Foto: Christian Schnaubelt / kath.de

2023: Dunkle Wolken, aber auch (unerwartete) Lichtblicke

Was passierte 2023 in der katholischen Kirche? explizit.net - Chefredakteur Christian Schnaubelt wirft im ersten Beitrag am 31.12.2023 einen Blick zurück auf ein ereignisreiches Jahr - mit einigen unerwarteten Ereignissen. Im zweiten Beitrag am 01.01.2024 folgt dann ein Blick in die Glaskugel auf das nächste Jahr 2024.

Das Jahr 2023 begann nicht mit dem traditionellen Sternsinger-Besuch, sondern mir einer Beerdigung. Papst Benedikt XVI., der am 31.12.2022 verstorben war, wurde am 05. Januar 2023 im Petersdom in Rom beerdigt. Nach dem anfänglichen „Wir sind Papst“-Euphorie in Deutschland hatte sich die Meinung über Georg Ratzinger am Ende gewandelt. Besonders in seinem Heimatland, wo viele Gläubige vor allem sein „Nicht-Handeln“ bei den Fällen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche kritisierten. Dr. Eckhard Bieger SJ beleuchtete in seinem Nachruf auf www.explizt.net (https://explizit.net/artikel/benedikt-xvi-der-theologe-auf-dem-papststuhl/) sein Pontifikat, bei dem Papst Benedikt XVI. mit seinem Rücktritt Geschichte geschrieben und „das Papstamt in die Hände seines Nachfolgers übergeben hat“. Dieser heißt seit dem 28. Februar 2013 Papst Franziskus. 

Papst Benedikt XVI. hatte – trotz seines Alters – einen besonderen Draht zu vielen jungen Menschen. Dies wurde insbesondere auch bei den Weltjugendtagen deutlich, den Benedikt XVI. neues Leben eingehaucht hatte. Besonders in Erinnerung bleibt dabei der Weltjugendtag 2005 in Deutschland, an dem ca. 1,2 Millionen junge Menschen teilnahmen. Auch 2023 gab es wieder eine Weltjugendtag. In Lissabon nahmen rund 1,5 Millionen junge Menschen – auf Einladung von Papst Franziskus – in Portugal teil. Die Fortsetzung wird 2027 in Seoul / Südkorea erfolgen. Südkorea war bereits in diesem Jahr Gastgeber eines großen Jugendevents: Beim World Scout Jamboree kamen 45.000 Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus 150 Ländern zusammen. Auch 2.200 deutsche Teilnehmer:innen waren dabei, darunter viele Mitglieder der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) und einige Mitglieder der Pfadfinderinnenschaft St. Georg (PSG).  Allerdings stand das Weltpfadfindertreffen unter keinem guten Stern: Erst gab es Probleme mit Hitze und (mangelnder) Verpflegung, dann erzwang ein heranrückender Taifun die komplette Räumung des Zeltplatzes in Saemagum. Trotzdem konnte das WSJ 2023 im Stadion in Seoul beendet werden. 2027 wird das nächste Weltpfadfindertreffen in Polen stattfinden.

Zurück nach Deutschland: Dort bewegten im Jahr 2023 vor allem fünf große Themen die Gläubigen und die Medien. Diese werden sicherlich auch noch das Jahr 2024 (und darüber hinaus) prägen:

1. Die Aufarbeitung des Missbrauchs in der katholischen Kirche


Vor allem die sozialwissenschaftliche Studie des Bistums Essen (https://www.bistum-essen.de/hilfe-bei-sexualisierter-gewalt/sozialwissenschaftliche-aufarbeitung-sexuellen-missbrauchs-im-bistum-essen) sorgte Mitte Februar 2024 für Aufsehen. Denn – wie bereits die Studie im Bistum Münster – beleuchtete die „IPP-Studie“ besonders die Rolle der Lai:innen bei der Entstehung und der „Vertuschung“ von Missbrauch in den Gemeinden. Im August 2023 wurden zudem weitere Vorwürfe gegen den „Laudato si“-Schöpfer Winfried Pilz laut. Diese betreffen sein Wirken für das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“. Die ersten Vorwürfe – aus August 2022 – hatten bereits für ein „Aufsehen“ in der katholischen Jugendarbeit gesorgt, in der Pilz viele Jahre hauptamtlich – u.a. im Jugendhaus Düsseldorf - tätig war. Der BDKJ-Bundesverband entzog Pils „posthum“ das „Goldene Ehrenkreuz“, die höchste Auszeichnung. Für viel Aufsehen sorgte im Juni 2023 die „Hausdurchsuchung“ bei Kardinal Rainer Woelki im Erzbistum Köln. Auch dieses Ereignis hängt mit dem Fall Winfried Pilz zusammen.

Ein regelrechtes „Beben“ in der katholischen Kirche löste im September 2023 die Meldung aus, dass im Bistum Essen erstmals gegen einen Kardinal wegen Missbrauchsvorwürfen Untersuchungen stattfinden: Im Fokus steht der verstorbene Kardinal Franz Hengsbach, dem sexuelle Übergriffe gegen Minderjährige in den 1950er- und 1960er-Jahren vorgeworfen werden. Der „Gründerbischof“ des Bistums Essen, der ein Stück Kohle in seinem Bischofsstab trug, genoss große Wertschätzung, vor allem im Ruhrgebiet, wo er sich für die Bergleute einsetzte. Umso größer jetzt der Fall seines Ansehens.

Ebenso viel Aufsehen sorgten bereits im Frühjahr 2023 die Untersuchungen gegen den früheren Erzbischof von Freiburg und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch sowie das von Papst Franziskus im Märt 2023 angenommene Rücktritt von Bischof Franz-Josef Bode, der auch im Präsidium des „Synodalen Weges“ saß. Bode trat aufgrund der Missbrauchsfälle in seiner Amtszeit zurück und ist damit der erste deutsche Bischof, dessen Rücktrittsgesuch angenommen wurde. Johannes Norpoth, Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz, konstatierte, warum Papst Franziskus Bischof Bodes Rücktritt zugestimmt habe, „die Kardinäle Woelki und Marx, Erzbischof Heße, die Weihbischöfe Schwaderlapp und Puff jedoch nicht entlassen hat?“.

Auf Ebene der Bischofskonferenz nahm nach dem Ausscheiden von Bischof Ackermann, der zwölf Jahre lang das Amt des „Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes“ innegehabt hatte, im Herbst 2022 sein Nachfolger Bischof Helmut Dieser dieArbeit auf. Im Frühjahr 2023 hat die DBK die Gründung eines Sachverständigenrates zum Schutz vor sexuellem Missbrauch und Gewalterfahrungen beschlossen. Jetzt im Dezember 2023 erfolgte der Aufruf zur Bewerbung für die Mitarbeit im neuen Gremium, dem auch zwei Abgesandte des Betroffenenbeirates angehören werden. Nach dem Auslaufen der ersten Amtszeit wird auch der Betroffenenbeirat bei der DBK für eine zweite Amtszeit neu berufen werden. Auf der Herbstvollversammlung berieten die Bischöfe zudem über das Thema „geistiger Missbrauch“. Am 1. August 2023 ist zudem der Deutsche Caritasverband dem Verfahren der Deutschen Bischofskonferenz zur Anerkennung des Leids für Betroffene von sexuellem Missbrauch beigetreten.

Im Hinblick auf die Haltung des Vatikans zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle gibt es anhaltende Kritik aus Deutschland: Gregor Podschun, Bundesvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) konstatiert, dass der Vatikan bis heute die systemischen Risikofaktoren für sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche nicht anerkennt und damit auch nicht die Notwendigkeit sieht, das kirchliche Machtsystem aufzubrechen.“ Auch wurde kritisiert, dass Papst Franziskus beim Weltjugendtag 2023 zwar Betroffene getroffen, ein geplanter Gottesdienst aber abgesagt wurde. Aber aus dem im Vatikan gibt es auch Kritik an der Aufarbeitung in Deutschland. Jesuitenpater Hans Zöller kritisierte, dass die katholischen Bischöfe und Ordensoberen bei Aufarbeitung des Missbrauchsskandals bisher nicht auch persönlich Verantwortung übernommen hätten. Damit seien die Bischöfe aus Sicht Zöller „mitschuldig, dass die Kirche derart an Vertrauen und Ansehen verloren habe“.

2. Der Abschluss des „Synodalen Weges“ und der Auftakt der Weltsynode in Rom


Mit einem Gottesdienst im Frankfurter Bartholomäus-Dom, ist mit dem Ende der fünften und letzten Synodalversammlung am 11. März 2023 in Frankfurt, der „Synodale Weg“ nach drei Jahren formal zu Ende gegangen. Doch die Umsetzung der insgesamt 15 Beschlüsse wird die katholische Kirche in Deutschland noch viele Jahre beschäftigen. Nicht zuletzt, da die Umsetzung der meisten Beschlüsse in der Hand der Ortsbischöfe liegt, von denen einige bereits vermeldet haben, dass sich nicht alle Beschlüsse vor Ort umsetzen wollen. Dadurch fällt die Abschlussbewertung auch sehr unterschiedlich aus. Die Präsidentin des Synodalen Weges und Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZDK) Dr. Irme Stetter-Karp betonte: „Wir haben wichtige Weichen für mehr Synodalität in unserer Kirche gestellt. Aber zugleich merken wir, wie große die Herausforderungen sind, die noch vor uns liegen.“ Es sei aber „ein großer Erfolg, dass nun alle großen Entscheidungsthemen offen auf dem Tisch liegen“, betonte Stetter-Karp und blickte bereits vor: „Der Synodale Weg geht weiter! Er ist hier und heute nicht zu Ende. Er fängt gerade erst richtig an!“ Damit bezog sie sich sowohl auf die Beratungen der Weltsynode im Oktober 2023 in Rom als auch auf den Start des „Synodalen Ausschusses“. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing bewertet das Erreichte ebenfalls positiv: „Der Synodale Weg ist kein zahnloser Tiger. Er ist eine Konkretion dessen, was Papst Franziskus mit Synodalität meint. Der Weg ist vor allem Ausdruck einer lebendigen, bunten und diversen Kirche.“ Zugleich reagierte er auf Kritik innerhalb und außerhalb der Synodalversammlungen und betonte, dass der Synodale Weg „weder in eine Spaltung noch in eine Nationalkirche führen werde“.

Der BDKJ-Bundesverband zog ein ernüchterndes Fazit: „Wir sehen, dass das Kernanliegen des Synodalen Weges gescheitert ist. Denn die systemischen Risikofaktoren sexualisierter Gewalt wurden nicht angemessen bearbeitet, ausreichend beseitigt oder deren Beseitigung genügend eingefordert. Wir stehen solidarisch mit allen Leidtragenden in der Kirche. Wir schaffen und unterstützen Räume, in denen Menschen möglichst sicher ihren Glauben leben können.“ Gleichzeitig beschloss die BDKJ-Hauptversammlung 2023 die Stellungnahme „Mehr Mut zur Synodalität“ (https://www.bdkj.de/fileadmin/bdkj/Dokumente/Beschluesse/2/2_36_Mehr_Mut_zu_Synodalitaet.pdf).

Im Portal www.explizit.net kommentiert Chefredakteur Christian Schnaubelt den Abschluss des Synodalen Weges wie folgt: "Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind‘, sagte Aristide Briand. Demnach müssten die Ergebnisse des Synodalen Weges eigentlich gelungen sein. Denn weder Lai:innen noch Bischöfe, weder ‚Konservative‘ noch ‚Reformer:innen‘ und auch weder ‚Maria 1.0‘ oder ‚Maria 2.0‘ äußerten sich am Ende wirklich zufrieden. Auch wenn die Beschlüsse zur Grundordnung, zu Segensfeiern, zur geschlechtlichen Vielfalt und zur Stärkung der Frauen in sakramentalen Ämtern als ‚wichtige Schritte‘ bezeichnet wurden, wurden doch mehr Mut für weitergehende Schritte und eine baldige Umsetzung angemahnt.“

Der komplette Kommentar kann hier nachgelesen werden: https://explizit.net/kirche/artikel/viel-schatten-aber-auch-licht/. Ergänzend dazu gibt es auch bei kath.de einen Kommentar zum Abschluss des Synodalen Weges zum Nachlesen: "Jetzt ist die Zeit zum Handeln": https://kath.de/kommentar/2023-03-13-synodaler-weg-jetzt-ist-zeit-zum-handeln

Eine wichtige Frage beim Abschluss des Synodalen Weges in Frankfurt war, inwieweit die Weltsynode im Oktober 2023 in Rom die Beschlüsse aufgreifen würde und wie sich der Vatikan im Punkto „Synodaler Ausschuss“ verhalten würde? Der turnusgemäße „ad limina“ – Besuch der Deutschen Bischöfe Anfang 2023 im Vatikan machte da zunächst wenig Hoffnung und auch der Beschluss von Papst Franziskus, dass die Beratungen in der Aula der Weltsynode größtenteils ohne Öffentlichkeit und Medien-Vertreter:innen durchgeführt werden sollten (und wurden), sorgte für Kritik. Für weiteren „Zündstoffe sorgte ein Schreiben der (Erz-) Bischöfe von Köln, Augsburg, Passau, Regensburg und Eichstätt an den Heiligen Stuhl vom 21. Dezember 2022. Darin wurde gefragt, ob die Teilnahme am „Synodalen Ausschuss“ rechtens sei und später auch dessen gemeinschaftliche Mitfinanzierung in Frage gestellt.

Am Ende wurden beiden Veranstaltungen von Teilnehmer:innen und Beobachter:innen als ein "(Teil-) Erfolg" bezeichnet. Die Weltsynode, bei der Bischöfe und Lai:innen gemeinsam einen Monat lang intensiv in Rom berieten und eine Synthese erstellen (der zweite Teil der Versammlung mit der Erstellung eines Abschlussdokumentes zur Entscheidung durch Papst Franziskus findet im Oktober 2024 ebenfalls in Rom statt), als auch die konstituierende Sitzung des „Synodalen Ausschusses“ am 11. November 2023. Allerdings gab es Kritik an der Zusammensetzung insbesondere der Weltsynode. Für den BDKJ-Bundesverband reichen die positiven Entwicklungen bei der Synode in Rom nicht aus, es brauche „konkrete Schritte und eine ernsthafte Beteiligung von Jugendvertreter:innen an den Beratungen“. „Den Beginn eines Kulturwandels“ bewerte die ZdK- Präsidentin Dr. Irme Stetter-Karp die Beratungen bei der Weltsynode in Rom. „Die jetzt zu Ende gegangenen, vierwöchigen Beratungen haben überdeutlich gezeigt, dass es in der Kirche konkrete, sichtbare Veränderungen braucht.“ Seitens der DBK hatten Bischof Dr. Georg Bätzing (Limburg), Bischof Dr. Felix Genn (Münster), Bischof Dr. Stefan Oster SDB (Passau), Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg) und Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck (Essen) an den Beratungen der XVI. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode teilgenommen. Am 29. Oktober 2023 betonten sie in einer gemeinsamen Erklärung: „Es ist jetzt an den Ortskirchen und somit auch an uns, diese Räume, die die Synode geöffnet hat, zu nutzen, um weiter an einer synodalen Kirche zu arbeiten, um die synodalen Wege weiterzugehen und die Impulse so in konkretes Reflektieren und Handeln umzusetzen, dass sie dann in einem Jahr in die Weltsynode 2024 einfließen können.“

Zum „Synodalem Ausschuss“ fiel die Einschätzung der katholischen Jugend positiver als zur Weltsynode aus: Der BDKJ „schaut insgesamt positiv auf die erste Sitzung des neuen Gremiums. (…) Nun gilt es weiter den Weg für Reformen der Kirche zu bereiten.“ Zuvor müssen allerdings sowohl ZdK und DBK die Satzungen des Synodalen Ausschusses bestätigen. Die ZdK-Vollversammlung tat dies am 25. November 2023 mit „überwältigender Mehrheit“. Die Zustimmung der DBK ist noch ausstehend.

Der Sprecher des Betroffenenbeirates bei der Deutschen Bischofskonferenz, Johannes Norpoth, kritisierte allerdings das Fehlen von Betroffenen sexualisierter Gewalt sowohl beim ersten Teil der Weltbischofssynode 2023 in Rom als auch beim Start des „Synodalen Ausschuss“ in Essen.

3. Die „Causa Woelki“ und die lange (Nicht-) Besetzung von (Erz)- Bischofstühlen

Zu einem Jahresrückblick gehört auch die Rubrik „Personalia“. Hier gab es im Jahr 2023 lange eine Vakanz von vier Bischofsstühlen, bis es am 09. Dezember zu einer unerwarteten „Doppelernennung“ kam. Papst Franziskus hat Weihbischof Dr. Udo Bentz, bisher Weihbischof und Generalvikar im Bistum Mainz, zum neuen Erzbischof von Paderborn ernannt. Er wird Nachfolger von Erzbischof em. Hans-Josef Becker, der am 1. Oktober 2022 in den Ruhestand getreten ist. Gleichzeitig hat Papst Franziskus Weihbischof Herwig Gössl, bisher Weihbischof und Diözesanadministrator im Erzbistum Bamberg, zum neuen Erzbischof von Bamberg ernannt. Er wird Nachfolger von Erzbischof em. Dr. Ludwig Schick, der am 1. November 2022 in den Ruhestand getreten ist. Damit sind „nur“ noch zwei deutsche Bistümer Osnabrück (nach dem von Papst anerkannten Rücktritt von Bischof Bode) und Stuttgart (nach dem Ausscheiden von Bischof Fürst). Warum Papst Franziskus die deutschen Bistümer so lange hat warten lassen oder warten lässt, darüber wird viel spekuliert. "Bedeutungsverlust" der Deutschen Kirche und "Abstrafung" für den Synodalen Weg auf der einen Seite oder nur ein normaler Vorgang in den die langsamen vatikanischen Amtsstuben oder gar „Personalmangel“ auf der anderen Seite?

Eine Causa – über die die deutsche Kirche und Öffentlichkeit – 2023 viel geredet wurde, ist die Zukunft von Erzbischof Rainer Maria Woelki. Das Rücktrittsangebot Woelkis soll in der Schublade von Papst Franziskus liegen, eine Entscheidung aus Rom kam 2023 nicht. Ob sie 2024 kommen wird, ist derzeit vollkommen offen. Ruhig war es 2023 im Erzbistum Köln trotzdem nicht. Denn neben einer Hausdurchsuchung (s.o.) gab es auch eine lang andauernde Diskussion über die Anerkennung sowie Finanzierung der vom Erzbistum Köln neu installierten „Kölner Hochschule für Katholische Theologie“.

4. Kirchenstudie legt Finger in die (bereits bekannten) Wunden

Am 24. November wurde die 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der evangelischen Kirche – erstmals gemeinsam mit der Deutschen Bischofskonferenz als „Juniorpartner“ – veröffentlicht. Sie ergab, dass sich unter den Kirchenmitgliedern nur noch 4 (katholisch) bzw. 6 Prozent (evangelisch) als „gläubig“ und „kirchennah“ verstehen. 9 Prozent erklärten, sie hätten noch Vertrauen in die katholische Kirche. 24 % vertrauten der evangelischen Kirche. Nach Auffassung von Dr. Tobias Kläden von der von der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral zeigt die Studie dabei ein dramatischer Vertrauensverlust besonders in die katholische Kirche und eine drastische Erosion von Kirchenverbundenheit, aber auch von Glaubensvorstellungen sowie von Religiosität allgemein. Gleichzeitig waren den Befragten die beiden Kirche nicht gleichgültig. „Den Kirchen wird insgesamt jedoch keine Gleichgültigkeit entgegengebracht, vielmehr bestehen erhebliche Erwartungen an sie. Besonders die katholischen Befragten sprechen sich ganz überwiegend für klare Reformen ihrer Kirche aus“, so Kläden, Vertreter der DBK im Beirat der Studie. Bischof Dr. Peter Kohlgraf (Vorsitzende der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz) kündigte zudem einen „Studienhalbtag“ im Rahmen der nächsten Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im Februar 2024 an. Für ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp sind die Ergebnisse der Studie „ein deutliches Signal, Veränderungen entschlossen vorantreiben zu müssen. Wir sehen klar, dass der Wandel der Kirche in der postmodernen Gesellschaft nicht schnell und nicht nachhaltig genug gelingt.“ Gerade die katholische Kirche erlebt zudem einen „massiven Vertrauensverlust in der Gesellschaft.“ Darin sind sich ZdK und DBK einig. Für das ZdK belege die Studie, dass Katholik:innen vor allem aus Wut und Zorn über ausbleibende Veränderungen aus ihrer Kirche austreten. Daher lautet die Forderung: „Reformen sind dringender denn je“.

5. Unerwarteter Lichtblick zum Jahresende (?)

Bei der Synodalversammlung des „Synodalen Weges“ hatten am 11. März 2023 eine große Mehrheit (92 Prozent) den Weg für Segensfeiern für homosexuelle Paare und wiederverheiratet-geschiedene Menschen frei gemacht. Einige Bischöfe kündigten an, diese Praxis in ihren Bistümern nicht umzusetzen, da es kein „grünes Licht“ dafür aus dem Vatikan gebe. Dieses kam überraschend kurz vor Weihnachten. Papst Franziskus hatte am 18. Dezember 2023 die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare durch das Grundsatzpapier "Fiducia supplicans" – welches ausdrücklich mit seiner Zustimmung veröffentlicht wurde - zugelassen. Allerdings mit deutlichen Einschränkungen. Dementsprechend viel die Resonanz gespalten aus. Neben Lob gab es auch Kritik und die Aufforderung, dass weitere Schritte folgen müssten. „Das kann allerdings nur ein erster Schritt sein. Eine Segnung muss vor allem auch in Gottesdiensten ermöglicht werden. Der Text aus Rom beinhaltet zudem weiterhin eine Haltung und Theologie, die diskriminierend und queerfeindlich ist. Hier braucht es eine grundlegende Reform. Eine komplette Gleichberechtigung von homosexuellen Paaren muss umgesetzt werden. Es braucht nicht nur eine Segnung, sondern die Ehe für alle Paare“, betonte der BDKJ-Bundesvorsitzende Gregor Podschun. Die Initiative „OutInChurch“ betonte: „Bei aller Freude über diesen vermeintlichen Fortschritt bleibt aber doch festzustellen, dass es sich tatsächlich doch nur um einen eher kleinen Schritt handelt. Immerhin geht er in die richtige Richtung.“ Vorstandsmitglied Miki Herrlein betont: „Was der Vatikan heute präsentiert hat, ist in weiten Teilen doch eher eine "Mogelpackung", denn das „vatikanische Schreiben ist keineswegs als Kurskorrektur im Blick auf die Lehre der Kirche“, so die „Initiative für eine Kirche ohne Angst“ auf ihre Website https://www.outinchurch.de/.  

Immerhin wird die Entscheidung aus Rom in der deutschen Kirche (z.B. durch den Essener Generalvikar Klaus Pfeffer) als Zeichen gewertet, dass sich die Kirche doch verändern kann. Die Erklärung sei für Pfeffer „weit davon entfernt sind, eine Kehrtwende in der Sexualmoral einzuleiten. (...) Für ihn sei sie aber ein wichtiges Signal: "Es ist möglich, unsere Kirche zu bewegen und in Bewegung zu bringen.“

Und von dieser Bewegung brauchen wir im Jahr 2024* noch viel mehr und vor allem mehr Mut zu Veränderungen!

Christian Schnaubelt
Chefredakteur explizit.net


*P.S.: Lesen Sie auch den zweiten Teil, der am 01.01.2024 bei www.explizt.net erscheint. Darin wird ein Ausblick auf das nächste Jahr versucht, dem elften Jahr des Pontifikates von Papst Franziskus, in dem auch er zweite Teil der Weltsynode stattfinden wird:

„2024: Veränderungen oder Stillstand in der katholischen Kirche?“ - https://explizit.net/religion/artikel/2024-veraenderungen-oder-des-stilstand-in-der-katholischen-kirche/  


Kategorie: Kirche

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