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Neue Bilderwelten: Das Internet braucht das Bild

(explizit.net) Es deutet sich ein tiefergehender Wandel unserer Kultur an. Er manifestiert sich in den Medien. Aber wie zur Zeit der Reformation brauchen diese Medien neue Inhalte, um sich durchzusetzen. Weil Luther mit einer neuen Sicht der Glaubensinhalte auftrat, wandten sich die Menschen den neuen Medien, damals Flugblatt und Kirchenleid zu, um an dieser neuen Sicht teilzuhaben. Es sind also nicht nur andere Inhalte, sondern eine neue Sicht des Menschen, wie er sich sehen will, wie er kommunizieren und mit anderen kooperieren will. Der Erfolg des Internets liegt in seinen technischen Möglichkeiten, die jedoch deshalb so genutzt werden, weil sich eine neue Sicht mit ihnen verwirklichen lässt. Es ist der Wunsch nach einem neuen Blick auf das Leben, der seine Entwicklung so forciert hat. Wer an dieser neuen Sicht teilhaben will, muss nicht nur Homepages besuchen, sondern sich über die Social Media mit anderen vernetzen. Diese neuen Kommunikationsmuster machen das Bild noch wichtiger als es die Zeitungen erfordern.

(explizit.net) Es deutet sich ein tiefergehender Wandel unserer Kultur an. Er manifestiert sich in den Medien. Aber wie zur Zeit der Reformation brauchen diese Medien neue Inhalte, um sich durchzusetzen. Weil Luther mit einer neuen Sicht der Glaubensinhalte auftrat, wandten sich die Menschen den neuen Medien, damals Flugblatt und Kirchenleid zu, um an dieser neuen Sicht teilzuhaben. Es sind also nicht nur andere Inhalte, sondern eine neue Sicht des Menschen, wie er sich sehen will, wie er kommunizieren und mit anderen kooperieren will. Der Erfolg des Internets liegt in seinen technischen Möglichkeiten, die jedoch deshalb so genutzt werden, weil sich eine neue Sicht mit ihnen verwirklichen lässt. Es ist der Wunsch nach einem neuen Blick auf das Leben, der seine Entwicklung so forciert hat. Wer an dieser neuen Sicht teilhaben will, muss nicht nur Homepages besuchen, sondern sich über die Social Media mit anderen vernetzen. Diese neuen Kommunikationsmuster machen das Bild noch wichtiger als es die Zeitungen erfordern.

Texte rücken an die zweite Stelle

Die von Luther geprägte Kultur, deren technische Basis , lebte vom Wort. Die Sprachkraft Luthers hat das befördert und sogar eine Hochsprache über den verschiedenen Dialekten etabliert. Inzwischen sind die Zeitungen, auch die sog. Seriösen, mit mehr Fotos ausgestattet. Es ist einmal die Technik, der Offsetdruck, der die Verwendungen von Fotos sehr erleichtert hat. Aber es sind noch mehr die Leser, die über Bilder Informationen aufnehmen wollen. Das zeigt sich wieder am Internet. Es hat wie die Zeitung als Textmedium angefangen. Inzwischen wird kaum noch ein Text angeklickt, der nicht über ein Foto den Zugang zum Leser sucht. Facebook zeigt, wenn man auf eine Internetseite verlinkt, das Foto der Seite im Kleinformat an. Wir empfinden das als ganz normal, obwohl es nicht nur technisch eine aufwändigere Softwarelösung fordert, sondern auch bzgl. der Bildrechte. Weiter erscheint bei Facebook das Porträtfoto der Profilseite desjenigen, der einen Kommentar eintippt. Ich sehe sozusagen denjenigen, der seine Meinung äußert. Eine Folge dieser neuen Sichtweise auf eine Internetseite ist die Minimierung der Textmenge. Wenn die Texte sehr viel kürzer werden, kann man sehr viel mehr Informationseinheiten rezipieren und das den ganzen Tag über, zum anderen besteht nicht mehr die Notwendigkeit, größere Zeitfenster für das Lesen freizuräumen. Man verteilt das Lese auf wenige Minuteneinheiten über den Tag

Lesezeiten und Diskursivität

Die Zeitung beanspruchte früher im Durchschnitt 35 Minuten der täglichen Zeit. Die waren nicht zerstückelt, sondern die Zeitung wurde von vorne bis hinten gelesen und dann weggelegt. Bei den älteren Jahrgängen ist das noch so. Anders der Hörfunk. Wer das Radio neben der Arbeit laufen ließ, wurde bereits daran gewöhnt, dass er über den Tag hinweg mit Nachrichten versorgt wird. Das Internet hat diese kontinuierliche Rezeption noch verbessert. Der Nutzer muss nicht mehr in die stündlichen Nachrichten hineinhören, um zu erkennen, was in der letzten Sendung noch nicht gemeldet wurde. Steuert er ein Nachrichtenportal an, sieht er sofort, ob es Neues gibt. Informationen sind ständig verfügbar. Man muss nicht mehr auf die Abendnachrichten warten und schon gar nicht morgens mehr die Zeitung aus dem Briefkasten holen, um sich informiert zu fühlen. Zugleich gibt das Internet die Sicherheit, dass man nicht alleine vor der Zeitung oder dem Fernsehen sitzt, sondern inmitten einer vernetzten Öffentlichkeit, die schnell ihre Meinung äußert, so dass man sich selbst seine Meinung im Kontext der anderen leichter bilden kann. Man fühlt sich nicht mehr allein gelassen mit den großen und kleinen Ereignissen, sondern erlebt sie mit anderen mit. Das erklärt das Bedürfnis, Großereignisse, im Moment ist es der Fußball, im Public Viewing zu verfolgen. Der Sieg der Mannschaft wird viel intensiver erlebt, verlorene Spiele sind leichter zu verkraften.

Das ständige Vernetzt-Sein und die vielen kurzen Informationseinheiten vermitteln ein anderes Grundgefühl. Das bisherige Muster "Abendnachrichten + vertiefende Zeitungslektüre" wird durch viele kurze Zeitfenster zur Aufnahme von Informationen abgelöst. Das hat zur Folge, dass für die Wahrnehmung größerer Zusammenhänge keine Zeit mehr zur Verfügung steht, da die Onliner die Summe der Informationszeit in viele kleine Zugriffe auf das Internet zerteilen. Jedoch, Diskursivität erschließt sich nur durch größere Texteinheiten oder Bilderzyklen. Dafür ist bei den meisten in ihrem Zeitbudget nichts mehr frei.

Das hat tiefgreifende Folgen: Bücher "versprechen" nur noch Anstrengung. Sie scheinen dafür keinen entsprechenden Gegenwert zu liefern. Zudem muss sich der Onliner nicht so viel in sein Gehirn "einpflanzen", das Internet hält ja aktuell das Wissen bereit. Wenn man es braucht, kann man es abrufen.

Das Bild als Anker

Wenn die Texteinheiten kurz sein müssen, weil nur so sehr die ständigen herabfließenden Informationseinheiten, die Posts bei Facebook und Kurzmeldungen auf den Nachrichtenportalen rezipiert werden können, dann braucht der Nutzer immer noch eine Rahmenvorstellung, in die er die Informationshappen einordnen kann. Diese rahmen wurden früher durch Analysen, längere Kommentare, die Zusammenhänge herstellten wie durch ein Grundlagenwissen in Geographie, Geschichte, Religion, Kultur von den Lesern selbst erarbeitet wurden. Dafür bringen die Onliner die diskursive Anstrengung nicht mehr auf. Gegen diesen Trend müssen alle Geisteswissenschaften wie auch die Religionen gegenhalten, sonst verzetteln sich die Teilhabe an der Kultur wie auch die religiöse Praxis. Das war einmal so im 16.Jahrundert, als mit seinem Niedergang das Mittelalter sich in Kleinteiligkeit verzettelte. Jeder Reliquie, jedem Heiligen musste Aufmerksamkeit geschenkt werden. Der große Bogen des Erlösungsgeschehens geriet aus dem Blick und hat Luther und Calvin auf den Plan gerufen. Ein Bildersturm, wie damals der überquellenden Flut von Skulpturen, Reliquien und Altären könnte auch dem Internet drohen. Zugleich braucht es aber Anker in einer Welt, die immer mehr Autotypen, Parfums, Buchtitel, Fernsehprogramme, Reiseziele zur Auswahl stellt und damit die Qual der Wahl hervorgebracht hat. Die wird auch durch die Vielzahl der Informationsbrocken im Internet erzeugt.

Personen und Bilder

Wie die Segler Leuchttürme brauchen, so die Surfer Orientierungsmarken. Es ist deutlich, dass Bilder das sehr viel besser leisten als Wortmarken. Da auch die persönlichen Mitteilungen auf WhatsApp kurz sein müssen, braucht es ergänzend zum Kurztext eine Abrundung in Form eines Fotos oder zumindest ein Smiley.

Ebenso können Personen diese Leuchtturmfunktion erfüllen. Papst Franziskus ist fast jeden Tag mit einem kurzen Post präsent. Man muss sich allerdings klar drüber sein, dass das nur so lange universell und damit katholisch rezipiert werden kann, wie die Surfer den Petersdom mit den Kolonnaden mit-denken. Zudem ist der Papst keine Einzelpersönlichkeit, sondern mit seinen Vorgängern und was von ihnen im Gedächtnis geblieben ist, verknüpft. Von Benedikt XVI. weiß jeder, dass er den großen Rahmen abgeschritten hat, auch wenn man seine Bücher und Enzykliken nicht gelesen hat. In diesem Rahmen kann sich Franziskus eher im Umfang von Twitter und Facebook-Posts bewegen, ohne seine Identität zu verlieren. So spielt er das Christliche in die kurzatmiger gewordene Medienszene ein.

<emphasize>Eckhard Bieger S.J.</emphasize>


Schlagworte: #Medien #Bilder

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