(explizit.net) Der zweitägige Jahresgipfel der Nato im walisischen Newport ist Geschichte. Zum einen stimmte Wladimir W. Putin dem Waffenstillstand zu. Er verrechnete sich im Willen der 28 Nato-Länder bis zum Schlusstag, den 5. September. Wohl hält die Waffenruhe nicht, zumal der russische Präsident am „Bogen der Instabilität“ von Baltenländern, Georgien über die Ukraine, Armenien bis zu Azerbaidjan zündelt. Zum anderen erstrebt der 65jährige Pakt eine Globale Eingreiftruppe, 5.000 Mann, Rüstungsanteile von zwei Prozent am nationalen Einkommen binnen einer Dekade und die Ausweitung ihres Aktionsradius, um multiplen Herausforderungen im Osten und Süden zu begegnen. Durch ihre Mission in Afghanistan, die Ende 2014 endet und dann in eine Resolute Hilfsmission übergeht, war Mittelost längst einbezogen. Nun soll die Nato dort die Verbreitung von Gewalt und Extremismus zügeln.
Der britische Premier David Cameron handelte gezielt und resolut. Zunächst ging er selbst beispielhaft voran und fand deutliche Worte. Da Barack H. Obama am Donnerstag, den 28. August, gestand, noch keine Strategie gegen den Islamstaat, IS, zu haben, erklärte Cameron am Folgetag seinen harten, intelligenten und geduldigen Ansatz, um die Wurzel des Übels der Sicherheitsbedrohung auf Jahre und Dekaden zu bekämpfen: die vergiftende Ideologie des islamistischen Extremismus. Dabei seien Einsätze des Militärs möglich. Also trennte Cameron und Obama, dass der Brite erklärte, langfristig den Islamismus und dessen Kalifat mit aller Konsequenz besiegen zu wollen, während der Amerikaner wie immer den Faktor der Ideologie umging, nur vom Antiterrorkampf mit Luftschlägen und Aufhalten sprach.
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Dann legte der Brite nach. Vor allem, indem er meinte, ein extremistisches Kalifat im Herzen Syriens und Iraks bedrohe die britische Sicherheit, und indem er neue Regeln gegen mögliche Heimkehrer aus dem „Kalifat Syroirakistan“ anwies, und mit dem strauchelnden Obama in einem gemeinsamen Text in der Londoner „Times“ zum Tagungsbeginn am 4. September Leitlinien vorlegte. Dreierlei fällt auf. Das neue Sicherheitsverständnis, wonach Sicherheit und Gedeihen aller Regionen eng verknüpft sind, so dass Mittelost das nationale Eigeninteresse etwa der Amerikaner und der Briten eng berührt: sie seien nur sicherer und gedeihen, wenn dies auch in der weiteren Welt so sei. Daher hätten sie auch den Kern der al-Qaida dezimiert und dem afghanischen Volk geholfen. Sie würden nicht zaudern, IS zu konfrontieren, um gemeinsam die eigenen Werte gegen barbarische Mörder zu verteidigen.
Die Nato könne sich anpassen und Herausforderungen bewältigen, darunter das Recht auf Selbstbestimmung der Ukraine. Dem diene eine Schnelle Eingreiftruppe, zur kollektiven Selbstverteidigung nach Artikel fünf. Jedoch nur Amerikaner und Briten erfüllten jenes Zwei-Prozent-Kriterium, dem andere Länder nacheifern sollten. Indessen müsse man alle Ressourcen mobilisieren. Wenn Bedrohungen außerhalb der Nato-Grenzen entstehen, so möge man in Bausteine freier und offener Gesellschaften investieren und jenen helfen, die unsere Werte der toleranteren und freieren Welt teilten, wie Irakis und Kurden als Partner, die den IS direkt bekämpfen. Ein weltweites Netzwerk der Sicherheit sei aufzubauen, dass Amerikaner und Briten anführten, um Frieden, Demokratie und Menschrechte zu wahren. Tja, dereinst könnten Historiker Cameron so würdigen wie Winston S. Churchill, die beide global Ruder herumgerissen haben. Jetzt ist es an Obama, seinen neuen Kurs herzuleiten. Mittwoch, am Vorabend des 13. Jahrestags von 9/11, muss er seinen vollen Plan vorlegen.
Koalitionen
Unter 60 Ländern und Organisationen sowie 28 Nato-Staaten im walisischen Newport bildete sich eine Ländergruppe ab. Außenminister John Kerry nannte sie die Kernkoalition jener, die bereit sind, den Islamstaat und seine Militanten im Irak zu bekämpfen: Amerika, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien, Dänemark, Polen, Kanada, Türkei und Australien. Laut Kerry würden einige davon den Luftschlägen beitreten. Andere, wie etwa Deutschland, würden Waffen an die Kurden liefern, oder anderweitige Leistungen wie humanitäre Hilfe. Laut Kerry wäre für alle der Einsatz von Bodentruppen eine Rote Linie.
Diese Inflexibilität, die Cameron nicht vertritt, ist zu bezweifeln. Erstens sollte Kerry die Rede von Roten Linien meiden, denn diese hat Präsident Obama gegen Syrien verkündet, aber nicht eingehalten. Dies begünstigte das Werden des Islamstaats. Der zweite Einbruch steht an, sofern sich das Teheraner Regime gegen die Weltmächte durchsetzen sollte und effektiv Nukes und Träger erhält. Das ist eine viel größere Bedrohung als die durch den IS. Schließlich, sollt es die Lehre sein, Bodentruppen zu meiden, so ist das falsch. Diese haben in einem Dutzend Fällen seit 1991 kurz und effektiv ihre Aufgaben erfüllt. Wo das große Problem begann, war die Aufgabe der Nationsbildung in Räumen, denen so gut wie alle Voraussetzungen dafür fehlten, wie es sie in Deutschland und Japan gab. Erst in der Phase kamen Fehler und Versagen, die auf prinzipiellen Unklarheiten über die Mission beruhten.
Schließlich kann der IS-Bedrohung in der Endphase nur auf dem Boden begegnet werden. Wenn Obama meint, trotz wesentlich veränderter Bedingungen Wahlversprechen von 2008 halten zu wollen, obwohl das wie im Irak unrealistisch war und frühere Erfolge verspielte, so mag er daraus gelernt haben. Militärs vor Ort sollten je die beste Taktik vorschlagen. Überdies darf man die schleichenden Genozide nicht vergessen, die es zu verhindern gilt, darunter an den Christen und Jasiden in Syrien und Irak. Dies mag auch die Taktik prägen.
Scharia-Zone
Die Probleme stehen überall ähnlich. Als Reaktion auf die brutale Köpfung des zweiten Journalisten, Steven Sotloff, hat Israels Verteidigungsminister Moshe Yaalon alle Vertreter des Islamstaats für ungesetzlich erklärt. Sotloff war auch israelischer Bürger. Deutschland zählt nun zur Kernkoalition von zehn Staaten, die dem IS die Stirn bieten. Auch daheim? In einer Regierungserklärung erläuterte Kanzlerin Merkel den Beschluss am 1. September: Der IS liege auch im deutschen Verantwortungsbereich. Seit 4. September gehe Hilfe an Kurden. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" destabilisiere Mittelost. Vor dem Bundestag erinnerte Merkel an die besondere Verantwortung Deutschlands, das mit dem Überfall auf Polen vor 75 Jahren den Zweiten Weltkrieg auslöste. Mit dem Konflikt in der Ostukraine erlebe Europa erneut, wie ein Staat Grenzen mit Waffengewalt ändere. In Mittelost seien wir Zeugen unglaublicher Greuel. Der IS bedrohe nicht allein Minoritäten wie die Jesiden.
Jeder, der sich wehre, habe das Schlimmste zu befürchten. In Berlin sei klar, kein Konflikt lasse sich militärisch lösen. Aber manchmal führe eine militärische Intervention dazu, eine politische Lösung zu ermöglichen. Wenn im Irak die Basis „religiöser Fanatiker“ entstehe, gefährde dies, so Merkel, „unsere Sicherheitsinteressen. Freitag durchzog Wuppertal eine selbsternannte Scharia-Polizei in orangenen Westen mit Aufdruck "Shariah Police". Laut Facebook trugen Islamisten Hemden mit der IS-Fahne. Kommt der Irak nach Deutschland?
<emphasize>Wolfgang G. Schwanitz</emphasize>
Bild: "2014 Newport summit" by Logo. Licensed under Fair use of copyrighted material in the context of 2014 Newport Summit via Wikipedia - en.wikipedia.org/wiki/File:2014_Newport_summit.jpg
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