In einer Reisebeschreibung des Lahntals aus dem Jahre 1855 findet sich eingangs ein längeres Gedicht über die Lahn von Heinrich Josef Dippel. Es leitet einen Reisebericht der 24-jährigen Limburger Schriftstellerin Katharina Schweitzer ein. Zwei unbekannte Namen! Was wissen wir vom Autor des Gedichtes? Was von der Autorin? Die Autorin der "Geschichte und Beschreibung des Lahnthal´s" ist die Limburger Schriftstellerin Katharina Schweitzer. Ihr Buch hat sie 1855 im Selbstverlag in Wiesbaden im Alter von 24 Jahren herausgegeben, was sie als emanzipierte Frau ausweist, denn für ihr Lahnthal-Buch hat sie die gesamte Lahn erwandert. Ihr Buch, in dem sie sich als geschichtlich und literarisch gebildete Frau erweist, ist heute eine Rarität. Das vorangestellte Dippel-Gedicht ist sozusagen eine poetische Inhaltsangabe. Katharina Schweitzer war mit dem nassauischen Schriftsteller Aloys Henninger verheiratet.
Der Dichter Heinrich Josef Dippel
Heinrich Dippel war ein Limburger Dichter, der durch sein zum Volkslied gewordenes Gedicht "Es liegt eine Krone im grünen Rhein" im 19. Jahrhundert weithin bekannt geworden ist und das der erste Kapellmeister des Frankfurter Opernhauses (heute: Alte Oper), Wilhelm Hill, 1864 vertont hat. Noch heute wird es von Chören gesungen. "Dichter" war aber nicht Dippels Hauptberuf: Er machte eine Beamtenkarriere als "Akzessist"(Verwaltungsbeamter) in verschiedenen Behörden bis er Renteisekretär in Weilburg und Limburg wurde, ehe er bis zu seinem Tode als Landesbankdirektor in Wiesbaden arbeitete. Von seinen insgesamt 140 Gedichten gibt es nur ein einziges Buch, das erst 1930, sechzig Jahre nach seinem Tod, erschienen und heute in keinem Antiquariat mehr zu finden ist.
Da Heinrich Josef Dippel genauso wie Katharina Schweitzer Limburger waren, die beide literarische Interessen verfolgten, steht mit einiger Wahrscheinlichkeit zu vermuten, dass sie sich persönlich kannten und dass Katharina Schweitzer vielleicht selbst Heinrich Dippel mit dem Verfassen des Lahngedichts beauftragt hatte.
Braut des Rheins
Worum dreht sich nun das sehr lange Lahngedicht von Heinrich Dippel? Neugierig machende Auskunft gibt der Titel "Die Lahn des Rheines Braut". Das ist der Inhalt des Gedichtes, der in neun Strophen mit jeweils sieben Versen im Reimschema a b a b c c d ausführlich behandelt wird, sozusagen als Thema mit Variationen.
In der ersten Strophe wird die Lahn als stilles, blondes junges Mädchen vorgestellt, "mit Unschuld übergossen", das noch selbst "am Rädchen spinnt" und "ihr Linnen selber bleicht". Alles Gründe für den Rhein, dieses charaktervolle Mädchen zu heiraten. Darüber berichten die letzten drei Verse: "Die Lahn, sie ist des Rheines Braut, / zu Lahnstein werden sie getraut, / bei der Johanniskirche."
Reichhaltige Mitgift der Lahn
Die nächsten Strophen beschreiben die vielfältige und reichhaltige Mitgift der Lahn: Tannen und Linden für den Bau von Weinfässern für den Rheinwein nebst Eisen für die Kufen. Und weil der Rhein sich oft an seinen eigenen Weinen zu sehr labt, weiß die Lahn ein gutes Gegenmittel gegen seine Kopfschmerzen und seinen "süßen" Jammer: "Dann schenkt sie ihm ein Gläschen ein / von ihrem dunkelrothen Wein / aus Runkels, Nassaus Bergen!"
Weitere wichtige Mitgift-Gaben schildern die folgenden Strophen: Diese sind, zum einen Silberbarren aus den tiefen Schächten der Schaumburg. Und zum andern lässt die Lahn, auf dass die Burgruinen am Rhein wieder aufgebaut werden können, "des blauen Marmors Pracht aus Villmar´s Bergen scharren."
Schlösser als Bewahrer der Tradition
Ganz anders die Schlösser an der Lahn, die in den wechselvollen Zeitläuften nicht zugrunde gingen, "um sie schlingt als Epheu sich / die Sage und Geschichte" heißt es im Gedicht. Mit andern Worten, vornehmlich die Schlösser sind als Erzähler der langen, kulturellen und geschichtlichen Tradition des Lahntales unverbrüchlich mit seiner Geschichte verbunden. Und dann benennt der Dichter das schönste Schloss an der Lahn: "Ihr Liebling aber bleibt allein / Du schön Gedicht, Oranienstein,/ mit deinen blühnden Linden!"
Beginn der Industrialisierung
Bis hierher ergibt sich folgendes erste Fazit: Die Mitgift der Lahn an den Rhein sind wertvolle Rohstoffe wie Holz, Silber, Marmor und vor allem Eisen, die damals per Schiff die Lahn hinunter bis an den Rhein gebracht worden sind. Von hier aus wurden sie dann zu ihren Bestimmungsorten rheinabwärts gebracht. Die Nennung der Rohstoffe im Gedicht ist ein Hinweis auf die beginnende Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts. Dass die Zeit damals eine Umbruchszeit war, macht die Lahn, die als unschuldiges Mädchen gezeigt wird, deutlich. Ihre Tugenden gehören noch der "alten Zeit" an: sie spinnt selbst ihr Rädchen, bleicht selbst ihr Linnen und zu vermuten ist dabei, dass sie das in der Lahn und auf den Lahnwiesen bewerkstelligt. Die letzten Strophen besingen das fruchtbare Land an den Ufern der Lahn mit seinen wogenden "Waizenmeeren", was wiederum als Hinweis auf die vorwiegend bäuerliche, also vorindustrielle Arbeit in der Lahngegend verstanden werden kann.
Bund von Reben und Ähren
Das Gedicht stellt zum Schluss, als zweites Fazit, fest, "wie der Rhein seinen Reben hold" ist, so die Lahn "der Aehren Gold." Das führt zu einem religiös anmutenden Schluss:
Drum lasset da uns Hütten bau´n,/
Wo Rhein und Lahn sich freien, /Drum lasset da uns Gott vertrau´n,
Wo Brod und Wein gedeihen! /O reicht den Römer meinem Mund:
Das Gedicht von Heinrich Josef Dippel:
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