eine Hand hält das Kreuz, San Clemente in Rom Foto: hinsehen.net E.B.

zweifeln ist auch glauben

Sonntag ist eigentlich der Tag des Glaubens. Sonntag ist deshalb immer dann, wenn ich glauben kann. Diese Phasen im Leben sollte ich nutzen, um auf den Zweifel zu schauen. Schon heute Nacht kann er mich wieder heimsuchen. Denn der Glaube hat die Zweifel nur zurückgedrängt, aber nicht weggeschlossen.

Zweifel bedrohen unser Lebensgefühl. Ob der andere noch zu mir steht, ob die Politiker das Staatsschiff nicht gegen eine Wand fahren, ob mein Leben nicht doch ins Nichts zerrinnt. Der Zweifel zerstört bisherige Sicherheiten. Aber führt er ins Bodenlose und ist Glaube eine Antwort?

Wir bleiben immer angewiesen

Jeder muss für sein Leben eine Basis finden. Das fängt mit der Geburt an, wenn ich die sichere Höhle, in der ich geborgen und versorgt war, verlassen muss und in diese Welt geworfen werde. Ich bin in fast allem auf das Verantwortungsgefühl der Erwachsenen angewiesen. Wenn ich dann feststelle, dass die Erwachsenen nicht so verlässlich sind, muss ich mich selbst auf die Suche machen und meine Verstandeskräfte nutzen.

Der Zweifel treibt mich zu einer tieferen Begründung

Jeder muss es erfahren: Auf Menschen ist kein absoluter Verlass. Jede Beziehung ist von Untreue bedroht. Es gibt dann immer auch Menschen, die mir unvermutet beistehen. Aber ob der, ob die, auf die ich mich eingelassen habe, zu mir stehen, bleibt offen. Deshalb muss jeder einen eigenen Stand suchen. Die Pubertät treibt die meisten in diese Suche. Für die religiöse Vorstellungswelt hat Fritz Oser diesen Prozess untersucht. Er beobachtet eine Abkehr von der kindlichen Gottesvorstellung. In dieser Phase bildete die Erwachsenenwelt mit der Gottesvorstellung eine Einheit. Denn da Gott der Garant dieser Welt der Erwachsenen scheint, muss der Jugendliche sich in dem Maß von Gott distanzieren wie die Autorität und die faktische materielle Macht der Eltern mit Gott verbunden sind. Offensichtlich wird der Zweifel erst einmal durch eine unsicher gewordene Erwachsenenwelt in Gang gesetzt. Ich musste mich in dieser Phase selbst auf den Weg machen.

Jedes Projekt hat seine Zweifel

Ich spüre es, wenn ich aus dem Haus gehe und aufbreche. Ob der Zug mich hinbringt, wird immer unsicherer. Auch das Freiheitsgefühl am Steuer des Autos kann durch den nächsten Stau ausgehebelt werden. Noch mehr bei Projekten, die ich mir ausgedacht habe. Machen andere mit? Komme ich an das notwendige Geld? Und wer wird mir nicht eine Hürde bauen, über die ich nicht rüberspringen kann. Die immer mehr perfektionierten Verwaltungen, nicht nur beim Staat, sondern besonders entwickelt bei der katholischen Kirche, können mir leicht den Weg versperren. Je hierarchischer, desto mehr können die Zwischeninstanzen verhindern, denn sie wollen ja nicht meinen Erfolg, sondern das Wohlwollen des Chefs. Das erhält man sich, wenn man alles, dem der Geruch des Risikos anhaftet, verhindert. Das geht natürlich nicht gut, denn genau diese Verwaltungsangst vor dem Risiko hat zur Vertuschung des Missbrauchs geführt. Weil auch die Betroffenen von einer Verwaltung nur Verhindern, nicht Problemlösung gewohnt sind, haben sie sich nicht an die verantwortlichen gewandt. Aber werden am Ende nicht die belohnt, die "ins Risiko gegangen sind"?

Vertrauen gegen Risikoangst

Die konsequente Risikovermeidung verschließt die Tür in die Zukunft. Die Stagnation wird immer unerträglicher. Ich bin doch nicht deshalb mit Energie, Kreativität und Schaffensfreude in diese Welt gekommen, um mich möglichst still zu verhalten. Ich werde doch schon als Autofahrer in meiner Freiheit ernst genommen, ich kann hinfahren, wohin ich will, und muss mich dabei nur an die Verkehrsregeln halten. Bereits in der Familie gibt es Aufgaben für mich, in der Jugendgruppe bekomme ich sie am frühesten übertragen. Nichts wird dringender gesucht als Erwachsene, die sich Kompetenz angeeignet haben und Verantwortung übernehmen. Der Glaube als Vertrauen, dass wenigstens einiges gelingt, trägt mein Leben. Die Zweifel sollen mich eigentlich nur abhalten, leichtsinnig zu werden. Ihre eigentliche Funktion ist jedoch, mich im Vertrauen tiefer zu verankern. Mit dem, Hinweis auf einen Beitrag von Jutta Mügge sei hier ein erster Glaubensgrund genannt: Ich bin einmalig, erkennbar an der Einmaligkeit meiner Iris, die mich darauf lenkt, dass auch meine Person einmalig ist und einmalig werden soll durch den Lebensauftrag, der mir zukommt. Am einfachsten erkennbar von Müttern und Vätern, die für ihre Kinder unersetzlich sind. Weiter sind meine Begabungen da, dass ich sie für andere ins Spiel bringe. Ich bin zwar an meinem Platz ersetzbar. Wenn ich jedoch am Steuer des Rettungswagens sitze, vor der Klasse stehe, eine Kundin bediene, an einem Projekt arbeite, bin ich es und nicht jemand anderes, der jetzt zu handeln hat. Es gibt noch eine weitere Glaubensbasis, deren ich mir bewusst werden muss

Den Zweifel im Scheitern überwinden

Ich muss nicht nur an anderen zweifeln, sondern vielleicht noch mehr an mir. Denn in jedem Scheitern steckt fast immer einen gehörigen Anteil von mir. Je älter ich werde, desto größer wird der Anteil. Deshalb sind Fehler im Alter weniger zu verzeihen als wenn ich noch keine 40 bin. Jedoch brauche ich Verzeihung, wenn ich nicht im Zweifel an mir selber ersticken will. Deshalb muss es jede Woche einen Tag, jedes Jahr mindestens ein Hochfest für mich geben, wo ich das „Trotzdem“ erfahre. Trotz meiner Fehler, meines Versagens, meiner Übeltat habe ich noch ein Lebensrecht und kann mir etwas zutrauen. Diesen Glaubensgrund kann ich nur schwer aus mir selbst holen. Ich brauche Vertrauen in den Grund des Lebens, aus dem ich herkomme, dass dieser mich nicht am Ende vernichtet und auch nicht aburteilt, sondern trägt. Zu diesem Vertrauen zeigt mir meine Einmaligkeit den Weg. Die habe ich mir nämlich nicht gegeben. Auch für meine Eltern bin ich unerwartet derjenige, diejenige, die sie von woanders her empfangen haben. Dieses Andere will das Gelingen meines Lebens.

Am Tag der Auferstehung Jesu wird dieser Grund präsent, so wie die Sonne aufgeht, wird auch mein Leben wieder hell. Anders als der Koran es nahezulegen scheint, sprechen nicht meine Taten bzw. Untaten das letzte Wort über mich, sondern mein Glaube. Das Vertrauen, dass Gott sogar den Sünder rettet, hatte Luther überzeugend herausgestellt. Wenn dieses Licht die Kirchen wieder von innen zum Leuchten bringt, werden die Menschen an den Wochentagen nicht mehr so unerbittlich fechten müssen.

Links
Gott ist scheinbar nur Garant der Erwachsenenwelt

Gott neu finden als Erwachsener

Gott, Garant meiner Einmaligkeit

Kompass für mein Leben


Kategorie: Entdecken

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