Annenkirche Augsburg Foto: explizit.net E.B.

Kartage- und Ostern trotzen Kirchenkrise

Am Gründonnerstag war der Kölner Erzbischof in der Tagesschau. Nicht mit einem Wort zum Ukrainekrieg oder zu den kirchlich geprägten Tagen, sondern wegen eines Millionenbetrags. Am Tag vorher hatte RTL die Passionsgeschichte neu erzählt. Was ist mit der Kirche los und was machen ihre Priester und Bischöfe, um den Menschen die Person Jesu nahe zu bringen. Eindrücke und Reflexionen:

Wenn die Katholische Kirche es an ihren neben Weihnachten zentralen Festtagen mit einer weiteren Negativmeldung in die Tagesschau schafft, dann gelingt es ihr nicht mehr, ihre Kernbotschaft so ins Gespräch zu bringen, dass das Fernsehen darüber berichtet. Steht die Institution kurz vor dem inneren Zerfall? Stellt sich wie bei Wirecard heraus, dass die nicht abreißende Kette von Skandalen auch zum Aus des Unternehmens führen wird? Die vom Wirtschaftsprüfer bestätigten Millliardenbeträge auf asiatischen Banken existierten gar nicht. Auch die Kirche lebt von Konten, die sie selbst nicht gefüllt hat, nämlich von den Worten und dem Lebensschicksal Jesu. Hat sie noch Zugang zu diesem Kapital, oder geht es nur noch um das Geld, im Falle des Kölner Erzbischofs um die Spielschulden eines seiner Priester.

RTL hält die Person Jesu im Gespräch  

Karwoche 2022. Mittwochabend um 20.15 erzählt RTL die Passion Jesu nicht wie einen Bibelfilm, sondern als Show. Dagegen ist nichts zu sagen, denn die Gottesdienste am Donnerstagabend, Karfreitag und die Osternacht sind keine Erzählungen, sondern auch Inszenierungen. Wieder anders die Matthäus-Passion. Ernstfall ist die Ukrainische Passion. Was in der Jesus Passion "passiert", spielt sich jeden Tag in der Ukraine und auf unseren Bildschirmen ab.
RTL gelingt die Darstellung, wir sitzen zu Dritt vor dem Fernseher und schalten nicht vorher ab. Einen Tag später, im Vergleich zur Gründonnerstagsmesse am Abend, ist es ein Element bei RTL, das die Gegenwart Jesu spüren lässt. Es ist weniger der Erzähler Thomas Gottschalk, auch nicht Maria, Ella Endlich. die den Leidensweg ihres Sohnes singend begleitet, sondern ein großes, von innen erleuchtetes Kreuz, durch die Straßen Essens zum zentralen Burgplatz getragen. Träger und Trägerinnen konnten sich melden, einige werden interviewt. Sie tragen das Kreuz aus einer tiefen religiösen Erfahrung heraus. Es sind keine Darsteller, deshalb geben sie der Inszenierung Realität. Die Darsteller ziehen wie die Kreuzträger auch durch Essen. Sie bleiben glaubhaft, nicht wie im Film möglichst deckungsgleich Jesus, Petrus oder Judas verkörpernd. Das Abendmahl findet in einem Restaurant an einem großen Tisch statt. Der Jesusdarsteller selbst hatte bei einem Türken große Brotfladen gekauft. Er reißt Stücke ab und spricht die Worte Jesu nach: "Dies ist mein Leib", ebenso über ein Glas Wein: "Dies ist mein Blut."

Verstellt der Priester den Blick auf Jesus?

Das Gleiche in der Eucharistiefeier am Gründonnerstag Abend in der Kirche, mit dem Anspruch, dass Jesus in der Hostie gegenwärtig ist. Wie in der Inszenierung von RTL gibt es mit den Lesungen und dem Evangelium von der Fußwaschung einen Erzählteil. Wie bei RTL durch Thomas Gottschalk auch eine Kommentierung durch die Predigt. Nur wirkt der zentrale Ritus nicht mehr so wie ich es von früher kenne. Wie der Jesus-Darsteller spricht der Priester die Worte Jesu über Brot und Wein, tritt dann als Person zurück, indem er die Hostie und dann den Kelch hochhebt, um beides den Gläubigen zu zeigen. Diesen Ritus habe ich schon als zehnjähriger Messdiener mitgemacht und dann 50 Jahre als Priester am Altar oder dieses Jahr in der Kirchenbank. Im rückblickenden Vergleich hat mich RTL näher an die Person Jesu herangeführt. Ich spüre: wir Priester haben anscheinend ausgedient. Bei RTL war es das Bekenntnis der Frauen und Männer, die das Kreuz getragen haben. Das gibt es in der Messe fast nie. Obwohl der Priester glaubhaft, sich als gläubig erweist, hat für mich der Jesusdarsteller in der RTL-Show mehr den durchscheinen lassen, den er darstellt.

Am selben Abend gibt es eine weitere Inszenierung. Eintracht Frankfurt besiegt Barcelona auf dessen Spielfeld. Sie erzielen drei Tore, erst in der Nachspielzeit trifft Barca zweimal. Den Vorsprung von einem Tor feiert die Mannschaft mit der großen Zahl von Fans noch fast eine Stunde lang im Stadion, die spanischen Zuschauer sind längst zu Hause. Auch eine Inszenierung.

Karfreitag und Karsamstag

Beide Liturgien erreichen mich anders als eine Messe. Ich lasse sie auf mich wirken und frage, ob der Priester nicht wieder zu sehr im Mittelpunkt steht. Die Passion nach Johannes hat als tragende Stimme den Erzähler, so wie bei RTL, die Geschehnisse wurden dort in einzelnen Szenen nachgespielt, in der Lesung der Passion durch die Wortwechsel, hier auf zwei Stimmen veteilt. Das Kreuz wird in die Kirche getragen und von allen verehrt, nicht aus der Bank heraus, sondern alle gehen in einer Prozession nach vorne und verneigen sich vor dem Kreuz. Ich kenne auch den Brauch, dass jede, jede das Kreuz küsst.
Die langen Fürbitten werden gesungen.
Die Osternacht stellt die Kerze in den Mittelpunkt, sie wird besungen und später, um das Wasser zu weihen, in das Becken eingetaucht. Die Lesungen spannen einen Bogen vom Schöpfungsbricht bis zur Auferstehung Jesu.
Mehr als am Karfreitag kommt der Priester mit mehreren kleinen Ansprachen zu Wort, aber es überweigen die Kerze, das geweihte Wasser, die Lesungen. .

Zur aktuellen Priesterfrage

Die Katholiken reiben sich an den Priestern, sie unterstellen ihnen zu viel Macht und deren Missbrauch. Als Lösung fällt dem Synodalen Weg die Aufhebung des Zölibats ein. Ist damit aber der Kern des Unwohlseins getroffen? Könnte es nicht sein, dass die Liturgie, wie sie vom letzten Konzil auf den Weg gebracht wurde, den Priester zu sehr herausstellt. Er zelebriert nicht mehr mit dem Rücken zur Gemeinde, sondern steht ihr gegenüber. Der Altar ist mehr in die Gemeinde gerückt. Wird dadurch der Priester nicht zu dominant, auch wenn er es gar nicht will.

Jesus ist schweigend da

Wir lesen die Werke Platons, hören die Musik von Mozart. Menschen, die längst gestorben sind, bleiben damit unter uns. Von Jesus wird eine noch intensivere Gegenwart erfahren, Gläubige beten zu einem Lebendigen, nicht zu Platon noch zu Mozart. Deren Gedanken, deren Musik wollen sie erfahren. Wenn Jesus nicht mehr redet noch handelt, nur schweigend da ist, suchen ihn die Gläubigen trotzdem im Gottesdienst. Sie finden ihn wohl oft nicht mehr. Ist es so, weil Menschen nicht mehr durchsichtig für den Schweigenden sind, die Aura des Geistlichen nicht mehr zu spüren ist? Sind die Gottesdienste nicht zu sehr gemacht?

In Erwartung vieler Rückmeldungen versuche ich, der Frage weiter nachzugehen.

Zur gleichen Frage hier Priester - kein Artenschutz für aussterbende Spezies nnn
                                      Priester - Machtblock in der Katholischen Kirche

zur Zukunft des Priesters schreibt Christian Hennecke: Priester -für kleine christlichen Gemeinschaften


Kategorie: Kirche

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