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Putin treibt die Ukraine weiter Richtung Westen

Militärinterventionen können teuer zu stehen kommen. Die gegen die Ukraine doppelt: Russland verliert nicht nur endgültig eine prosperierende Region, sondern auch die technische Entwicklungshilfe des Westens. Der Krieg vergrößert den Graben der Westkirchen zum Moskauer Patriarchat. Ein Kommentar:

Russland hat seine Erlöse aus den Gas- und Ölexporten nicht für den Aufbau des Landes investiert, als die Preise noch hoch waren. Vom Preisverfall der letzten Jahre wurde es gebeutelt. Jetzt, wo die Erlöse wieder kräftig zulegen, schneidet es sich vom Geschäft ab. Die USA springen gerne ein. Russland braucht dringend die Technologien des Westens, gerade auch für die Gas- und Ölfelder. Zu bedenken ist, dass mit den Ölexporten aus Russland das Militär dort aufgerüstet werden konnte. Ähnlich kann der Syrienkrieg, zumindest die finanzielle Unterstützung durch Saudi-Arabien, mit dem Ölexport in die Industrieländer weitergeführt werden. Mehr erneuerbare Energie mindert die Kriegsgefahr.  Wahrscheinlich treibt Putin den Ausbau von Windrädern und Sonnenpanelen voran.

Die psychologische Kriegsführung

Nachhaltiger kann Putin den Ukrainern nicht zeigen, was eine größere Nähe zu Russland bedeutet. Dabei hätte er im Osten des Landes viele Russisch sprechende Menschen und eine lange gemeinsame Kultur- und Sprachgeschichte. Jetzt wird auch im Osten der Ukraine nicht mehr Russisch, sondern Ukrainisch endgültig die Verkehrssprache werden. Anstatt die Ukrainer für die Kooperation mit Russland zu gewinnen, verliert er 40 Millionen Menschen, die auch im Westen des Landes Russisch verstehen, die gut ausgebildet sind und zukunftsfähige Industrien haben, während er die alten Stahlwerke und Zechenanlagen des Donbass modernisierten muss. Er muss auch deshalb viel Geld in diese Industrieanlagen stecken, damit die Bewohner nicht, wie Viele auf der Krim, in die Ukraine zurückwollen. Russland verliert viele Zukunftspotentiale, nicht nur die Pipeline durch die Ostsee. Das fällt mittelfristig mehr ins Gewicht als die Sanktionen des Westens. Das werden aber erst die Politiker nach Putin ausbaden. Er selbst kann aber schon jetzt auf der Weltbühne viel weniger mitspielen.

Der kirchliche Einfluss des Moskauer Patriarchen wird sich schmälern

Die Ukraine gehört kirchlich zum Moskauer Patriarchat. Mit der Taufe des Großfürsten Wladimir 988 wurde Kiew das religiöse Zentrum der Rus. Erst mit der Zerstörung Kiews durch die Mongolen 1240 und mit dem Aufstieg Moskaus zum politischen Zentrum kam auch der Metropolitansitz nach Moskau. Nach den Demonstrationen gegen den russisch orientierten Präsidenten Janukowitsch und dessen Flucht nach Russland 214 fand eine eDie feindliche Haltung Russlands nach den Demonstrationen auf dem zentralen Platz in Kiew und der Flucht des Präsidenten konnte 2018 eine ukrainische Nationalkirche die Anerkennung durch den Patriarchen von Konstantinopel erreichen. Diese wie vorher andere Kirchenentstehen nicht durch Missionierung, sondern indem sich bestehenden Gemeinden und Bistümern sich anschließen. Es sind jedoch kaum Bischöfe noch Gemeinden zu dieser Ukrainisch orthodoxen Kirche übergetreten. Das wird jetzt sicher jetzt anders, weil die Gemeinden, die bisher bei Moskau geblieben sind, als Kollaborateure des Feindes einen schweren Stand haben werden. Ob sich der von Moskau eingesetzte Metropolit, der Oberhaupt der zum Moskauer Patriarchat gehörenden Gemeinden ist, sich halten kann, ist fraglich. Einen Nachfolger wird Moskau kaum installieren können. Warum der Moskauer Patriarch den Verlust eines großen und wichtigen Teils seiner Gemeinden aufs Spiel setzt, verwundert. Man hat von keiner Friedensinitiative gehört. Die Orthodoxe Patriarchat, früher eine einigende Institution für die gesamte Rus, also für Belarus, Russland und die Ukraine, spaltet wegen zu großer Nähe zu Putin die östliche Christenheit. Der Moskauer Patriarch muss die Ambition aufgeben, an die Stelle des ihm übergeordneten Patriarchen von Konstantinopel zu treten. Die anderen orthodoxen Kirchen werden ein Oberhaupt nicht anerkennen, das militärische Angriffe auf Bruderländer nicht unterbinden kann. Es wird nicht wie zwischen dem schiitischen Persien und dem sunnitischen Saudi-Arabien zu einem Konfessionskrieg kommen, aber zu einer Schwächung des Moskauer Patriarchats.

Die politische Kurzsichtigkeit des Westens

Der Westen und vor allem die USA müssen ihre Politik einer kritischen Analyse unterziehen. Es genügt nicht, Putins Einmarsch moralisch zu verurteilen und Sanktionen zu beschließen. Politik muss sich daran messen lassen, ob sie Kriege verhindern kann. Die Westeuropäer haben ihre Schlachtfelder befriedet nach vielen Kriegen. Aber sie haben kein Konzept für den Osten Europas verfolgt. Sie haben nichts unternommen, als sich nicht nur Putin, sondern der Großteil der Russen gegen den Westen positionierten. Auch die Orthodoxie hat sich abgegrenzt, indem sie den westlichen Kirchen, auch der Katholischen, Glaubensverlust vorwirft. Die Anerkennung der Homosexualität wird als Erweis für die Dekadenz des Westens und seiner Christen hingestellt. Da die Römische Kirche ihre Zukunft in Lateinamerika, Afrika und Asien sieht, erhält Europa von Rom kaum noch die Aufmerksamkeit. Die EU ist hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt. Die Berichterstattung westlicher Korrespondenten gibt nur die Sicht einiger Moskauer Intellektueller wieder. Deshalb kommt die Bevölkerung hier nicht, dass die Mehrheit der Russen hinter Putin stehen.

Der Krieg ist auch Folge einer fehlenden gesamteuropäischen Idee

Eine europäische Idee für den gesamten Kontinent gibt es nicht. Da die Ukraine, dort vor allem die Jugend, sich nach Westeuropa orientiert hat, wurde die antiwestliche Tendenz in Russland verstärkt. Wenn Putin sagen kann, die Ukraine habe die Gemeinschaft der Rus verlassen und sich in die Abhängigkeit des Westens begeben, wird ihm das von seinen Landsleuten abgenommen. Eine Vorstellung, wo Europa als ganzer Kontinent hin will, hätte zumindest das Interesse vieler Russen geweckt. Wenn dann die USA Russland weiter als Feind behandeln, kann Putin zu der Vorstellung kommen, er müsse für den Zusammenhalt und die Integrität des orthodox-christlichen Europas sorgen un die Ukraine aus den Klauen des Westens befreien.

Putin ist nur ein Nostalgiker

Europa konnte die Jugend der Ukraine überzeugen. Das hätte auch in Russland gelingen können. Denn Putin hat, nachdem er das gesellschaftliche Chaos der Jelzinjahre beenden konnte, das Vertrauen der Bevölkerung gehabt, Russland in die Zukunft zu führen. Das kann man inhaltlich von einem Geheimdienstoffizier jedoch nicht erwarten. Hätte Europa eine Perspektive, die für die Russen verlockend gewesen wäre, dann gäbe es nicht den Rückhalt für Putin in der Bevölkerung – für eine auf das Militär gestützte Politik mit dem fatalen Versprechen, Russland wieder in den Club der international anerkannten Großmächte zu führen. Er wird Russland aus den internationalen Beziehungen herauslösen, weil mit ihm Russland in eine kulturelle und religiöse Nostalgie verfallen. Da die Kirchen Westeuropas auch keiner Vision folgen, bleibt dann Krieg als einzige Alternative übrig: Landgewinn mit der Perspektive „Unterwerfung“ für die Bevölkerung. Dem müsste Europa doch etwas entgegensetzen können.


Kategorie: Politik

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