Foto: kfd / Kay Herschelmann

Weltsynode: "Frauenbild der Kirche kritisch überprüfen" - Interview mit Prof. Agnes Wuckelt (kfd-Bundesvorstand)

Halbzeit bei der Weltsynode 2024: Professorin Agnes Wuckelt, stellvertretende Bundesvorsitzende der kfd, schildert im Interview ihre Eindrücke und Erwartungen an die Generalversammlung im Vatikan: "Nun ist die 'Frauenfrage' nicht mehr aus der Synodenaula zu verdrängen" (...) doch das reicht nicht aus! Das dahinterstehende Frauenbild muss kritisch überprüft werden."

Anlässlich der Weltsynode 2024 haben die Online-Portale www.explizit.net und www.kath.de eine Artikelserie zum Thema "Synodalität von Kirche" gestartet.

Professorin Dr. Agnes Wuckelt ist stellvertretende Bundesvorsitzende der kfd.

1. Am 02. Oktober sind in Rom die Beratungen über die Synodalität der (Welt-) Kirche in die entscheidende Phase gestartet. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Themen, die bei der Generalversammlung oder in den Arbeitsgruppen der Weltsynode 2024 behandelt werden sollten?

Wuckelt: Die wichtigsten Themen, die aus meiner Sicht jetzt behandelt werden sollten, stehen seit Jahrzehnten auf der Agenda katholischer Frauen: Gleichberechtigung der Geschlechter, Zugang von Frauen zu allen Diensten und Ämtern unserer Kirche.


•    Angefragt und gefordert, mal voller Hoffnung und in der Erwartung, dass sich die Situation der Frauen in der Kirche verändern wird (II. Vatikanum, Würzburger Synode 1971-1974),
•    dann wieder enttäuscht und resignierend (jahrzehntelang keine Antwort aus Rom auf die Bitte der Würzburger Synode, den Zugang von Frauen zum sakramentalen Diakonat zu überprüfen),
•    schließlich mit einem Redeverbot und damit für Theologinnen ggf. mit einem Berufsverbot belegt (Apostolisches Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“, 1994, „keine weitere Diskussion“, basta!).
•    Der Weg zur vollen Gleichberechtigung ist steinig. Viele Frauen sind müde geworden, sind gegangen, leise und lautstark, enttäuscht und zornig. Manche haben einen langen Atem und bleiben, allem zum Trotz, auf dem Weg.

Nun ist die „Frauenfrage“ nicht mehr aus der Synodenaula zu verdrängen. Und es stellt sich mehr und mehr unüberhörbar heraus, dass es keine „deutsche Frage“ ist, sondern Frauen und Männer weltweit, wenn auch auf unterschiedliche Weise, bewegt. Problemanzeige und Protest: Dieses Thema kann nicht ausgegliedert und zur Chefsache erklärt werden, über die dort offenbar schon längst entschieden ist (wieder einmal „basta!“?).

Doch alle Initiativen, Erkenntnisse theologischer Forschung und Erfordernisse der Praxis werden das Thema nicht ruhen lassen. Und es auch nicht dabei belassen, dass das vorbereitende Dokument „Instrumentum laboris“ betont, dass die Charismen, Berufungen und Rollen der Frauen in allen Bereichen des kirchlichen Lebens umfassender anerkannt werden müssen. 

Ja, es gibt konkrete Forderungen, wie eine breitere Teilhabe von Frauen an Entscheidungsprozessen, der Zugang zu verantwortlichen Positionen in Diözesen und kirchlichen Einrichtungen verbessert werden könnte, und dass Ordensfrauen eine stärkere Anerkennung ihrer Charismen erfahren sollten. Auch wenn mit diesen Formulierungen zugegeben wird, dass noch viel Luft nach oben ist: Das reicht nicht aus! Das dahinterstehende Frauenbild muss kritisch überprüft werden. Und wenigstens muss die Möglichkeit der Zulassung von Frauen zum „diakonischen Dienst“, gerade weil es in der Versammlung unterschiedliche Meinungen dazu gibt, diskutiert werden.

Protest und Beschwerde haben dazu geführt, dass sich Kardinal Fernández nach erstem Abwiegeln nun einsichtig zeigt und um Beiträge zum Frauendiakonat bittet. Die deutschen Teilnehmenden können nun Dokumente aus dem Synodalforum „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ übergeben. Wenn auch nur am Rande, an einem Ort außerhalb der Synodenaula – ein Symbol nicht nur für diesen Kompromiss, den das Synodensekretariat gefunden hat? Es wird sich herausstellen müssen, wieviel ernster Wille darin steckt.

Was ebenfalls zu behandeln wäre, ist aber auch die Tatsache, dass Frauen in unseren Breiten der Kirche weiterhin den Rücken kehren – enttäuscht, verletzt, missbraucht. Ob da eine Vergebungsbitte für das Unrecht, dass Frauen in der Vergangenheit durch Männer der Kirche widerfahren ist, ausreicht, wage ich zu bezweifeln.

2. Die Machtfrage ist gestellt. „Die, die Macht haben können an Legitimität gewinnen, wenn sie Macht teilen", hat Prof. Thomas Söding vom ZdK gegenüber www.kath.de gesagt. Inwieweit greift die Weltsynode 2024 aus Ihrer sich diese Thematik auf und sind hier strukturelle Veränderungen zu erwarten, die insbesondere Frauen mehr Rechte in der katholischen Kirche ermöglichen?

Wuckelt: Im „Instrumentum laboris“ wird das Thema Macht insbesondere im Zusammenhang mit der Ausübung kirchlicher Autorität, mit Transparenz und Rechenschaftspflicht angesprochen. Ebenso wird auf die Notwendigkeit einer synodalen Reform der kirchlichen Strukturen und Entscheidungsprozesse verwiesen. Die Lektüre der betreffenden Abschnitte lässt deutliche Verbindungen zu den Texten des deutschen Synodalen Wegs zum Thema „Macht und Gewaltenteilung“ herstellen. Ist dies ein Hinweis darauf, dass die deutschen Beschlüsse doch als nicht ganz abwegig erkannt werden?

Das „Instrumentum laboris“ betont, dass die Ausübung von Macht in der Kirche nicht als Durchsetzung eines unbegründeten Willens verstanden werden sollte, sondern als Dienst an der Einheit des Gottesvolkes. Hier tun sich andere Assoziationen auf: Wo immer seit Jahrzehnten festgestellt wird, dass die „Frauenfrage“ eine „Machtfrage“ sei, wird dies konsequent negiert. Als Begründung wird entweder auf den „Willen Gottes“ verwiesen, oder gibt es eine Klarstellung der besonderen Art: Es gäbe keine Machtausübung, es handele sich um einen „Dienst“. Um Dienst an der Einheit, wie auch um einen Dienst an den Frauen, die es letztlich (sogar vor sich selbst) zu beschützen gilt. Paternalistischer geht nicht mehr. Frauen wird der Zugang zu allen Diensten und Ämtern verwehrt; es werden „ihrem Wesen“ entsprechende Strukturen geschaffen, die sie ausgrenzen von Entscheidungsprozessen.

Kleine Anzeichen, dass Frauen tatsächlich an Entscheidungsprozessen teilhaben, gibt es dieser Tage. Es wird nicht nur erkannt, dass hier Handlungsbedarf besteht. Unter den vierzehn Mitgliedern der Kommission, die das Abschlussdokument der Weltsynode erarbeitet, sind zwei Frauen! Das ist eine mehr als im vergangenen Jahr. Immerhin.

Andererseits: Eine Gruppe von Männern aus dem Glaubensdikasterium beschäftigt sich, so wird berichtet, mit der Frauen- und Ämterfrage. Und es werde demnächst Äußerungen dazu geben. Soll wieder Hoffnung geweckt werden? Oder kommt das „Basta“? Wer wird sich wann wie äußern? Spekulationen. Ohnmachtsgefühle. Die derzeitigen Strukturen lassen kaum etwas anderes zu. Es braucht Strukturen, die transparent und verbindlich sind, die einen offenen Diskurs ermöglichen.

Am Rand der Generalversammlung gibt es zahlreiche Gruppierungen aus aller Welt, die sich ehrenamtlich und auf eigene Kosten engagieren, die die Synodalen zum Austausch und zum Diskurs einladen. Hier zeigt sich Synodalität, hier wird der Blick geweitet auf die Vielfalt in unserer Kirche, hier geschieht Begegnung auf Augenhöhe. Da wird nicht spekuliert, da wird Klartext gesprochen. Da werden die herkömmlichen Strukturen gesprengt – ohne nach dem Kirchenrecht zu fragen. Dass dieses angepasst werden muss, um eine wirklich synodale Kirche zu werden, ist bereits im Blick. (Übrigens: Wie viele Frauen sind wohl in dieser Kommission?) Doch bleibt keine Zeit, auf das neue Kirchenrecht zu warten (oder auf die entsprechende Anzahl von Richterinnen?). Und schließlich ist es doch so, dass das Gesetz der Praxis folgt! Also: sich einüben in eine neue Praxis!

3. Welche Impulse erhoffen Sie sich von der Weltsynode 2024 für die kath. Kirche in Deutschland und welche Schritte zu einer synodaleren und gleichberechtigteren Kirche sollten in Deutschland auf die Weltsynode folgen?

Wuckelt: Bescheidene Anfänge hat der Synodale Weg gesetzt. In den Vollversammlungen hat sich gezeigt, dass dieser Weg viele Lernanforderungen auf allen Ebenen beinhaltet. Angefangen bei der Frage, wie Sitzungen zu gestalten sind, damit alle gleiche Rechte haben, es gleich lange Redezeiten unabhängig von Rang und Namen gibt, bis hin zur Frage, wie ein guter inhaltlicher Diskurs angesichts von Meinungsvielfalt zu führen ist. Da ist vieles passiert, auch ein veränderter Umgang miteinander von Nicht-Geweihten und Geweihten, Frauen und Männern, Alt und Jung. Das Ringen um gemeinsame Beschlüsse hat uns als deutsche Kirche weitergebracht.

So hoffe ich, werden die deutschen Teilnehmenden auch ihre neuen Lernerfahrungen aus der „Bischofssynode“ mit Lai*innen einbringen. Die unterschiedlichen Ebenen der Begegnung brachten positive Lernergebnisse hervor:

Die Erfahrung,
•    dass Berichte allein nicht ausreichen.
•    dass sich die Einforderung des Gesprächs mit denjenigen, die an kontroversen Themen arbeiten, lohnt: Es darf und muss darüber gesprochen werden!
•    dass die positive Bewertung von menschlicher, kultureller und auch theologischer Vielfalt bereichert und nicht verunsichern muss.
•    dass es erforderlich ist, sich der unterschiedlichen kulturellen Kontexte bewusst zu werden, in denen Menschen sich ein Bild vom Menschen machen, es des Gesprächs darüber bedarf.
•    dass es immer noch Menschen aller Geschlechter gibt, die Interesse an Kirche und ihrem Fortbestand haben, die bereit sind, das Evangelium zu verkünden.

Wenn diese Lernerfahrungen nachhaltig sind, ist bereits ein erster Schritt zu einer synodaleren und gleichberechtigteren Kirche getan. Der Weg dorthin fordert Durchhaltevermögen von denjenigen, die bereits aufgebrochen sind: Den sogenannten „willigen“ Bischöfen und denen, die an ihrer Seite gehen, sie beraten und begleiten, die miteinander neue Strukturen im Sinne dessen, was bereits beschlossen ist, gestalten. Sie werden es sein, die sowohl menschliche als auch theologische und zudem rechtliche Aspekte bearbeiten, um auf dem Weg weiterzukommen. Aber auch unter ihnen werden Menschen sein, deren Geduldsfaden reißt, wenn dies alles nicht zu konkreten Veränderungen führt.

Problemlösungskompetenz braucht es darüber hinaus, wo Gruppierungen in und bereits außerhalb unserer Kirche alle Hoffnung und alles Vertrauen in durchgreifende Veränderungen aufgegeben haben. Lässt sich noch so viel Energie und Überzeugungskraft mobilisieren, sie doch noch zum Aufbruch zu motivieren?
Noch schwieriger wird es bei den Verweigerern jeder substanziellen Veränderung, die den Weg zu einer synodaleren und gleichberechtigteren Kirche schon längst verlassen haben. Wenn es nicht möglich ist, auch die kontroversesten Themen ehrlich zu diskutieren, bleibe zumindest ich ratlos zurück.

Die Weltsynode hat es schon thematisiert: Um als deutsche Kirche diesen Weg zu gehen, braucht es auch entsprechende Rahmenbedingungen – wie die Dezentralisierung unserer Kirche. Es wäre ein konkreter Schritt, der sich zwangsläufig aus der Wertschätzung der Vielfalt der Kulturen ergibt. Eine größere Autonomie der Bischofskonferenzen, die jedoch auch jeweils innerhalb ihres Bereichs Vielfalt akzeptieren.
Wie und auf welche Weise dann mit möglichem „Wildwuchs“ umzugehen ist, kann jedoch nicht „von oben“ bestimmt werden. Nicht selten waren und sind es Dissidentinnen und Dissidenten (gewesen), die Wesentliches im Sinne des Evangeliums in die Kirche eingebracht haben.

Das Interview führte Christian Schnaubelt, Chefredakteur und Herausgeber von www.kath.de.


Kategorie: Monatsthema

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