Anlässlich der Weltsynode 2024 haben die Online-Portale www.explizit.net und www.kath.de eine Artikelserie zum Thema "Synodalität von Kirche" gestartet. Weitere Artikel der Serie gibt es hier.
Der Geist, der das Ganze durchweht, ist das Lebenselixier. Eine Religionsgemeinschaft lebt von dem “spirit”, von einem Geist, der sie bewegt. Zwar baut sie aus diesem Geist Kirchen und betreibt Caritas bzw. Diakonie. Aber anders als bei Firmen oder Parteien gibt es keinen Maßstab für den Erfolg. Im Christentum wäre es die Zahl derer, die im Himmel ankommen. Wenn das Feuer der Hölle gar nicht außen brennt, sondern innen, weil der Mensch sein Lebensziel verfehlt hat, trifft er auf einen barmherzigen Gott. Braucht dieser Geist am Ende gar keine Kirche?
Es ist bei der Kirche dann doch wie bei einem Unternehmen. Sie braucht eine Unternehmens-Philosophie, die den Menschen etwas verspricht, damit sie zu den Gottesdiensten kommen und sich ehrenamtlich einsetzen. Das wäre wie bei anderen Religionen ein Verständnis dafür, wie der Mensch sich in dieser Welt und über den Tod hinaus orientieren kann. Aus einem tieferen Verständnis folgt dann, wie er, wie sie ihr Leben gestalten. Wer bestimmt aber, wie das zu gehen hat? Für alle christlichen Kirchen ist es Jesus, nicht nur als Lehrer, sondern auch, wie er selbst sein Leben gelebt und wie er mit denen umgegangen ist, die ihn umgebracht haben. Es geht also um die Orientierung an Jesus.
Wie läuft diese in der Katholischen Kirche? Aus deutscher Sicht ist der Papst derjenige, der das nicht weiter bestimmen sollte. Es geht um Unfehlbarkeit, die ihm die Bischöfe im I. Vatikanischen Konzil zugesprochen haben. Allerdings nur für Situationen, wie sie mit dem abrupten Ende dieses Konzils durch Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870 entstanden war, also der Papst kein Konzil einberufen konnte. Seitdem gibt es nur wenige Aussagen, die ein Papst mit dem Etikett “unfehlbar” versehen hat. Dafür befragt er vorher alle Bischöfe. Dieses Zuhören soll nicht mehr allein den Bischöfen gelten. Nicht nur der Papst, auch nicht nur die Bischöfe für ihren Sprengel, sondern alle Leitungskräfte sollen im Zuhören zu Entscheidungen kommen.
Die Idee aus Rom ist anders als der deutsche synodale Weg
Demokratisierung ist die Konzeption, die der Synodale Weg seinem Vorgehen zugrunde gelegt hat. Meine Bewertung: Die Mehrheit der 230 Wanderer auf dem Synodalen Weg weiß, was die Kirche weiterbringt. Die Minderheit wurde nicht nur überstimmt, ihr Weg wurde von der Mehrheit als nicht akzeptabel erklärt. Umgekehrt dann ebemso.
Synodalität im römischen Verständnis zielt auf Konsens, weil sie im Prozess herauszufinden sucht, wohin der Geist Gottes die Kirche lenken will. Also der Geist weiß es. Das Neue: Dieser Geist spricht nicht allein durch die Bischöfe und Priester, sondern in jedem Gläubigen. Entscheidungen kommen nicht durch das Votum der Mehrheit zustande, sondern wenn die Versammelten zur Überzeugung kommen, dass ein Beitrag, ein Vorschlag dem Geist entspricht. Wenn bei Teilnehmern die Überzeugung nicht entstanden ist, die Führung durch den Geist sei erkennbar, muss man weiter suchen. Die Erfahrung, nicht nur der Kirche, zeigt, dass die Mehrheit nicht selbstredend eine tragfähige Entscheidung getroffen hat. Wie der Geist die Kirche lenkt, ist in der Apostelgeschichte beschrieben. Mein Novizenmeister hat mich bereits darauf aufmerksam gemacht.
Der theologische Hintergrund des Papstes ist einmal die argentinische Ausprägung der "Theologie der Befreiung", indem das Bild für die Kirche als “Volk Gottes” vom II. Vatikanischen Konzil übernommen wurde. Dieses Volk hat einen Glaubenssinn, der ihm letztlich nicht von Theologen, sondern vom Geist Gottes vermittelt wurde. Für die ständig geübte Synodalität steht weiter das Leitungskonzept des Ignatius von Loyola Pate. Die Leitungskräfte des Jesuitenordens sollen sich beraten und dann alleine entscheiden. Wir fahren damit gut. Wir wollen einen Provinzial, der unabhängig genug ist, auch schmerzhafte Entscheidungen zu treffen. Der Provinzial hat im Orden ähnliche Kompetenzen wie ein Bischof gegenüber den Priestern.
Nicht nur Synode, sondern synodal
Was ändert sich für die Katholische Kirche, auch in Deutschland: Es gibt nicht nur hin wieder eine Synode, die beschließt, was in Zukunft gilt und zu tun ist. Diese Synoden ändern nur das Regelwerk, die Abläufe und die Funktion der Vorgesetzten bleibt. Sie müssen sich nur an die neuen Regelungen halten. Bei der Synodalität geht es um alle Entscheidungen, z.B. ob in der jetzigen Situation ein Kirchengebäude verkauft wird, welches Erziehungskonzept der Kindergarten haben soll, wie die ökologische Herausforderung aufgegriffen wird.
Der Prozess beginnt mit Zuhören, nicht nur den Anderen im Team oder im Pfarrgemeinderat, sondern denen, die von der Entscheidung betroffen sind. Das würde die Abläufe in der Pfarrei ändern. Von den Hauptamtlichen würde nicht nur der Pfarrgemeinderat, sondern auch die Eltern, die ihre Kinder dem Kindergarten anvertraut haben, befragt, was sie erwarten und welches Konzept sie sich wünschen, z.B. Handyverbot. Es würde sich auch endlich die Zugehörigkeit der Katholiken anderer Muttersprachen entwickeln. Nicht mehr die Hauptamtlichen noch der Pfarrgemeinderat denken sich aus, was man mit ihnen wohl macht. Sie würden vielmehr fragen, wozu Gott die deutsche Kirche mit so vielen Talenten und Glaubensfreude beschenkt hat, um dann von den hinzugekommen Katholiken zu hören, was diese einbringen können. Ich feiere mit Katholiken aus Asien und Afrika Gottesdienst und wundere mich, warum die Hauptamtlichen diese Charismen nicht in ihre Gemeinden einbauen.
Denkt man Synodalität durch, würde viel Druck von den Hauptamtlichen genommen, weil alle auf den einen Geist hören. Die englischsprachige Gemeinde, in der ich öfters Gastpriester bin, macht alles selber. Wenn die Gläubigen ihre Vorstellungen und ihre Spirtualität mehr einbringen, Für die deutsche Großpfarrei könnten die Hauptamtlichen ihre Kompetenz an den Rändern einsetzen, also das vom Papst empfohlene “Lazarett” für die Hoffnungslosen, die Verlassenen, die Ausgebrannten einrichten. Sie müssten sich nicht mehr so um die Kirchgänger sorgen.
Die Initiative des Papstes stößt weitere Überlegungen an.
Was wird aus den kirchlichen Verwaltungen, die faktisch die Kirche lenken? Meine Einschätzung: Bergoglio und Trump sind aus einem ähnlichen Motiv gewählt worden. Für den argentinischen Kardinal Brergoglio ist Bürokratieabbau der Auftrag, den er von den nicht-römischen Kardinälen bei seiner Wahl erhalten hat. Weil Trump die Abneigung der Amerikaner gegenüber der Bürokratie Washingtons aufgegriffen hat, erhielt er die Stimmen vieler Wähler.
Es bleibt die Frage, ob es sinnvoll ist, dem Papst weiterhin die letzte Entscheidung zu überlassen. Es wird auch deutlich, dass Synodalität erst gelingt, wenn das Zuhören durch geschulte Moderatoren gesichert wird. Auch die Finanzierung der Kirche über eine Steuer lässt sich im Horizont der Synodalität neu bewerten.
Beim Schreiben ist mir deutlich geworden, dass Synodalität methodisch noch mehr Erklärung braucht. Diese findet sich im zweiten Teil des Abschlussdokuments der Beratungen in Rom. Der erste Teil beinhaltet die theologische Grundlegung, die zeigt, dass diese Vorgehensweise von Anfang an praktiziert wurde. Weiter ist zu klären, was es bedeuten könnte, wenn die Bischöfe mit ihrer Entscheidungsmacht in Zukunft von den Gläubigen gewählt werden sollen.
Hinweis:
Das Dokument „Synodale Kirche" steht als PDF-Datei zum Download auf der DBK-Website zur Verfügung.
Ein Kommentar von Dr. Eckhard Bieger SJ
Foto vom Abschlussgottesdienst zur Weltsynode 2024 im Petersdom: Christian Schnaubelt / kath.de
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