abendländischen Gottesdienstes bewahrt und konnte sich daher in einem Zentralbau, der aus Kreis und Quadrat entwickelt ist, nicht entfalten.

Der Sprengbogen
Ein charakteristisches Bauelement des Barock ist der unterbrochene Bogen bzw. Sims über den Fenstern und Portalen. Das zeigt sich an einem Motiv, das wir wie selbstverständlich mit dem Barock verbinden, die unterbrochene Begrenzung nach oben. Was ein Sims werden könnte, besteht aus zwei Ansätzen für einen Rundbogen, zwischen denen oft ein Bild angebracht ist, das die obere Linie zwischen den beiden Ansätzen für den Sims durchbricht. Wie die Himmelsdarstellungen der Decken sollen auch andere architektonische Mittel den Blick nach oben lenken. Säulen sind ein weiteres Element, das die Linie nach oben betont.

Aufführungssaal

In den Dienst des Himmels stellt der Barock auch die Musik. Musizierende Engel zeigen, dass sich die im Kirchenraum singende Gemeinde mit den himmlischen Orchestern zu einem neuen Klang verbindet. Wie die Schlossherren ihre Räume und Gärten mit Opern und Theateraufführungen inszenierten, so auch die Kirchen. Im Barock ist die Altargruppe feierlich eingezogen und nicht wie heute oft aus der Sakristei an die Altarstufen zur Kniebeuge gehuscht. Oratorien und Messen der Textdichter und Komponisten sind nicht aus dem Repertoire Kirchen verschwunden. Mit den Bauten haben sie das Interesse der nachfolgenden Generationen gewonnen. Deshalb sollte man den Besuch einer Barockkirche mit einer gesungenen Messe oder einer Konzertaufführung verbinden.

Bewegung

Der Raumeindruck einer Barockkirche unterscheidet sich von einem romanischen Bau. Es geht im Barock nicht um das Sich-Einfügen in die christliche Liturgie und damit in die vom Christentum neu geschaffene Ordnung. Die Skulpturen der heiligen stehen im Barock nicht als Garanten des Glaubens in großer Ruhe, sondern zeigen, dass Religion Auseinandersetzung, Bemühen, Überwindung des Drachens ist. Es ist eine dynamische Zeit, den portugiesischen und spanischen Kaufleuten und Eroberern folgen die Missionare, sie gelangen bis nach Japan und setzten dem Goldrausch in Lateinamerika die Christianisierung der Indianer entgegen. Die vier Kontinente mit ihren Menschen,  Australien ist noch nicht entdeckt, finden sich auf Gemälden und mischen sich unter die Skulpturen, wenn auch Petrus und Paulus die Leitbilder bleiben. 


Kategorie: Kirche

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