Foto: N. Schmidt

Rankings zur Pressefreiheit in Polen

Seit November 2015 regiert die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in Polen. Seit Beginn lauten die Vorwürfe der Opposition und der europäischen Eliten: autoritäre Regierungsführung, Kampf gegen den Rechtsstaat, Einschränkung der Pressefreiheit. Für letzteres gibt es jetzt handfeste Beweise - oder?

Seit November 2015 regiert die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in Polen. Seit Beginn lauten die Vorwürfe der Opposition und der europäischen Eliten: autoritäre Regierungsführung, Kampf gegen den Rechtsstaat, Einschränkung der Pressefreiheit. Für letzteres gibt es jetzt handfeste Beweise - oder?

Vergangene Woche veröffentlichte die NGO "Reporter ohne Grenzen" (ROG)ihre jährliche Rangliste der Pressefreiheit 2016. Unter den "Absteigern" befindet sich neben Tadschikistan und Brunei auch: Polen.

<emphasize>Polenstürzte um 29 Plätze auf Rang 47 ab -eine Folge der zielgerichteten Bestrebungen der neuen Regierung, die Eigenständigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien einzuschränken und private Medien zu „repolonisieren“.</emphasize>

- erklären die Reporter Ohne Grenzenim

<p>.</p> <p>Das ist schon insofern unpräzise, als das eine "Eigenständigkeit" der öffentlich-rechtlichen Medien in Polen</p> <p>

<p>. Es isteigentlich schon ein Euphemismus, überhaupt von öffentlich-rechtlichen Medien zu sprechen.</p> <p>Aber auch eine andere Wortwahl lässt aufhorchen. ROG kann nurüber"zielgerichtete Bestrebungen" sprechen - denn laut</p> <p>

<p>wurden "Entwicklungen [...]bis zum 31. Dezember 2015 berücksichtigt" - die Novelle des Gesetzes über Rundfunk und Fernsehen ist aber überhaupt erst im Januar 2016 in Kraft getreten.Erst danach begann die Regierung, das Personal in den staatlichen Medien auszutauschen.</p> <p>Diese Ungenauigkeit machen sich viele PiS-Befürworter zu Nutze und behaupten: das Ranking sei von 2015 und könnedemnach also höchstens die Verfehlungen der Bürgerplattform reflektieren.Das ist allerdings nicht der Fall.</p> <h2>Trends bewerten in Ordnung, aber bitte präzise</h2> <p>Tatsächlich war das Gesetz bereits Ende Dezember in beiden Kammern des Parlaments beschlossen worden. Darüber hinaus steht es nicht nur jedem frei, sondern ist häufig sogar notwendig, Ankündigungen zu beachten und Trends zu analysieren. Das gehört zur journalistischen Recherche dazu. Und insgesamt scheint die NGO auch ein umfassendes Bild von der Medienlage in Polen zu haben:</p> <p><emphasize>In Polen können Medien frei berichten, allzu kritische Äußerungen und satirische Aussagen über Politiker können jedoch mit Verleumdungsklagen geahndet werden. Die Mitglieder des Nationalen Rundfunkrats werden von der Regierung bestimmt, sie kontrollieren die Vergabe von Sendefrequenzen und Lizenzen und können Strafen für die Berichterstattung verhängen. Polens Medienmarkt ist der größte in Mittel- und Osteuropa, die meisten Privatsender und Printprodukte sind ausländischer, vor allem deutscher Hand. -</emphasize>

<p>lautet die</p> <p>

<p>.</p> <p>Doch die Meldung "</p> <p>

<p>"vom 16. Dezember 2015 enthält einige Passagen,die so wirken, als seiendie Reporter Ohne Grenzen voreingenommen,wenn es um die vermeintlich unverdiente schlechte Behandlung ihrer journalistischen Kollegen geht.</p> <h2><emphasize></emphasize> <h2>Sturzaus luftiger Höhe</h2> <p>Doch selbst wenn die Bewertungder PiS-Pläne als solche korrekt wäre, ist noch unklar: wie kam Polen überhaupt erst so weit nach oben auf dem Ranking? "</p> <p><emphasize>Polen stürzt um 29 Plätze [...] ab</emphasize>

<p>" - demnach muss Polen also vorher eine Oase der Freiheit in Bezug auf die Presse gewesen sein.Auch das ist nicht der Fall.</p> <p>

<p>, stehennicht nur staatlicheMedien in Polen nicht frei, sondern auch private Medien wurden in der Vergangenheit (d.h. zur Regierungszeit der Bürgerplattform) beeinflusst und sogar drangsaliert.Die Reporter Ohne Grenzen berichteten sogar über einige Übergriffe:als Verkehrsminister Sławomir Nowak im Mai 2013</p> <p>

<p>, als der Inlandgeheimdienst während der Abhöraffäre im Jahr 2014</p> <p>

<p>und als zwei</p> <p>

<p>, währendsie über einenpolitischen Protest wegen Wahlunregelmäßigkeiten berichteten.</p> <h2>Methode des Rankings ungenau</h2> <p>Trotzdem stiegder Rang Polens unter der Bürgerplattform kontinuierlich. Die Berechnung der Punkte hat sich im Laufe der Jahre verändert, die Punkte sind alsoüber den Gesamtzeitraum weniger aussagekräftig. Seit 2013 jedoch ist derIndex jedoch einheitlich: 0 Punkteist der beste "score", 100 der schlechteste. Übergriffe auf Journalisten werden separat berechnet und fallen am Ende mal stärker ins Gewicht, mal weniger stark. Von 2014 auf 2015 (11,03 zu 12,71) hat sich Polens Punktzahl übrigens ausschließlich wegen Übergriffen verschlechtert. Im Rang steigt Polen trotzdem von 19 auf 18, vermutlich wegen Entwicklungen auf der Skala.</p> <p>So weit, so kompliziert. Wenn man bedenkt,</p> <p>

<p>ist es verwunderlich, dassPolen also unter der Bürgerplattform eine stetige gute Bewertung bekam.</p> <p>Reporter Ohne Grenzen holt für sein Ranking die Meinungen von hunderten "</p> <p><emphasize>Experten auf allen Kontinenten [...], darunter das eigene Netzwerk von Korrespondenten, Vertreter von Partnerorganisationen sowie Journalisten, Wissenschaftler, Juristen und Menschenrechtsaktivisten</emphasize>

<p>" mithilfe</p> <p>

<p>ein. Die NGO gibt jedoch selbst zu: "</p> <p><emphasize>Es handelt sich jedoch nicht um eine repräsentative Umfrage nach wissenschaftlichen Kriterien.</emphasize>

<p>"</p> <p>Die Methodik lässt zu wünschen übrig. Die Fragen sind punktuell gestellt, der Bericht soll aber ein ganzes Jahr abdecken. Im Berichtszeitraum gab es einige Veränderungen in Polen, beide Regierungen haben Pluralität nicht wirklich groß geschrieben. Also stellt sich doch die Frage: welche Regierung wird bewertet? Für ROG istes klar: die PiS. Sie bewerten das neue Gesetz vom Dezember und den wahrgenommenen Trend.</p> <p>Doch die Bürgerplattform hat sich im Berichtszeitraum auch einiges zu Schulden kommen lasse. Die o.g. Festnahmen der Journalisten im November 2014 beispielweise fallen aber auch noch in den Berichtszeitraum. Was ist außerdem mitder parteiischen Berichterstattung im Vorlauf der Präsidentschaftswahl, bei dem das staatliche Fernsehen eindeutig den Amtsinhaber Komorowski (PO) favorisierte?</p> <p>Wenn sich ROG so sicher ist, woran die schlechte Bewertung liegt, ist sie sich dann vielleicht auch sicher, welche politischen Präferenzen ihr Netzwerk hat? Die eindeutigschlechte Bewertung während PiS-Regierungszeiten und die zu positive während der Jahre unter derBürgerplattform wirft Fragen auf. Die Schlagzeilen, die das Ranking hervorgerufen hat, verdient es jedenfalls nicht.</p> <h2>Freedom House hingegen: Polen beobachten</h2> <p>Das</p> <p>

<p>der amerikanischen NGO Freedom House dagegen zeigt sich in der Bewertung im Zeitverlauf eher stabil.</p> <p>

<p>, aber auch Freedom House arbeitet mit 100 Punkten: je mehr, desto schlechter.</p> <p>Wie auch Reporter Ohne Grenzen ist Freedom House in der Vergangenheit in die Kritik geraten. Allerdings kann eine Sympathie zur PiS ziemlich sicher ausgeschlossen werden, da sie von der Open Society Foundation unterstützt wird, die angeblich auch die PiS-kritischen Proteste des sog. Komitees zur Verteidigung der Demokratie (KOD) finanziert.</p> <p>Freedom House ist in diesem Jahr besorgt um Polen und hat es als "Country to Watch" eingestuft. Der Ton ist jedoch ein anderer als bei ROG:</p> <p><emphasize>Poland: Legislation passed at the end of 2015 gave the government greater control over public media, presaging a year of heightened tension between the ruling Law and Justice party and the press.</emphasize>

<p>-</p> <p>

<p><emphasize>Polen: Gesetzgebung, die Ende 2015 verabschiedet wurde, gab der Regierung größere Kontrolle über öffentliche Medien, was ein Jahr der erhöhten Spannung zwischen der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit und der Presse vorzeichnet</emphasize>

<p>- Übersetzung des Autors</p> <p>Der erste Teil ist zutreffend und wurde </p> <p>

<p>. Der zweite Teil ist durchaus möglich: der erste Teil des sog. "großen" Mediengesetzes war gerade zur ersten Lesung im Sejm und wurde mit Kritik zurück in den Ausschuss geschickt. Wie es weitergehen wird, bleibt abzuwarten.</p> <p><emphasize>(c) Nikolas J. Schmidt</emphasize>



Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang