Foto: Bistum Essen / Nicole Cronauge

Weltsynode: "Echte Teilhabe bedeutet: nicht nur beraten, sondern auch mitentscheiden!": Interview mit Rainer Teuber (Initiative "OutInChurch")

Derzeit läuft die Weltsynode 2024, die über Reformen in der Kirche berät. Im Interview beschreibt Rainer Teuber, wie der Pressesprecher der Initiative "OutInChurch" die Beratungen in Rom bewertet. Teuber fordert: "Echte Teilhabe bedeutet: nicht nur beraten, sondern auch mitentscheiden! Hier sollte die Ermutigung von Papst Franziskus, prophetisch Kirche zu sein, aufgegriffen und konsequent eingefordert werden."

Anlässlich der Weltsynode 2024 haben die Online-Portale www.explizit.net und www.kath.de eine Artikelserie zum Thema "Synodalität von Kirche" gestartet.

Rainer Teuber ist Pressesprecher der Initiative "OutInChurch". Teuber ist Leiter Museumspädagogik und Besucherservice des Domschatzes Essen (Bistum Essen).

1. Am 02. Oktober sind in Rom die Beratungen über die Synodalität der (Welt-) Kirche in die entscheidende Phase gestartet. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Themen, die bei der Generalversammlung oder in den Arbeitsgruppen der Weltsynode 2024 behandelt werden sollten?

Teuber: Weil ich als getaufter Christ längst uneingeschränkt zur Kirche gehöre, ergeben sich aus der Taufe – zugegebenermaßen utopische – Maximalforderungen, die ich hier einmal für die Themen, die dringend debattiert werden sollten formulieren möchte:

-    Änderung des Katechismus, Streichung der diffamierenden Äußerungen zu Homosexualität;
-    partikularrechtliche Regelung von Eheschließungen;
-    Anerkennung von wissenschaftlichen Erkenntnissen für die lehramtliche Fassung der katholischen theologischen Anthropologie – es gibt mehr als lediglich zwei Geschlechter!
-    Streichung des Ausschlusses schwuler Männer vom Priesteramt;
-    Ratifizierung der Menschenrechtscharta und einen verbindlichen Plan, wie diese in den nächsten fünf bis sieben Jahre kirchenrechtlich und lehramtlich umgesetzt wird;
-    Verbindliche Mindeststandards für die Aufarbeitung der Schuldgeschichte;
-    Zulassung von Freiheiten der einzelnen Bischofskonferenzen, Paare zu segnen (wenn schon kein Sakrament möglich ist, dann also mindestens die Segnung gleichgeschlechtlicher Partner*innenschaften;
-    Ermöglichung für die Bischofskonferenzen, eigene theologische Interpretationen der biblischen Texte und anthropologischen Konsequenzen als Grundlagen für Leitbilder in den Diözesen zuzulassen;
-    verpflichtende Meldestellen für Diskriminierung und Hasskriminalität.

Die Realität sieht aber anders aus, denn nur ein Teil dieser Forderungen findet sich auf der Agenda der Weltsynode wieder. Der Fokus scheint mir vor allem auf der sogenannten „Frauenfrage“, die ja eigentlich eine Männerfrage ist, einer Lockerung des Zölibats und weniger hierachischen Strukturen zu liegen. 

Sogenannte queere Themen schlagen sich kaum nieder. Zwar erklärten Vertreter:innen verschiedener LGBTQ-Organisationen bei einer Konferenz am Rande der Weltsynode, dass sie in der Kirche willkommen sein und am kirchlichen Leben teilhaben wollen. Und auch wenn an diesem Treffen neben ZdK-Vizepräsident und Synodenberater Thomas Söding auch einige Bischöfe und Kardinäle teilgenommen haben – ist es allenfalls ein kleiner Fortschritt.

Ich für meinen Teil möchte nicht willkommen geheißen werden, denn als getaufter Christ bin ich wie eingangs gesagt längst da und habe meinen Platz in der Kirche. In einer Willkommenskultur, wie sie jüngst immer wieder geforderten wird, sehe ich keine Notwendigkeit, es sei denn, man ist umgezogen und gehört zukünftig einer neuen Pfarrei an.

2. Die Machtfrage ist gestellt. Die, die Macht haben können an Legitimität gewinnen, wenn sie Macht teilen", hat Prof. Thomas Söding vom ZdK gegenüber www.kath.de gesagt. Inwieweit greift die Weltsynode 2024 aus Ihrer sich diese Thematik auf und sind hier strukturelle Veränderungen zu erwarten, die in der katholischen Kirche die Gleichheit aller Menschen - unabhängig von ihrer Sexualität - ermöglichen wird?

Teuber: Ich bezweifle sehr stark, dass auf der Synode Bemerkenswertes zu LGBTQ-Themen und damit auch zur Gleichheit aller Menschen – unabhängig von ihrer Sexualität oder geschlechtlichen Identität – gesagt werden wird, da in erster Linie die Synodalität allgemein im Mittelpunkt der Beratungen steht.

Ich erinnere an die beiden Verlautbarungen „Fiducia supplicans“ und „Dignitas infinita“ von Dezember 2023 bzw. April 2024. „Fiducia supplicans“ markiert keineswegs eine Kurskorrektur im Blick auf die Lehre der Kirche. Die war auch gar nicht seine Absicht. Weiterhin gilt jede Form von Beziehung und Sexualität, die nicht heterosexuell in einer sakramentalen Ehe gelebt wird, als schwere Sünde und kann nicht öffentlich gesegnet werden. Die klare Absage an die Erstellung liturgischer Vorlagen und Formulare durchkreuzt auch die Bemühungen um klare liturgische Formen und eine entsprechende Gestaltung, die in der Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Weges in Deutschland bereits weit fortgeschritten sind

In „Dignitas infinita“ finden sich trotz einiger durchaus positiver Aspekte weiterhin diskriminierende und queerfeindliche Passagen, die an der bisherigen Lehrmeinung festhalten. Von dem offenen Haus für alle, welches Papst Franziskus gerne beschreibt, bleibt die katholische Kirche nach diesen beiden Schreiben weiterhin meilenweit entfernt. Aus queerer Perspektive lesen sich die vorgelegten Regelungen als eine Fortsetzung der bestehenden Diskriminierung. Kurzum: Gleichheit aller Menschen - unabhängig von ihrer Sexualität – Fehlanzeige.

Und solange “heiße Eisen“ wie beispielsweise die die Zulassung von Frauen zu kirchlichen Weiheämtern nicht auf der Synode beraten, sondern in eine externe Arbeitsgruppe ausgelagert werden, vermag ich eine gelebte Synodalität nicht zu erkennen. Letztendlich werden strittige Themen ausgeklammert und auf die lange Bank geschoben. Da passt es ins Bild, dass Kardinal Hollerich zur Geduld mahnt, die Erwartungen als viel zu groß bezeichnet und bereits angekündigt hat, dass eben nicht alles auf dieser Synode entschieden werde.

Ja, Macht muss abgeben werden. Es bleibt aber die große Frage, wie stark Bischöfe und Kardinäle in Zukunft ihre Macht teilen werden. Letztendlich muss die katholische Kirche meines Erachtens eine demokratische Entwicklung durchlaufen, um voll synodal zu werden. Vorschläge, die bei der Synode eine Zweidrittelmehrheit erhalten, werden am Ende dem Papst zur Entscheidung vorgelegt. Denn dieser behält das letzte Wort. Ich nenne das Monarchie und nicht Synodalität.

Insgesamt sage ich, dass ich aufgrund meiner Erfahrungen so ernüchtert bin, dass ich an die Synode und an den Papst keine Erwartungen mehr habe. Dazu deuten einfach zu viele Zeichen und reale Handlungen darauf hin, dass echte Synodalität allenfalls vorgetäuscht und faktisch das monarchische päpstliche Handeln weiter fortgesetzt wird.

3. Welche Impulse erhoffen sie sich von der Weltsynode 2024 für die kath. Kirche in Deutschland und welche Schritte zu einer synodaleren und gleichberechtigteren Kirche sollten in Deutschland auf die Weltsynode folgen?


Zusammen mit vielen anderen Reforminitiativen haben wir bereits im Juni dieses Jahres gefordert, dass der Synodale Prozess in Deutschland beherzt weitergeführt werden muss. Wir haben wiederholt daran erinnert, dass die deutschen Bischöfe das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) nach der Veröffentlichung der MHG-Studie – der Missbrauchsstudie im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) – zur Mitwirkung am Synodalen Weg in gleichberechtigter Verantwortung eingeladen hatten. Hierzu sei gesagt, dass das Wort „Einladung“ bereits die eigentliche Intention konterkariert. Gleichberechtigte Partner:innen muss man nicht einladen, sondern mit Ihnen Strukturen schaffen, Termine koordinieren etc. Der inzwischen begonnene Prozess darf nicht durch immer neue Anweisungen aus Rom oder geforderte Kompromisse der Bischöfe verzögert oder verwässert werden. Dazu ist es jedoch unabdingbar, dass die Bischöfe gemeinsam mit dem ZdK die selbstverursachten Hemmnisse beseitigen, die der jahrzehntelange Reformstau und die immer noch nicht in allen Diözesen aufgearbeitete Missbrauchskrise verursacht haben.

Es bedarf jetzt aller Aufmerksamkeit und Anstrengung, um die von Papst Franziskus propagierte Synodalität wirklich zu verankern. Die problematischen kirchlichen Strukturen, die zu Missbrauch und eklatantem Vertrauensverlust geführt haben, müssen dauerhaft korrigiert werden. Das Ausspielen von pastoralen und strukturellen Fragen muss ein Ende haben.

Die von Papst Franziskus 2020 einberufene Weltsynode und die Generalversammlung im Oktober 2023 in Rom, die jetzt fortgeführt wird, haben gezeigt, dass der Synodale Weg in Deutschland kein Sonderweg war, sondern wichtige Vorarbeit für die Weltsynode geleistet hat. Dies wurde von Teilnehmenden aus aller Welt anerkannt. Denn die Verbrechen und Skandale, die zu diesem Synodalen Weg geführt haben, werden in immer mehr Ortskirchen in aller Welt offenbar.

Eine der Schlüsselfragen für die Zukunft wird sein, welche Rolle künftig die Bischöfe und welche die Vertretungen des Kirchenvolkes in der katholischen Kirche spielen werden. Echte Teilhabe bedeutet: nicht nur beraten, sondern auch mitentscheiden!

Hier sollte die Ermutigung von Papst Franziskus, prophetisch Kirche zu sein, aufgegriffen und konsequent eingefordert werden. Er selbst sollte so handeln! Die deutschen Bischöfe sollten die ihnen kirchenrechtlich offenstehenden Möglichkeiten ausschöpfen. Dazu gehören beispielsweise die Übertragung der Gemeindeleitung an Lai:innen, die Tauferlaubnis, die Übertragung des Predigtamts auf Lai:innen, insbesondere auf Frauen und andere nicht-männliche Personen sowie der Einsatz dispensierter, zumeist wegen des Zölibats aus dem Dienst geschiedener Priester in der Pastoral.

Aber auch hier habe ich große Zweifel, inwieweit eine echte Synodalität für die katholische Kirche – insgesamt und auch in Deutschland – aufgrund ihrer unverändert hierarchischen Gestalt umgesetzt wird. Ohne eine Änderung des Kirchenrechts wird keine echte Synodalität möglich sein. Und dies kann der Papst – wenn er denn will – am Ende der Synode durchaus tun.

Das Interview führte Christian Schnaubelt - Chefredakteur und Herausgeber von kath.de.


Kategorie: Monatsthema

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