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Kath.de-Kommentar: Gerechter Krieg?

oder: Wie soll der Westen auf den IS-Terrorismus reagieren?

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(explizit.net/ kath.de) Seit Wochen beherrschen die IS-Kämpfer nicht nur weite Teile des Nordiraks, sondern auch die Schlagzeilen der Medien. Ihr Wüten wirft in Politik, Medien und in der Bevölkerung die Frage auf, wie man gegen sie vorgehen soll. Es ist die Suche nach einem angemessenen Weg, der die westlichen Staaten und die darin lebenden Christen umtreibt.

oder: Wie soll der Westen auf den IS-Terrorismus reagieren?

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(explizit.net/ kath.de) Seit Wochen beherrschen die IS-Kämpfer nicht nur weite Teile des Nordiraks, sondern auch die Schlagzeilen der Medien. Ihr Wüten wirft in Politik, Medien und in der Bevölkerung die Frage auf, wie man gegen sie vorgehen soll. Es ist die Suche nach einem angemessenen Weg, der die westlichen Staaten und die darin lebenden Christen umtreibt.

Die verbalen Reaktionen auf den Vormarsch der IS-Terroristen klaffen weit auseinander. Die einen möchten am liebsten die US-Army und die Bundeswehr im Nordirak einmarschieren sehen und die IS bis nach Syrien hinein verfolgt wissen, die anderen am liebsten sich ganz raus halten, um nicht neue Probleme zu schaffen. So ringen die westlichen Staaten aktuell nach Lösungen für einen Krieg, dem sie sich nicht entziehen können, den sie aber auch nicht führen wollen. Und auch für die Christen dieser Staaten stellt sich die Frage, welchen Weg ihrer Länder sie favorisieren sollen.

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Die abendländische Tradition vom "gerechten Krieg"

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Ein wesentliches Kriterium, ob und wie man in einen Krieg eintreten soll, bildet seit zwei Jahrtausenden die Frage, wie "gerecht" er ist und wie er "gerecht" geführt werden kann. Wenngleich man sich im Westen mittlerweile einig ist, dass es keine eigentlich "gerechten" Kriege gibt, haben doch zahlreiche Autoren einen Kriterienkatalog entwickelt, der bis heute bewusst oder unbewusst Leitlinien vorgibt.

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Krieg ist für Christen ein religiöses Problem

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Besonders für die Christen stellen Kriege ein wesentliches religiöses Problem dar. Denn das Christentum ist von seinem Ursprung her eine nicht-staatliche Bewegung mit starken pazifistischen Tendenzen. So waren Soldaten im aktiven Dienst in den ersten Jahrhunderten von der Taufe ausgeschlossen. Erst als das Christentum im 4. Jahrhundert zur Staatsreligion wurde, musste es sich mit der Frage auseinandersetzen, wie es als Gemeinschaft zum Krieg stand. Die bedeutendste Antwort hierauf hat der Kirchenvater Augustinus geliefert. Er entwickelte Kriterien, nach denen es auch für den Christen ein Recht zum Krieg, ius ad bellum, gibt.

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Augustinus' Idee vom Recht zum Krieg

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Zunächst muss der Krieg auf einen bestimmten Zweck ausgerichtet sein, nämlich auf die Wiederherstellung des Friedens. Daraus ergibt sich, dass es kein Angriffskrieg sein darf, sondern der Grund nur in einer Aggression des Gegners liegen kann, sich also gegen eine konkrete und gravierende Verletzung oder Bedrohung richten soll. Der Krieg muss durch eine legitime Autorität angeordnet sein, er kann also heute nur durch einen Staat mit einer Rechtsordnung geführt werden. Zuletzt muss der einzelne Soldat den Kampf als Dienst am Frieden einsehen und ausführen können. Augustinus stellte mit diesem Konzept eine christliche Adaption der vorherigen Ideen eines Rechtes auf Krieg vor, mit dem es dem christlichen Staat ermöglicht wurde, Kriege zu führen, ohne damit der Botschaft des Evangeliums total zu widersprechen.

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Der Papst spricht sich für militärische Unterstützung aus

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Entsprechend haben sich auch Vertreter der Katholischen Kirche verschiedentlich zur Frage eines Einsatzes im Nordirak geäußert. Ihre Tendenz geht dabei allgemein dahin, dass eine militärische Hilfestellung, ob durch Waffenlieferungen oder direktem Einsatz westlichen Militärs, unter den aktuellen Umständen im Nordirak auch aus kirchlicher Sicht möglich ist. So erklärte der deutsche Militärbischof Overbeck jüngst gegenüber KNA: "Es ist eine typische Dilemma-Situation, in der nur eins klar ist: Nichts zu tun, ist keine Lösung".

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Auch Papst Franziskus hatte sich bereits Mitte des Monats in einem Brief an den Generalsekretär der UNO gewandt: "Diejenigen müssen geschützt werden, die von Gewalt betroffen oder bedroht sind, und den vielen Vertriebenen muss die notwendige und dringende Hilfe gewährt werden. Auch muss ihnen eine sichere Heimkehr in ihre Städte und Häuser garantiert werden." Diese Worte des Papstes verweisen bereits auf eine mögliche militärische Lösung des Konfliktes, denn nur so kann ein Schutz der Betroffenen sichergestellt werden. Hinzu kommt eine Aussage des Papstes auf seiner Heimreise von Korea: "Wenn es eine ungerechte Aggression gibt, kann ich nur sagen, dass es gerechtfertigt ist, den ungerechten Aggressor zu stoppen." Eine militärische Lösung wird also vom Papst zumindest insoweit intendiert, als dadurch einem konkreten Notstand abgeholfen werden kann und sie im Rahmen der internationalen Gemeinschaft geschieht.

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Ein Recht auf Krieg gegen die IS-Truppen

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Die Kirche verweist beim Problem mit der IS also auf die überkommende Begründung des Rechtes auf Krieg. Der Einsatz gegen die IS soll dem Frieden dienen, indem eine terroristische Kampforganisation ausgeschaltet wird, da nur so der Friede in diese Region zurückkehren kann.Es liegen für diesen Einsatz massive Gründe vor, da die IS erstens ein Aggressor ist, der nicht nur die irakische Regierung als staatliche Gewalt bedroht, sondern auch unter der dortigen Bevölkerung Tod und Elend verbreitet.

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Es gibt auch legitime Autoritäten, die den Krieg erklären und führen: die irakische Regierung sowie die kurdische Autonomieregierung. Für internationale Einsätze verlangt der Vatikan hingegen ein Mandat der UNO, da es nicht in der Aufgabe einzelner Staaten liegt, in einem anderen einzugreifen, sondern dies in ein internationales Konzept eingebettet sein soll. Damit nimmt der Papst nicht nur die gängigen Vorstellungen internationaler Zusammenarbeit auf, sondern auch einen Grundsatz der päpstlichen Friedensengagements. Diese sind bis heute wesentlich durch die Enzyklika Johannes XXIII. geprägt, der in seiner Rundschreiben Pacem in terris erklärte, "dass keine Nation das Recht hat, irgendetwas zu tun, wodurch sie andere Nationen ungerechterweise unterdrückt oder sich ungebührlich in deren Angelegenheiten einmischt". Durch die Einbettung in die internationale Gemeinschaft soll ebendies verhindert werden.Auch auf den vierten Punkt verweist z.B. der Papst, indem er nochmal verstärkt auf die Zielrichtung als Friedenseinsatz verweist.Trotz der pazifistischen Tradition im Christentum, durch die Kirche gerade in den letzten eineinhalb Jahrhunderten vertreten, liegt im Nordirak also eine Situation vor, die ein militärisches Eingreifen rechtfertigt.

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Noch ein Problem: Das Recht im Krieg

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Doch in welcher Weise sollen die Staaten oder die internationale Gemeinschaft auf die IS-Terroristen militärisch reagieren? Überlegungen zu dieser Frage werden nicht unter der Fragestellung behandelt, wann man Krieg führen soll, sondern welche Regeln es im Krieg geben soll, lateinisch ius in bello. Als Grundsatz gilt dabei, dass erstens die militärische Antwort der militärischen Aggression entsprechen soll. Zweitens sollen die direkten Auswirkungen der Kampfhandlungen möglichst auf die kämpfenden Einheiten beschränkt sein, die Zivilbevölkerung soll wenn möglich keinen Angriffen ausgesetzt sein.

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Im Westen überwiegt die Vorsicht

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Für den Westen gibt es in diesem Kontext zwei Probleme: Zum einen werden die westlichen Staaten selber nicht direkt angegriffen, daher können sie auch nicht entsprechend auf eine direkte Aggression gegen sie reagieren. Das zweite Problem ist, dass selbst bei besten Absichten zu Beginn des Kampfes die Regeln im Krieg mit der Zeit verschwimmen oder praktisch teilweise aufgegeben werden, sodass die Zivilbevölkerung unter den westlichen Angriffen leiden müsste.

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Daraus resultiert die Vorsicht der westlichen Mächte bei der Führung des Kampfes gegen den IS-Terrorismus. Die US-Air-Force begnügt sich mit nur wenigen Luftschlägen, um nicht direkt in einen Kampf verwickelt zu werden, der die USA nicht unmittelbar betrifft und um zweitens möglichst keine zivilen Opfer zu riskieren. Deutschland ist, seiner Geschichte wegen, noch vorsichtiger und mag sich kaum zu Waffenlieferungen durchringen, um ja keinen Schaden anzurichten. Auch der Papst scheint gegen ein direktes Eingreifen von wenigen Nationen in den Konflikt, sondern wünscht ein UN-Mandat. Im Westen überwiegt also die Vorsicht, die Regeln im Krieg nicht zu überschreiten. Waffenlieferungen scheinen hingegen durch einige kirchliche Äußerungen abgedeckt zu sein.

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Unbedingter Pazifismus obsolet

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Bedenkt man den Terror, den die IS im Nordirak verbreitet, so ist auch für den Christen ein unbedingter Pazifismus in dieser Frage obsolet. Dafür findet der Christ zahlreiche Überlegungen, von Augustinus bis Papst Franziskus. Als verantwortlicher Bürger in einer westlichen Demokratie ist es daher seine Aufgabe, den Politikern als seinen Vertretern eine klare Botschaft zu senden: Ein Einsatz gegen die IS-Terroristen ist nicht nur vertretbar, sondern ist auch Teil der internationalen Verantwortung.

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Engagiert sein, Maß einhalten

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Eine zweite Frage ist allerdings, wie die jeweiligen Staaten und die internationale Gemeinschaft reagieren sollen. Angesichts der unberechenbaren Situation im Nordirak und der Ausgangslage ist ein Einmarsch westlicher Truppen eher ein Fehler, selbst wenn er kurzfristig die IS zurückwerfen würde. Die Aufrüstung der Kurden und die Luftunterstützung der USA oder anderer Staaten sind nicht die idealen, aktuell aber die besten Möglichkeiten für den Westen, das Recht im Krieg für sich selbst zu wahren. Dafür sollte sich auch Deutschland einsetzen. Ein internationaler Einsatz durch UN-Truppen zur Friedenssicherung wäre ein zweiter Schritt zur langfristigen Stabilisierung der Region.

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<emphasize>Maximilian Röll</emphasize>

<emphasize>(kath.de)</emphasize>


Schlagworte: #Kath.de #Kommentar #Krieg

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