"Schweigen", Silence, heißt der neue Film von Martin Scorsese. Er basiert auf dem gleichnamigen Roman des japanischen Dichters Shusako Endo, der vor vierzig Jahren erschienen ist. Der Titel ist Programm. Es geht um Schweigen, das Schweigen Gottes. Genauer: Es geht konkret um Gottes Schweigen angesichts der Christenverfolgung in Japan des 17. Jahrhunderts. Es soll ausgerottet werden, weil es ein Fremdkörper in der Kultur Japans sei. Doch Gott schweigt nicht, auch wenn es so aussieht. Wenn Gott schweigt, ist er da. Da bei den verfolgten und gequälten Christen Japans und bei den Missionaren, die von Gott erzählen und der Liebe Gottes zu den Menschen. Die Christen japanischen Christen müssen sich verstecken, um der Folter zu entgehen, was nicht gelingt. Sie werden ermordet. Und dazu schweigt Gott? Es sieht so aus. Denn Pater Ferreira, seit langem in Japan, schweigt. Er, Leiter der Missionsarbeit in Japan, schweigt, indem er keine Berichte mehr über die Lage der japanischen Christen nach Rom schickt. Gerüchteweise heißt es, er soll dem Christentum abgeschworen haben und Buddhist geworden sein. Hat er Gott im Stich gelassen? Oder Gott ihn, dass er keinen Halt mehr im Glauben an Gott gefunden hat? Zwei Patres werden deshalb nach Japan geschickt, Pater Ferreira zu finden. Sie erleben Nachstellungen, Folter der Christengemeinde, die sie aufgenommen hat. Die Patres trennen sich, nachdem sie den Foltertod einiger Christen aus dem Dorf selbst miterlebt haben, damit wenigstens einer auf dem Weg ins Landesinnere zu Pater Ferreira überlebt, wenn der andere ums Leben kommt. Pater Rodrigo wird verraten und muss sich den japanischen Behörden stellen, insbesondere dem Gouverneur Inoue, einem Christenhasser, der die christliche Religion in Japan ausrotten will. Pater Rodrigo trifft im Gefolge Inoues dann auch auf Pater Ferreira. Der vertritt seinen neuen Glauben, den Buddhismus. Pater Rodrigo bemerkt, dass er das nur unter großen Mühen tut und glaubt, einen Funken des christlichen Glaubens noch in den Augen Pater Ferreiras erkennen zu können. Sieht so das Schweigen Gottes aus? Gouverneur Inoue hat Pater Ferreira dem Christentum abschwören lassen, durch eine sogenannte Tret-Zeremonie. Gott schweigt dazu? Es scheint so. Dieser Prüfung muss sich auch Pater Rodrigo unterziehen. Und er tut es – genauso wie Pater Ferreira. Er macht die Tret-Zeremonie mit, bei der auf das Antlitz Jesu auf einem Kreuz am Boden getreten werden muss. Das Ungeheuerliche geschieht. Pater Rodrigo, überzeugter Christ, Priester und Jesuit, tritt darauf, zur Genugtuung des japanischen Gouverneurs. Hier auch endet das Schweigen Gottes, das den ganzen Roman als Frage, Anklage, resignierte Feststellung durchzieht und immer wieder in den verschiedensten Konstellationen benannt wird. Pater Rodrigo, der sich im Lauf seines Aufenthaltes in Japan immer wieder das Antlitz Jesu vorstellt, erkennt in dem von ihm getretenen Antlitz Jesu schlagartig, dass dieser mit ihm leidet – und Gott also eben nicht schweigt. Er war immer da, auch wenn er sich nicht geäußert hat. Diese Erfahrung von Gottes scheinbarer Abwesenheit im Schweigen ist entscheidend, nicht dass Pater Rodrigo als buddhistischer Mönch, wie auch Pater Ferreira, weiterlebt. Gott war immer da , auch wenn er nicht antwortet, sondern schweigt. Das erkennt man aber erst am Ende der Suche nach der Antwort Gottes. Man findet Gott – aber nur, wenn man ihn sucht und damit nicht aufhört. Diese Erkenntnis des Endoschen Protagonisten scheint eine Grundgegebenheit in der Erfahrung von Gottes Schweigen, Gottes scheinbarer Abwesenheit, zu sein. In seinem Erfahrungsbericht "Ich bin dann mal weg" über das Pilgern auf dem Jakobsweg schreibt Hape Kerkeling, dass er jeden Tag nach Gott gesucht habe, aber keine Antwort bekam. Erst ganz am Schluss erkennt er: Natürlich war Gott da, mit ihm unterwegs auf der Suche, und das an jedem Tag.
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