Anlässlich der Weltsynode 2024 haben die Online-Portale www.explizit.net und www.kath.de eine Artikelserie zum Thema "Synodalität von Kirche" gestartet.
Johannes Norpoth ist Mitglied des Betroffenenbeirates bei der Deutschen Bischofskonferenz und ZdK-Mitglied.
1. Die Weltsynode 2024 hat am 26. Oktober ein Abschlussdokument beschlossen. Wie bewerten Sie dessen Inhalt? Was hatten Sie erwartet? Was hat sie überrascht?
Ich hatte ohnehin kaum Erwartungen an diese Weltsynode. Insofern bin ich auch nicht überrascht über die Inhalte. Am Ende bleibt zu konstatieren, dass in den wesentlichen und weltweit in unserer Kirche anstehenden Fragen diese Weltsynode weder die Kraft hatte, klare und Orientierung gebende Antworten zu geben. Noch war sie dazu strukturell überhaupt in der Lage, da „heiße Eisen“ nicht angefasst oder schon vorher in andere Formate außerhalb der Synode und damit in die Hinterzimmer des römischen Gerontoklerikalismus ausgelagert wurden. Wenn das die Vorstellung von einer synodaleren Kirche sein soll, dann verschärft diese Weltsynode mit ihrem Abschlussdokument mehr die fortschreitende Kirchenkrise, als dass sie geeignet ist, diese zu beenden oder zumindest den Weg aus der Krise zu weisen. Es bleibt schlicht zu hoffen, dass die nationalen Bemühungen um eine synodalere Kirche in ein deutlich besseres Ergebnis münden werden.
2. Sie hatten im Vorfeld der Weltsynode 2024 gesagt "Es wurde ein großer Bogen um das Thema Missbrauch gemacht". Hat sich ihre Einschätzung nach der Synode geändert oder fühlen Sie sich bestätigt?
Mit dem nun ja auch in deutscher Sprache vorliegenden Arbeitsdokument zum Abschlussbericht wird meine Einschätzung eindeutig bestätigt. Wieder einmal wird der massenhafte Missbrauch, die sexualisierte und spirituelle Gewalt im Abschlussdokument als „Unzulänglichkeit“ betitelt. Hier zeigen die Synodalen, zumindest diejenigen, die diesen Textpassagen zugestimmt haben, erneut, dass Ihnen zwei Dinge grundsätzlich fehlen oder abhanden gekommen sind: Sachkenntnis und Haltung gegenüber den Betroffenen!
In Anbetracht der ja nicht nur in Deutschland, sondern weltweit eindeutigen Studienlage negiert diese Weltsynode damit weiterhin die systemischen Ursachen von sexualisierter Gewalt im Raum der Kirche. Das allein ist schon unfassbar und macht mich fassungslos. Mit dem Abschlussdokument macht sich die Weltsynode zudem selbst unglaubwürdig: Der Text fordert, auf Betroffene zu hören, Raum für ihre ganz spezifische Sicht und Expertise zu geben. Allein die Synode selbst hat aber eben den Betroffenen den dort geforderten Raum und die Stimme nicht gegeben. Hier wurde wieder der große Bogen um das Thema gemacht, wie an so vielen Stellen und Orten schon vorher.
Letztlich zeigt sich damit: Trotz der weiterhin erschütternden Missbrauchszahlen, dem damit verbundenen lebenslangen Leid von Opfern und deren Angehörige, trotz des desaströsen jahrzehntelangen Leitungsversagens des Bischofsamtes einschließlich des Bischofs von Rom ist keinerlei Haltungsänderung festzustellen. Da ändert dann auch die große Vergebungsbitte aus der Bußvigil zu Beginn der Beratungen in Rom nichts. Eigentlich haben die Verantwortlichen den Bußakt missbraucht. Wenn tätige Reue nicht sichtbar wird, z.B. durch eine klare, eindeutige und verbindliche Beschlusslage, um die systemischen Ursachen des Missbrauchs in der Kirche zu überwinden, dann verkommt ein solcher Bußakt zu einer folkloristischen, dümmlichen Pharce, die zudem für Betroffene ein erhebliches Retraumatisierungsrisiko bedeutet. Da kann ich dann nur noch sagen: Schämen Sie sich!
3. Welche Impulse erhoffen sie sich von der Weltsynode 2024 für die kath. Kirche in Deutschland und welche Schritte zu einer synodaleren und gleichberechtigteren Kirche sollten in Deutschland auf die Weltsynode folgen?
Dabei führt die fehlende Approbation des Abschlussdokuments durch den Papst zu einer Unverbindlichkeit, die gleichermaßen Chancen wie Risiken für den weiteren synodalen Weg in Deutschland bedeutet. Die Erfahrungen und auch die Äußerungen von Franziskus zur Weiterentwicklung synodaler Formen und Elemente in den Ortskirchen sollten nunmehr ein konzentriertes Arbeiten im Synodalen Ausschuss ermöglichen. Insbesondere die hinlänglich bekannten Störfeuer, gerne in Briefform aus Rom, sollten wohl eher der Vergangenheit angehören und die Möglichkeit zur intensiven und gemeinsamen Weiterentwicklung dieses Weges und der katholischen Kirche führen. Mit dem Ende der Weltsynode gibt es keinen Grund mehr, auf Rom, bzw. eben die Synode zu warten. Es gilt, nunmehr die dortigen Beratungsergebnisse zu analysieren, in den Synodalen Weg in Deutschland einzubringen und weiter zu entwickeln.
Ob und inwieweit insbesondere der Heilige Stuhl einen solch intensiven Weg dann tatsächlich zulassen wird, bleibt abzuwarten. Denn mit der fehlenden Approbierung durch Franziskus haben sich die kirchenrechtlichen Rahmenbedingungen eben nicht weiterentwickelt. Insofern sehe ich nicht nur eine abstrakte, sondern eine sehr reale Gefahr, dass die Weltsynode keinen Einfluss auf den apostolischen Machtapparat und damit die restriktive Haltung gegenüber synodalen und von Laien umfassend mitgetragenen Strukturen hat. Wir haben daher auch weiterhin mit römischem Störfeuern zu rechnen. Nichts desto weniger sollen und müssen wir den in Deutschland eingeschlagenen Weg weiter gehen. Aber auch aus den Erfahrungen lernen: In allen synodalen Strukturen ist die Stimme, die Expertise der Missbrauchsopfer existentiell und daher zwingend abzusichern und das in spürbarer Personenzahl.
Das Interview führte Christian Schnaubelt - Chefredakteur und Herausgeber von kath.de.
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