Magdeburg, Dom; Foto: explizit.net E.B.

Weniger Priester heißt nicht: weniger Kirche

Der katholischen Kirche in Deutschland gehen die Priester aus. Die Kurve der Neueintritte in die Ausbildungsseminare der Diözesen und die Noviziate der Orden erreicht dieses Jahr fast die Null-Linie. Trotzdem bleiben Bischöfe wie Laien auf das bisherige Priesterbild fixiert.

Priester sind für die katholische Kirche die Schlüsselpersonen. Eine Kirchengemeinde wird von einem Pfarrer geleitet. Er ist im Letzten für die Gebäude, die Mitarbeiter, den Kindergarten, die Gottesdienste verantwortlich und muss viel für das Zwischenmenschliche tun, nämlich die Rivalitäten klein halten, in Konflikten vermitteln und die Vielen, die mitmachen, bei der Stange halten. Ein ausfüllender Beruf, in dem menschliche und spirituelle Qualitäten gefragt sind. Ein Beruf, der den Einsatz des ganzen Menschen fordert - und wohl deshalb die jungen Männer aus der GenerationZ nicht aus ihrer Zurückhaltung locken kann, die sie auch  gegenüber anderen Berufen zeigen. So viel wollen sie erst einmal nicht auf geladen bekommen, denn "wer weiß, was die Zukunft bringt". Da kann man für die Gegenwart nicht schon alle Kraftreserven ins Feuer werfen. s. dazu Kein Priesternachwuchs aus der Generation Z

Das Aufgabenprofil stammt aus der Epoche der Industrialisierung

Wird aber nicht derjenige, der alles bewegt, durch die neuen Großpfarreien in die unerträgliche Überforderung geschickt? Was schon für 5.000 Gemeindemitglieder nicht zu leisten war, wird bei 10.000 und mehr zur Unmöglichkeit. Woher kommt dieses Anforderungsprofil, dass eine Pfarrei so auf den Pfarrer angewiesen ist, so dass bei zurückgehenden Zahlen nichts anders möglich scheint, als die Zahl der durch Zusammenlegung so auszulegen, dass für jede dieser Seelsorgsbereiche wenigstens  ein Priester die Pfarrerrolle wahrnehmen kann. Diese Vorstellung, wofür ein Pfarrer zu sorgen hat, kommt nicht aus der frühen Kirche und auch nicht aus dem Barockzeitalter, sondern erst aus dem 19. Jahrhundert, als nach den napoleonischen Kriegen trotz der kalten Dusche des aufkommenden Atheismus die Religiosität wieder erwachte.

Pfarrei: Auffangorganisation für die Zugezogenen

Als die katholische Landbevölkerung ihre vielen Kinder in die Industriegebiete umsiedelte, wurden Kirchen in den wachsenden Städten auch deshalb gebaut, um die Grundstückspreise anzuheben und einer Verwahrlosung vorzubeugen. Das Leben pulsierte, denn die Katholiken fanden in der Pfarrei nicht nur Treffpunkte, sondern auch einen Kindergarten, die Frauen oft eine Gemeindeschwester, die eine Nähstube und damit einen Gesprächsraum bot, oft ein Altersheim und sogar ein Krankenhaus:
Auch in den USA war die Pfarrei die lokale Struktur, in der die Neuankömmlinge nicht nur bürokratisch erfasst wurden, sondern einen Lebensraum fanden, der freundlicher als die Arbeitswelt war. Die Pfarrei dort wurde nicht mit dem Kirchbau gestartet, sondern mit einer Grundschule, Lehrkräfte waren meist Ordensfrauen.
In der ehemaligen DDR mussten die kirchlichen Gruppen unterhalb des Radars der staatlichen Überwachung bleiben. Sie organisierten sich als Familienkreise, die sich in den Wohnzimmern ihrer Mitglieder trafen. Einige Pfarreien hatten sogar einen Kindergarten, aus der Vorkriegszeit überlebten einige katholische Krankenhäuser.

Der Pfarrer wurde immer Motor des Gemeindelebens

Diese Pfarrei war ein Verbund aus vielen Gruppen und Einrichtungen, die sich sonntags zum Gottesdienst trafen. Diese Strukturen sind zerfallen bzw. haben sich ins Internet verlagert Je mehr diese Gruppen austrockneten, umso wichtiger wurde die Rolle des Pfarrers als Motor und Organisator des Gemeindelebens. Ihm wurden, nachdem es immer weniger Kapläne gab, durch andere Seelsorgsberufe Einsatzkräfte für den Gemeindebetrieb zugeordnet. Umso mehr kommt es auf die Hauptamtlichen an, dass noch etwas geschieht. Damit hat sich unter der Hand die Aufgabe des Pfarrers verschoben. Er ist nicht mehr in erster Linie Seelsorger, der die Menschen auf ihrem Weg in den Himmel begleitet, sondern Organisator des mittelgroßen Unternehmens "Großpfarrei". Eigentlich gehört dieser, von den Umständen geformte Pfarrertyp in die Vereinigung mittlerer Unternehmer, wo der Supermarktleiter, die Geschäftsführerin einer Friseurkette, der Verwaltungsleiter eines Krankenhaus, der Senior einer Rechtsanwaltskanzlei u.a. ihre Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig im Kampf mit der Bürokratie, den Personalproblemen, den Medien unterstützen. Aber sind die Pfarrer deshalb Priester geworden und wollen die Menschen den Priester als den erfolgreichen Unternehmer? Nicht nur die Jahrgänge, die sich eigentlich jetzt für den Priesterberuf entscheiden müssten, wollen diese Rolle nicht. 

Der glaubwürdig Glaubende

Wird der Pfarrer durch die Kirchenorganisation immer mehr in die Rolle eines Managers gedrängt, brauchen die Jahrgänge unter Fünfzig diese Pfarrei offensichtlich nicht, sondern diejenigen, deren Gruppen und Verbände nur noch funktionieren, wenn die Hauptamtlichen und am besten der Pfarrer selbst sie stützen. Es gibt noch eine andere Gruppe Erwachsener, nämlich die Eltern mit Kindern. Sie finden in der Pfarrei einen Lebensraum, wo ihre Kinder mit Wertorientierungen in Berührung kommen, die sie in der Schule und den Social Medien nicht vorfinden. Wie muss dieser Raum gestaltet werden, damit junge Männer sich wieder engagieren? Die Neugestaltung leitet sich von der Funktion her, wofür die Pfarrei da ist. Es muss im weiteren Sinn das Wachsen in Glaube, Hoffnung und Liebe sein. Dass das wieder in den Vordergrund rückt und nicht die Anforderungen der Organisation alles andere dominieren, dafür sollte eigentlich der Priester als Theologe stehen. Ein Mensch, der spirituell orientierten Menschen Horizonte öffnet und religiös Suchenden eine Fundierung bieten kann. Es ist die jetzt Zeit, von dem Pfarrer als Allrounder Abschied zu nehmen und ein Priesterbild zu entwerfen, für das junge Menschen sich wieder entscheiden können. Es wird sowieso eine Zeitspanne ohne Priester geben, denn es ist nicht zu erwarten, dass ohne eine Neubesinnung auf den spirituellen Kern des kirchlichen Lebens eine Pfarrerbild entsteht und gelebt wird, dass junge Männer anzieht. In den kirchlichen Verwaltungen wie in den vielen Gremien scheint niemand junge Männer zu kennen, die eine Berufung zum Priestertum in sich tragen, diese aber in der jetzigen Kirche in Deutschland nicht für lebbar halten. Es ist auch eigenartig, dass katholische Frauen gegen den Pfarrer als Alleinbestimmer noch rebellieren. Es wird ihn nur noch kurze Zeit geben. 


Kategorie: Kirche

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