Die Rechtgläubigkeit des Papstes wird angefragt. Es geht um das Lehrschreiben zur Familie, speziell um die Frage, ob Menschen, die einen anderen Partner heiraten, zeitlebens von den Sakramenten ausgeschlossen sind. Können diese, im katholischen Sprachgebrauch Wieder- verheirateten, wieder zum Kommunionempfang zugelassen werden? Geht es dem Papst überhaupt um diese Frage? Im Folgenden wird nicht theologisch argumentiert, sondern kommunikationspraktisch.
Der Papst hat nicht die katholische Lehre geändert, sondern die Perspektive, um die Kirche in dieser Frage aus einer Sackgasse herauszukommen. Um wieder Aufmerksamkeit für die katholische Sicht von Ehe und Familie zu gewinnen, musst er die Dynamik, die den innerkirchlichen Konflikt immer wieder angefacht hat, „aushebeln“. Der Konflikt holte sich immer neue Energien, weil man vom Scheitern einer Ehe ausging. In Deutschland setzte das oberste Laiengremium, das Zentralkomitee der Katholiken, immer wieder die Forderung auf die Tagesordnung, Menschen, die zum zweiten Mal geheiratet hatten, nicht länger von dem Kommunionempfang auszuschließen. Sie richteten ihre Forderung an den Vatikan. Der Vatikan blieb natürlich bei seiner Position, dass die Ehe unauflöslich ist. Das Rad hätte man noch Jahrzehnte weiter drehen können.
Ehe als scheiterndes Projekt
Ohne den Beteiligten den guten Willen abzusprechen, im Sinne des Evangeliums die Ehe zu stabilisieren, war das Ergebnis verheerend: Das kirchliche Lehramt wie die Laien, obwohl sie entgegengesetzte Standpunkte vertraten, fixierten das Thema "Ehe" auf das Scheitern. Dann doch besser nicht heiraten, wenn nicht nur das Scheitern der Partnerschaft, sondern zugleich auch gleich die kirchliche Diskriminierung drohen. Der Papst beginnt sein lehrschrieben mit einem ganz anderen Ton. Er spricht nicht von einer zweiten Partnerschaft, sondern von der gelingenden Ehe und gibt seinem Text den Titel "Die Freude der Liebe“. Damit holt das Thema aus seiner Unausweichlichkeit, in die es in den westlichen Ländern immer wieder geraten war. Das Lehrschreiben schlägt in den ersten Zeilen folgenden Ton an und kann sich dabei auf die Ergebnisse der Synode berufen, die zweimal zu dem Themenbereich getagt hat. :
„Die Freude der Liebe, die in den Familien gelebt wird, ist auch die Freude der Kirche. So haben die Synodenväter darauf hingewiesen, dass trotz der vielen Anzeichen einer Krise der Ehe »vor allem unter den Jugendlichen der Wunsch nach einer Familie lebendig [bleibt]. Dies bestärkt die Kirche«.
<p>Als Antwort auf diese Sehnsucht ist »die christliche Verkündigung über die Familie […] wirklich eine frohe Botschaft.“</p> <p>Ließe sich der Papst jetzt auf die alte Frage der "Wiederverheirateten" ein, würde die Weltpresse das begierig aufgreifen und die alten Zustände, dass man dem katholischen Lehramt jede Kompetenz für Ehefragen abspricht, wäre wiederhergestellt.</p> <h2>Der Papst muss seine Lehrschreiben nicht erklären</h2> <p>Die öffentlich gemachte Anfrage der vier Kardinäle wird von anderen Bischöfen als Infragestellung des Lehramtes kritisiert. Im Wortlaut haben sich die Kardinäle zwar nicht gegen den Papst gewandt. Hinter den Fragen ist jedoch die Skepsis gegenüber der Sicht des Papstes zu spüren. Faktisch haben sie aber nur gefragt. Aber geht das gegenüber dem päpstlichen Lehramt? Kann man tatsächlich vom Papst verlangen, dass er noch mal seine offiziellen Schreiben erklärt? Natürlich verlangt jeder Text Interpretation, aber doch so nicht. Die Kardinäle formulieren wie Prüfer, die den Prüfling mangelnde Klarheit bzw. fehlender Ausdrucksfähigkeit überführen. Damit demontieren sie das Lehramt des Papstes, ohne dass sie den Papst eines Bruchs mit der katholischen Lehrtradition bezichtigen. Das zeigt, dass diese Kardinäle noch nicht begriffen haben, dass Sprache auch immer ein Handeln beinhaltet. Indem sie Ihre Fragen öffentlich gemacht haben, wird der Handlungsaspekt explizit. Sie definieren sich als die Wahrer der katholischen Tradition. Auch der Papst hat mit Worten gehandelt, aber nicht, indem er bisherigen Lehraussagen widersprochen, sondern indem er die Sicht auf das Problem verändert hat. Das musste er, damit sich das Rad des Konflikts nicht noch endlos weiter dreht.</p> <h2>Die Einschätzung des Papstes</h2> <p>In dem „Apostolischen Schreiben“ findet sich gleich unter Nr. 2 eine ausreichende Erklärung, wie das Dokument zu verstehen ist:</p> <p>„Zugleich machte uns die Vielschichtigkeit der angesprochenen Themen die Notwendigkeit deutlich, einige doktrinelle, moralische, spirituelle und pastorale Fragen unbefangen weiter zu vertiefen. Die Reflexion der Hirten und Theologen wird uns, wenn sie kirchentreu, ehrlich, realistisch und kreativ ist, zu größerer Klarheit verhelfen. Die Debatten, wie sie in den Medien oder in Veröffentlichungen und auch unter kirchlichen Amtsträgern geführt werden, reichen von einem ungezügelten Verlangen, ohne ausreichende Reflexion oder Begründung alles zu verändern, bis zu der Einstellung, alles durch die Anwendung genereller Regelungen oder durch die Herleitung übertriebener Schlussfolgerungen aus einigen theologischen Überlegungen lösen zu wollen.“</p> <p>Beides will der Papst ausschließen. Nicht wenige deutsche Bischöfe haben sich schon lange vor der Synode für ein differenziertes Vorgehen entschieden.</p> <h2>Die Praxis in deutschen Diözesen</h2> <p>Die Ergebnisse der Bischofssynode wie auch die positive Aufnahme des päpstlichen Schreibens haben in den deutschsprachigen Diözesen keine besondere Reaktion hervorgerufen, weder dafür noch dagegen. Man kann natürlich sagen, dass die Initiative des Papstes zu spät gekommen ist. Es wurde durch die Arbeit der Synode auch die differenzierte Praxis in Deutschland bestätigt. Denn seit Jahrzehnten haben nicht wenige Bischöfe ihren Priestern die Möglichkeit aufgezeigt, dass nach Gesprächen mit Menschen in einer zweiten Ehe diese wieder zur Kommunion zugelassen werden können. Einige dieser Bischöfe sind bereits verstorben. Darüber wurde nie geredet. Faktisch ist man dem früher schon dem Schreiben des Papstes gefolgt, der sagt, dass man jeden Fall einzeln betrachten muss. Da die Erfahrungen der Seelsorger in dieser Frage selten deckungsgleich mit den kirchlichen Normen waren, haben Bischöfe gehandelt. Aber sind diese Normen in Stein gemeißelt, wie einige Kardinäle den Anschein erwecken? Eine Rückbesinnung auf die Worte Jesu und die von Paulus formulierten Leitlinien und Reglungen zeigen, dass die Kirche von der Bibel nicht so festgelegt ist. Der Paulusforscher Norbert Baumert hat philologische Untersuchungen veröffentlicht, die auch zu einem Perspektivwechsel führen. Dazu folgt ein weiterer Beitrag.</p> <p>Link</p> <p> <p>
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