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Pfingsten – der alles umfassende Geist

Im Beten überschreiten wir unsere Begrenzungen, selbst die der Wissenschaft. Wir suchen das, was alles umfasst. Brauchen wir dafür noch das Pfingstfest? Sagt uns nicht die Wissenschaft alles, was den Menschen zum Menschen macht. Dann ist es logisch, die theologischen Fakultäten abzuschaffen. Der Platz für das Religiöse, der Beten erstsinnvollmacht, scheint wegzuschmelzen wie das Eis der Eisbären.

Das Gebet kollidiert mit einem Weltverständnis, das alles aus der Materie zu erklären sucht. Das ist ausdrückliches Ziel der Mehrzahl der Philosophieprofessoren an deutschen Universitäten, nicht nur Materie und biologisches Leben aus den materiellen Bedingungen zu erklären, sondern auch den Menschen. Nach der Evolutionstheorie ist er eine besonders komplexe Form von Materie. Auch das Gehirn wird man nachbauen, wenn die Chips noch leistungsfähiger geworden sind. Aber gehen wir so durch unser Leben?

Der Mensch versteht sich als vom Geist gelenkt

Entspringt das Geistige wirklich aus der Materie? Oder steuert nicht der Geist die Materie, so wie wir ein Auto lenken? Verstehen wir uns selbst überhaupt nur als etwas Materielles, so dass Computer einmal den Menschen ersetzen könnten? Wenn die Physik alles am Menschen verständlich machen kann, dann braucht es tatsächlich kein Gebet und keine theologischen Fakultäten. Die Bischöfe in Deutschland ziehen bereits diese Konsequenz. Sie geben einen großen Teil der Theologischen Fakultäten ihrer Konfession auf, damit deren Lehrstühle für andere Fakultäten mit mehr Studierenden umgewidmet werden können. Das heißt in der Konsequenz für unsere Kultur, dass wir uns ohne Sorge um die Zivilisation, die aus dieser Kultur entsteht, von den Pyramiden, den Tempeln, den Kirchen wie von den religiösen Erzählungen verabschieden können. Die Renovierungskosten für Notre Dame könnten dann besser verwendet werden. Aber funktionier Wissenschaft so?

Die Wissenschaft sucht die Ideen im Materiellen


Wir bewegen uns immer in einem geistigen Gebäude, gerade wenn wir Wissenschaft betreiben. Nicht nur habe ich eine Vorstellung, wo ich gerade bin, ich lasse mich von einer geistigen Idee leiten, wenn ich handle. Ein Fels hat keine Absichten, er wird von den physikalischen Gesetzen bestimmt. Physik ist die Suche nach diesen Gesetzen, also den Ideen, die die Abläufe der Materie steuern. Die Physik kann diese Ideen in Form mathematischer Gleichungen beschreiben.
Noch mehr Ideen stecken in den Lebewesen. Ein Bussard ist nicht nur einer Drohne vergleichbar, er sorgt selbst für seinen Energienachschub und die Aufzucht seiner Jungen. Das Leben in ihm lenkt ihn über sich hinaus. Eine solche weitreichende Idee, dass der Vogel aus sich heraus überleben und sein Leben Nachkommen weitergeben will, können die Konstrukteure einer Drohne nicht einhauchen. Auch wenn sie möglichst viel von den Fähigkeiten des Vogels in die Maschine einbauen, braucht der Bussard den Menschen nicht, um als Gattung zu überleben. Sein Ideengeber kann mehr als der menschliche Geist. Mit dem Leben, wie es in einem Baum oder einem Vogel wirkt, ist wohl mehr gewollt. Lebewesen existieren nicht wie ein Felsen vor sich hin, sondern sie wollen sich ausbreiten. Immer neu fallen die Bucheckern vom Baum, lässt eine Kartoffel neue Pflanzen aus sich heraus, ziehen die Bussarde Junge groß. Diese Beobachtungen haben die Menschen schon früh nach der Macht Ausschau halten lassen, die das Leben immer wieder in Gang setzt. Ein früher Versuch, das zu erreichen, was über den Lebewesen steht, waren die Opfer. Es wird etwas Wertvolles verbrannt, um es so der größeren Macht zu übereignen. Damit entstand die Notwendigkeit, die Funktion von Opfern zu deuten, z.B. ob die Gottheit Menschenopfer will. Die Frage können die Naturwissenschaften nicht klären. Würde die Religion verschwinden, gäbe es keine Attentate, die religiös gerechtfertigt werden, um die Ehre Gottes zu verteidigen. Jedoch würden Völker weiterhin Menschen in politischen Attentaten und Kriegen "opfern".
Es gibt die Idee in dem einzelnen Bussard, sie wird mit jedem Ei kopiert und zeigt sich als überlebensfähig. Jedes Lebewesen trägt eine solche Idee in sich. Es gibt, vor allem beim Lebewesen Mensch, Ideen, die nicht nur im einzelnen Lebewesen wirken, sondern von den Individuen geteilt werden.

Gerechtigkeit – eine Idee, die nicht aus der Physik abgeleitet werden kann

Etwas, das nicht nur ein einzelnes Individuum lenkt, sondern viele Individuen bestimmt, finden sich in den tragenden Ideen einer Kultur. Gerechtigkeit ist eine solche leitende Vorstellung, die weder ein Gebirgsmassiv noch die Meeresströmungen hervorbringen. Zwar werden diese auch von Ideen, den Naturgesetzen geleitet. Dies wirken jedoch blind, während die kulturellen Ideen über die Vorstellungen wirken, die sich Menschen über die Regeln des Zusammenlebens machen. Diese Vorstellung von gerechter Ordnung des menschlichen Miteinanders wird bei der Zeugung jedes Menschen "mit kopiert". Sie werden in jeder Generation neu wirksam und können durch keine Diktatur aus der Geschichte "ausgetrieben werden“. Die Idee bleibt keine Vorstellung, sondern führt zu Bewegungen, die immer wieder Gerechtigkeit einfordern. Die allgemeine Idee der Gerechtigkeit wird in den 10 Geboten und jede Woche in neuen gesetzlichen Regelungen ausgeformt. Ohne diese leitende Idee gäbe es kein Justizwesen. Noch wirkungsvoller für die Ausgestaltung des menschlichen Miteinanders ist die Idee der Freiheit. Auch diese Idee konnten die Diktaturen des 20. Jahrhunderts ihren Untertanen nicht austreiben. Sie hat im demokratischen Verfassungsstaat ihre bisher praktikabelste Form gefunden. Setzt man die Tatsache, dass die Idee der Freiheit menschliche Wirklichkeit gestaltet, in Beziehung zu dem naturwissenschaftlichen Erklärungsmodell, dann müsste sie in der Materie enthalten sein. Die Physik müsste dieses Potenzial in der Materie entdecken. Die Quantenphysik, vor allem die Forschungen von Heisenberg, haben zumindest gezeigt, dass die Atome des Gehirns nicht so von den physikalischen Gesetzen gelenkt werden, dass nicht Raum für freie Entscheidungen bleibt, auch wenn unser Tag-Nachtrhythmus und das Hungergefühl weiter unserer Freiheit entzogen bleiben. Für Platon ist die jedem Menschen eingepflanzte Vorstellung "Es muss gerecht zugehen" der Beweis, dass er aus einer anderen Welt stammt, aus der er diese Idee mitgebracht hat. Dass die Dynamik menschlicher Gesellschaften fast immer auf mehr Unterschiede hinausläuft und daher die Gesellschaft immer neu auf Gerechtigkeit ausgerichtet werden muss, erleben wir in diesen Jahren. Die Gewinne aus der Digitalisierung landen bei wenigen Milliardären, die alles so arrangieren können, dass sie fast keine Steuern zahlen. Diese, die Natur- wie die Wirtschaftswissenschaften übersteigenden Ideen können in einen noch größeren Horizont geweitet werden.

 

Der Mensch sucht den alles umfassenden Geist

Mein Geist greift so weit aus, dass er noch über den riesigen Kosmos gedanklich hinausgehen kann. Das kann nicht in der Materie liegen, dass ich über alles Materielle gedanklich hinauskomme. Der Fels entwickelt keine Vorstellung, woher die Gesetze stammen, die seine Atome zu Kristallen formen. Der Vogel kann über den Horizont hinaus in sein Winterquartier gelangen, aber wird sich wohl nicht fragen, woher seine Lebensenergie kommt, die ihn zu solchem befähigt. Zwar betreiben die uns nahe verwandten Schimpansen so etwas Schule, indem sie Techniken und Verhaltensweisen an die Jungtiere weitergeben. Jedoch unterhalten sie keine Universität und führen keine Gespräche über "Gott und die Welt".
Genau diese Universtäten, die im als „dunkel“ diskreditieren Mittelalter entwickelten Geistesstätten, erklären mit den meisten ihrer Philosophen die Materie als hinreichend, um die Lebensvorgänge und die Dynamik des menschlichen Geistes zu erklären. Naturalismus versteht sich nicht als Bewunderung der Lebewesen, sondern dass alles aus den atomaren Strukturen abgeleitet werden kann. Die Entdeckung des Geistes, der hinter den Gesetzmäßigkeiten steht und dem Homo sapiens immer wieder die Frage nach dem Sinn aufdrängt, initiierte die Akademien von Platon und Aristoteles wie die mittelalterliche Universität. Um in die heutige geistige Situation zu springen:
Kann die Katholische Kirche noch Pfingsten, die Herabkunft des alles umfassenden Geistes feiern, wenn ihre Bischöfe einen Teil der Theologischen Fakultäten aufgeben und diese dazu stillhalten. Beide, Bischöfe wie Professoren:innen ratifizieren den Atheismus, der von vielen philosophischen Lehrstühlen als die intellektuell überlegene Weltanschauung verkündet wird und offensichtlich den Geist der Universitäten bestimmt. Denn sonst würden wenigstens die Universtäten für den Erhalt der Fakultät eintreten, aus der sie einmal entstanden sind.

Die hier mit Argumenten eröffnete Sicht auf den alles umfassenden Geist erreichen wir nicht allein durch unser Denken, sondern ebenso durch unser Gespür. Jutta Mügge geht diesem Spüren nach: Der Geist zeigt sich mir
Die Apostelgeschichte der Christen berichtet von Geisterfahrungen, die an diesem jüdischen Fest begannen und die Mission begleiteten. Der Geist Gottes gibt sich zu erkennen.

Warum die Freiheit nicht aus der Materie kommen kann, weil diese ja strikt den Naturgesetzen gehorcht, wird meist übersehen. Faktisch landet der Atheismus bei der Leugnung der Willensfreiheit. Hier zu weiteren Beiträgen
Freiheit kommt nicht aus der Natur 
Über den Kosmos hinaus 
Freiheit braucht eine Philosophie – ein Bild von der Welt
Freiheit – nicht postfaktisch verramschen

 

 

 

 


Kategorie: Monatsthema Religion

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